Glosse

Reif für die Insel

David Cameron verlässt an seinem letzten Tag als Premierminister die Downing Street Nummer 10.
David Cameron verlässt an seinem letzten Tag als Premierminister die Downing Street Nummer 10. © imago / Matrix
Von Arno Orzessek |
Arno Orzessek versteht die Politikerverdrossenheit nicht. David Camerons "Ich bin dann mal weg"-Geträller, Brexit-Boris als künftiger Chef-Diplomat und die Pfarrerstöchter Merkel und May - mehr Unterhaltung geht nicht, sagt er.
Ja, leider! Auch in dieser Woche sind Sachen passiert, da wird einem speiübel.
Umso mehr schätzen wir die herrlich eskapistische Melodie, die der Londoner Lebenskünstler David Cameron vor Number 10 Downing Street geträllert hat: "to tooo do doo."
Nach Einschätzung von Experten bedeutet die liebliche Tonfolge in etwa 'Ich bin dann mal weg!' oder 'Mann, bin ich gut drauf!' oder 'Leute, leckt mich doch!'.

Mürrische Kleinbürger, lasst das Jammern!

Bitte schön, ihr mürrischen Kleinbürger Europas mit euren popeligen Alltags-Sorgen und Sorgenfalten: Schaut auf diesen Typen!
Macht aller Welt ein X für ein U vor, fährt Großbritannien rumms an die Wand, legt die Axt an die Wurzel der EU - aber juckt den das hinterher groß? Wird so einer deshalb zum muffeligen Depri? Schaut der jetzt etwa wie Merkel aus der Wäsche?
Na, also! Stil muss man haben.
Falls ihr wegen des Brexits euren Job verliert - hat Cameron übrigens auch -, lasst das Jammern und lacht dem Schicksal ins Gesicht: "to tooo do doo".

Auf Schusters Rappen auf den Mont Ventoux

Solches Ge-to-do-e hätte auch Christopher Froome, dem britischen Tour-Heroen im Gelben Trikot, nach dem Verlust seines Rennrads prima angestanden...
Allemal besser jedenfalls als uncool hechelnd auf Schusters Rappen den Mont Ventoux rauf zu rennen, als wäre die Tour ein Lauf-Wettbewerb. Hey, geht's noch?
Immerhin, Camerons Amts-Nachfolgerin Theresa May schwimmt auf der Gute-Laune-Welle obenauf und bestellt einen wirklich enormen Elefanten in ihren diplomatischen Porzellanladen: Sie macht Boris Johnson zum Außenminister!
Warum sind wir eigentlich über die Politiker verdrossen, obwohl sie uns ständig mit derart grellen Pointen unterhalten?

Warten auf das erste Date von M&M

Nur zur Auffrischung: Boris, der großmäulige Brexiteer und kleinmütige Verpisser, meinte einst über Hillary Clinton, sie habe "einen stahlblauen Blick, wie eine sadistische Krankenschwester in einer psychiatrischen Klinik."
Kuschelig wird das, wenn die sich treffen: der knuffige Pöbel-Boris und die sadistische Krankenschwester Hillary als US-Präsidentin.
Noch stärker sehnt sich Europa natürlich nach dem ersten Date von M&M, May und Merkel, Theresa und Angie alias Angela. Preisfrage: Können zwei Pfarrerstöchter überhaupt noch pfarrerstochterhafter heißen?
Ob so oder so: Offenbar liegt ein Rest von Gottes Segen über dem christlichen Abendland... Sonst hätte ER ihm nicht in bitterer Lage wie zwei süße Schokolinsen M&M beschert.
Beide superklug, beide superehrgeizig, beide super Hobby-Köchinnen - beste Voraussetzungen also, um bei Sausage und Currywurst den Brexit zu deichseln. Als mitreißendes Motto drängt sich auf: 'Wir schaffen das.'

Mottenattacke von den Fürsten der Finsternis

Ach ja! Am letzten Sonntag, vier Tage vor dem Laster von Nizza, durfte man noch glauben, auch der IS fände Spaß an Späßen.
Dass die Fürsten der Finsternis kein klassisches Bombenattentat, sondern eine Mottenattacke auf das hoch gesicherte EM-Endspiel im Stade de France verübt haben, musste man als Forschritt in puncto Terror-Kultur beklatschen.
Aber wie es scheint, siehe Nizza, haben die Mordgesellen doch nicht genügend Humor, um für immer auf dadaistische Methoden umzusatteln.
Unterdessen bleibt das Komische des Tragischen treuer Begleiter.
Wann immer jetzt Präsident Hollande gestriegelt und gebürstet vor sein gepeinigtes Volk tritt, senkt sich unwillkürlich ein Gedanke in alle Herzen: Verdammt noch mal, diese Frisur kostet uns 10.000 Euro im Monat!
Tja, und was kann das gezeichnete Europa nun aus einer solchen Woche mitnehmen? Eines auf jeden Fall! Jene kleine, herrlich eskapistische Melodie: "to tooo do doo."