Gloser: Die deutsche EU-Präsidentschaft muss einen Weg aufzeigen

Moderation: Birgit Kolkmann |
Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Günter Gloser (SPD), erhofft sich vom deutschen EU-Vorsitz Fortschritte für den Verfassungsvertrag. Die deutsche Präsidentschaft müsse jetzt ein Ergebnis vorlegen, das nicht den Verfassungsvertrag als solchen rette, aber dennoch einen Weg aufzeige über den weiteren Zeitplan, sagte Gloser im Deutschlandradio Kultur.
Kolkmann: Angela Merkel will den EU-Verfassungsentwurf retten, wie, ist noch nicht klar, und sie hat ohnehin wenig Chancen auf Erfolg im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft, denn vor den französischen Präsidentenwahlen im Juni tut sich dort sowieso nichts im Hinblick auf ein "Ja" zum Verfassungsvertrag. 18 EU-Länder haben die Verfassung bereits ratifiziert. Was kann nun Angela Merkel tun, um auch die Zustimmung der restlichen Staaten zu bekommen? In der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur begrüße ich jetzt den Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Günter Gloser von der SPD. Schönen guten Morgen!

Gloser: Einen schönen guten Morgen!

Kolkmann: Herr Gloser, viele Bundesbürger blicken mit Skepsis auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Welche Chance sehen Sie, die auf Eis liegende Verfassung wiederzubeleben?

Gloser: Wir haben in den letzten zwei Jahren die so genannte Reflexionsphase gehabt, darüber nachzudenken, wie geht es weiter, und ich meine, die deutsche Präsidentschaft muss jetzt, und das ist auch der Auftrag auch der anderen Mitgliedstaaten an unsere Präsidentschaft, ein Ergebnis vorlegen, das nicht den Verfassungsvertrag als solchen schon rettet, aber doch einen Weg aufzeigt, wie ist der weitere Zeitplan, welches Verfahren wählt man, und über welche Dinge müssen wir noch sprechen, und Sie haben das ja mit dieser Skepsis angesprochen und auch der Aufgabe von Frau Merkel und vielleicht auch des Außenministers. Jetzt wird es darauf ankommen, in den nächsten Monaten, und das auch schon vor der Wahl, mit den Mitgliedstaaten zu konsultieren, zu hören, wo gäbe es möglicherweise Übereinstimmungen, um doch einen Verfassungsvertrag zustande zu bringen.

Kolkmann: Aber es geht ja nicht nur ums Marketing. Die Skepsis rührt ja auch von grundsätzlichem Unbehagen der Bürger her, zum Beispiel was die Erweiterung der EU auch Richtung Türkei angeht oder auch was den Gottesbezug in der Verfassungspräambel angeht.

Gloser: Also das eine ist generelle Politik, wie setzt die Europäische Union ihre Erweiterungspolitik fest, wobei wir eigentlich feststellen müssen doch, das hat sich auch gerade in den letzten Umfragen gezeigt, dass am Anfang vor dem Beitritt am 1. Mai 2004 von zehn Ländern doch eine große Zustimmung, dann gab es wieder einen Rückschlag in den Zustimmungen, und gerade jetzt auch in den letzten Tagen vor dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien hat man doch insgesamt positiv diese Beitritte festgestellt. Jetzt geht es auch darum zu sagen, warum ist manches notwendig, warum ist es auch in dem Zeitablauf gemacht worden, und ich glaube, ein Datum wird wichtig sein, damit wir hier diese Skepsis auch vielleicht nicht ganz, aber doch zu einem Teil beseitigen können, das wird der 50. Jahrestag der Römischen Verträge am 25. März sein, den wir ja mit einer feierlichen Berliner Erklärung begehen wollen, um auch deutlich zu machen, was hat diese Europäische Union seit ihrer Gründung bewirkt, und vor welchen Herausforderungen stehen wir, und diese Herausforderungen kann kein Mitgliedland heute alleine lösen.

Kolkmann: Welche Möglichkeiten gibt es denn, dafür zu sorgen, dass die Verfassung der EU ja akzeptiert wird? Da gibt es die Überlegung, dass man sie Grundgesetz nennen wird. Würde denn ein neues Etikett für mehr Zustimmung werben?

