Glosse

Pfui, Aufklärung!

Die Elchkuh Sina steht in den frühen Morgenstunden im Wildpark Schorfheide in Groß Schönebeck (Brandenburg) auf einer Wiese. Der Wildpark nördlich von Berlin beherbergt Tierarten, die in der Schorfheide heimisch sind.
So schön stehen nur deutsche Elche im Sonnenaufgang, wie hier eine Elchkuh im brandenburgischen Schorfheide. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Klaus Pokatzky · 01.02.2017
Als der römische Feldherr Cäsar noch über die teutonische Geschichte, über den deutschen Elch und über die deutsche Eiche schrieb, da konnte man noch stolz sein auf unsere Geschichte. Das hätte dem Höcke-Haufen gefallen. Finster wurde es dann schließlich mit Gutenberg und seinem Buchdruck.
Ganz Deutschland ist besetzt von Geschichte. Ganz Deutschland ist besetzt von Geschichtsschreibern, die uns ein schlechtes Gewissen machen wollen. Ganz Deutschland? Nein: Ein kleiner unbeugsamer Höcke-Haufen kämpft dafür, dass wir mit bräunlich erhitzten Wangen stets stolz auf unsere Vergangenheit zurückblicken.
Blicken wir also zurück und lernen wir vom ersten Geschichtsschreiber der teutonischen Historie, der sich in Europa getummelt hat: Gaius Julius Cäsar. Niemand hat so beeindruckend und berührend über den deutschen Elch und die deutsche Eiche geschrieben. Das ist schmucke Geschichte zum Stolzwerden. Da bleibt das Positive: an der deutschen Eiche und am deutschen Elch. Der hat keine Kniegelenke und schläft im Stehen und lehnt sich dabei an den Baum im germanischen Urwald. Das hat uns Cäsar so beschrieben:
"Wenn nun die Jäger an den Spuren bemerken, wo er sich hinzubegeben pflegt, so untergraben sie entweder alle Bäume in der Wurzel oder hauen sie so an, dass sie nur noch dem äußersten Schein nach stehen. Lehnt sich dann ein Elch seiner Gewohnheit nach daran, so drückt er den geschwächten Baum durch seine Last nieder und fällt selbst mit zur Erde."

Mit Gutenberg wurde die Geschichtsschreibung kritisch

Und so kann dann der schlaue Germane, der vor nicht allzu langer Zeit vom Baum heruntergeklettert ist, den hilflosen Elch einsammeln und zu seinem Weibe am heimischen Herdfeuer bringen. Ein schön positives Deutschlandbild. Das alles hat mit Fake News überhaupt nichts zu tun. Allenfalls mit factum falsum und factum alternativum – wie klug schon unsere Vorfahren vor zweitausend Jahren waren.
Nach unserem ersten Historiker Cäsar kam erst mal nichts und dann kamen die Mönche in ihren Klöstern und schrieben die teutsche Geschichte auf – viel mehr Leute konnten ja auch gar nicht schreiben. Und wie die Kuttenhistoriker Geschichte geschrieben haben, da lacht das Herz des Höcke-Haufens. Wer den Mönch bezahlt, der bestellt und bekommt den Text, in dem er gut weg- und stolz daherkommt.
Und dann kamen auf einmal die daher, die meinten, nicht nur der Mönch solle schreiben und vor allem lesen können – sondern der ganz gemeine Mensch. Und dann kam auch noch dieser Gutenberg und mit ihm das gedruckte Wort und zwangsläufig diese Geschichtsschreiber, die den gemeinen Menschen aufklären wollten durch Bildung.

Manchmal bekommt der Gebildete ein schlechtes Gewissen

Und da wurde Geschichtsschreibung auf einmal richtig kritisch und gemein und böse. Karl der Zwölfte von Schweden dreht sich heute noch jede Nacht im Grabe um, wenn er an seinen Biografen Voltaire denkt. Und was Friedrich Schiller über den Abfall der vereinigten Niederlande zu Papier gebracht hat – das konnte keinen Habsburger erfreuen. Das war nicht mehr die cäsarische und mönchische Erbauungsliteratur; da wurde der Leser richtig gefordert. Da wurde er gebildet. Da konnte er sich sein ganz eigenes Bild von Geschichte und Geschichten machen. Richtig anstrengend ist so was.
Und manchmal muss der Gebildete ein heftig schlechtes Gewissen kriegen, wenn er an unsere Geschichte denkt. Das gehört zur Bildung leider dazu. Manchmal kann er aber auch richtig stolz sein, der Gebildete: auf Friedrich Schiller zum Beispiel. Da braucht er nicht mehr den Stolz auf die deutsche Eiche und den deutschen Elch. Und keinen Stolz auf noch ein germanisches Wesen, dessen Beschreibung Gaius Julius Cäsar mit den Worten eingeleitet hat:
"Die dritte Tierart sind die sogenannten Auerochsen."
Die überlässt der Gebildete gerne den Höckes dieser Wälder.
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