Gloser: Also ich meine, wenn wir nur sagen, wir ändern das Label oder, wie Sie es ausdrücken, das Etikett, das würde sicher nicht genügen. Wir haben in bestimmten Ländern klare Entscheidungen gehabt, das war die Niederlande, das war Frankreich, es gibt andere, die sich noch zurückhalten, da wird es sicherlich nicht genügen, einfach das Label zu verändern. Es wird darauf ankommen, in den Ländern eine gewisse Skepsis noch zu beseitigen, die zwar über die Parlamente, aber auch über Referenden wie in Spanien oder Luxemburg dieser Verfassung ihre Zustimmung gegeben haben.

Nein, es muss deutlich gemacht werden, warum wir damals uns entschieden haben, warum auch über eine sehr große Beteiligung von Parlamentariern dieser Vertrag zustande gekommen ist, nämlich dass diese Europäische Union transparenter werden muss, also für die Bürger auch durchsichtiger werden muss, wer ist wofür zuständig, ist es denn immer so, dass der schwarze Peter nach Brüssel geschoben wird, oder gibt es da auch Verantwortlichkeiten der Mitgliedstaaten, wie können die Parlamente besser beteiligt werden. Alles wichtige Punkte, und das, glaube ich, muss auch in den nächsten Monaten noch deutlicher kommuniziert werden.

Kolkmann: Die EU-Ratspräsidentschaften wechseln ja im Moment noch alle halbe Jahre. Das soll sich ja, und das steht in dem Verfassungsentwurf, dann auch ändern und auf zweieinhalb Jahre gestreckt werden. Es gibt natürlich jede Menge Reibungsverluste, weil, wenn alle halbe Jahre gewechselt wird, muss wieder der ganze Apparat umgestellt werden in ein anderes Land. Nun will ja Deutschland eine Premiere machen, eine Dreierpremiere, zusammen mit den Nachfolgern in der Ratspräsidentschaft Portugal und Slowenien zusammenarbeiten. Wie machen Sie das?

Gloser: Also es hat jetzt im Vorfeld auch schon gute Abstimmung gegeben, vor allem weil wir das erste Mal diese Premiere, dieses 18-monatige Präsidentschaftsprogramm auch vorgelegt haben, das so genannte trilatale Programm. Es wird auch während der Präsidentschaft sehr enge Kontakte geben, Austausch geben. Ich meine aber, Sie haben vollkommen Recht, es ist auch ein Schritt dieses Verfassungsvertrages, diese Präsidentschaften anders zu organisieren, damit die Reibungsverluste nicht entstehen.

Aber im Gegensatz zu vielen früheren Präsidentschaften, die etwas länger zurückliegen, denke ich, ist es auch so jetzt passiert, dass wir viele Dinge, Themen, die beispielsweise die Österreicher, die Finnen auf ihrer Agenda gehabt haben, übernehmen und nicht, wie es vielleicht vor zehn Jahren war, dass eine Präsidentschaft in ihren sechs Monaten alles neu erfindet, sondern dass man Themen einfach weiterführt, damit die Bürger auch merken, diese Europäische Union bleibt an Themen dran, ich nenne nur eins aus dem Frühjahr letzten Jahres, nämlich das Thema Energie.

Kolkmann: Energie, Klimaschutz, dieses sind natürlich ganz zentrale Themen, die auch Angela Merkel aufgreifen, vorantreiben will. Hat sie sehr gute Chancen, beim Thema Klimaschutz weiterzukommen, möglicherweise eine Folgevereinbarung für Kyoto hinzubekommen?

Gloser: Also es hat sich in den letzten Tagen herausgestellt, nicht nur durch Studien des Herrn Professor Sterne, aber auch des aufrüttelnden Films von Al Gore, dass wir dem Thema Klimaschutz nicht wieder nur Papier widmen dürfen, sondern sehr konkrete Schritte gemacht werden müssen, und jetzt gilt es eben, während unserer Präsidentschaft im Bereich der 27 Mitgliedsstaaten das Thema voranzubringen, auch mit ganz konkreten Schritten, was jeder Mitgliedstaat für sich tun kann, aber zum anderen auch während unserer G-8-Präsidentschaft mit den anderen beteiligten Staaten größere Schritte zu machen als in der Vergangenheit.

Kolkmann: Vielen Dank für das Gespräch.