Global Player im Fußball
In den USA rangiert Fußball in der Beliebtheitsskala weit hinter populären Sportarten wie Basketball, Football oder Baseball. Die beiden in den USA lehrenden Politikprofessoren Andrei S. Markovits und Lars Rensmann zeigen aber, dass der Fußball in den USA und in Europa eine Vorreiterrolle in der Globalisierung spielt. Multiethnische Mannschaften tragen zur Konfliktminderung bei, glauben sie.
Der Einstieg in "Querpass", geschrieben von den beiden in den USA lehrenden Politikprofessoren Andrei S. Markovits und Lars Rensmann, ist etwas mühsam. Doch wer sich von der Überschrift zur 52 Seiten starken Einleitung - "Politik, kollektive Identität und postindustrielle Sportkulturen im transatlantischen Vergleich" - nicht einschüchtern lässt, wird für seinen Mut zum Weiterlesen belohnt.
"Querpass" bietet eine fundierte Analyse der Unterschiede zwischen der europäischen und der US-amerikanischen Sportkultur: In den USA, der einzigen Industriegesellschaft ohne eine sozialistische, sozialdemokratische und kommunistische Massenbewegung, hat Fußball nie eine größere Rolle gespielt. Bis heute sind die drei College-Sportarten Football, Basketball und Eishockey sowie Baseball - das populäre Spiel der kleinen Leute - die unangefochtenen Zugpferde.
Nach Ansicht der Autoren ändert auch der spektakuläre Transfer des Engländers David Beckham vom spanischen Rekordmeister Real Madrid zu Los Angeles Galaxy in die sieche US-Profiliga MLS daran zunächst relativ wenig. Allenfalls sei das ein Indiz dafür, dass die Globalisierung mittel- bis langfristig im transatlantischen Raum auch zu einer zunehmenden Europäisierung, bzw. "Verfransung" auf den Feldern Sport, Politik und Kultur führen werde. So habe beispielsweise der Deutsche Dirk Nowitzki, seit Jahren Star in der Basketballprofiliga NBA, das klassische College-Spiel in Europa populärer gemacht.
Fußball als Modernisierer der Gesellschaft
Die Fußball-Teams der europäischen Spitzenligen sind seit Jahren multikulturell gemischt. Markovits und Rensmann haben beobachtet, dass die Welt der Sportkulturen "durch diese pluralisierende Modernisierungsentwicklung" anderen gesellschaftlichen Sektoren wie zum Beispiel der Politik oder der Kultur zum Teil weit voraus ist. Soziokulturelle Konflikte werden auf dem Spielfeld ausgetragen.
Besonders deutlich sei diese Entwicklung am Beispiel des Glasgower Stadtderbys zwischen den katholischen Celtics und den evangelischen Rangers zu beobachten. Seit Ende der 1980er Jahre, als sich die Teams für Spieler aus dem Ausland öffneten und sich nicht mehr nur Schotten auf dem Platz gegenüber standen, sei auch die Gewalt im Umfeld drastisch zurückgegangen. Obwohl die meisten Spieler der europäischen Topteams - wie zum Beispiel beim FC Barcelona - inzwischen weder aus der näheren Region noch aus Spanien kommen, identifizieren sich die Fans trotzdem mit ihrem Klub.
Dies gilt nach Ansicht der Autoren allerdings vorwiegend in großstädtischen Ballungsräumen. Je provinzieller der Klub sei, desto stärker seien die Vorbehalte der Anhänger gegenüber den Neuen aus der globalisierten Welt des Sports. In den USA spielt die Herkunft der Spieler dagegen aufgrund der langen Tradition als Einwandererland fast gar keine Rolle.
Brasilien erste globale Nationalmannschaft
Das Paradebeispiel für soziokulturelle Modernisierung über das Medium Sport sieht "Querpass" in der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die Deutschen hätten das Turnier "als Folie eines neuen, nationalen, politisch-kulturellen Selbstbewusstseins genutzt". Noch Monate danach zeigten viele Deutsche an ihren Autos oder auf den Balkonen "Flagge". Nie zuvor habe es ein vergleichbares sportliches Ereignis gegeben, das von vielen auch als Event der Popkultur verstanden worden sei. In der friedlichen Begegnung verschiedener Länder im Rahmen eines Fußballturniers sehen die Autoren ein "globales, politisch-symbolisches Ereignis".
Zudem sei bei der WM die Sonderrolle der Mannschaft Brasiliens deutlich geworden. Markowitz und Rensmann erkennen in den brasilianischen Fußballern die erste globale Nationalmannschaft. Kaum jemand, abgesehen von den Argentiniern, sei gegen Brasilien. Die meisten Spieler stehen in Europa unter Vertrag. Bei ihren europäischen Klubs spielen sie auf Schlüsselpositionen, bereichern das Spiel. Die Mannschaft liefere "die globale Identifikationsfläche des schönen Spiels". Die Brasilianer sind beliebt, werden integriert, liefern ein Musterbeispiel für Pluralismus im Sport. Durch diese Vorleistung hätten sich während der WM viele Fans eben "irgendwie auch als Brasilianer gefühlt". Brasilien sei die erste globale Nationalmannschaft, die die Spannung zwischen national-partikularer Repräsentanz und Universalismus versöhne.
"Querpass" von Andrei S. Markovits und Lars Rensmann ist eine wissenschaftlich fundierte Arbeit, die sich gut lesen lässt. Durch den europäisch-amerikanischen Vergleich, der sich nicht nur auf den Sport beschränkt, gelingt es den Autoren, ein sehr komplexes Bild der Systeme mit vielen überraschenden Querverbindungen zu beschreiben. An vielen Stellen entsteht der Eindruck, der "Proletensport" Fußball könnte vielleicht sogar ein effektiveres politisches Instrument zur Konfliktbewältigung sein als manche UN-Blauhelmtruppe.
Rezensiert von Thomas Jaedicke
Andrei S. Markovits, Lars Rensmann: "Querpass". Sport und Politik in Europa und den USA
Verlag Die Werkstatt, Göttingen
240 Seiten, Paperback, 18,90 Euro
"Querpass" bietet eine fundierte Analyse der Unterschiede zwischen der europäischen und der US-amerikanischen Sportkultur: In den USA, der einzigen Industriegesellschaft ohne eine sozialistische, sozialdemokratische und kommunistische Massenbewegung, hat Fußball nie eine größere Rolle gespielt. Bis heute sind die drei College-Sportarten Football, Basketball und Eishockey sowie Baseball - das populäre Spiel der kleinen Leute - die unangefochtenen Zugpferde.
Nach Ansicht der Autoren ändert auch der spektakuläre Transfer des Engländers David Beckham vom spanischen Rekordmeister Real Madrid zu Los Angeles Galaxy in die sieche US-Profiliga MLS daran zunächst relativ wenig. Allenfalls sei das ein Indiz dafür, dass die Globalisierung mittel- bis langfristig im transatlantischen Raum auch zu einer zunehmenden Europäisierung, bzw. "Verfransung" auf den Feldern Sport, Politik und Kultur führen werde. So habe beispielsweise der Deutsche Dirk Nowitzki, seit Jahren Star in der Basketballprofiliga NBA, das klassische College-Spiel in Europa populärer gemacht.
Fußball als Modernisierer der Gesellschaft
Die Fußball-Teams der europäischen Spitzenligen sind seit Jahren multikulturell gemischt. Markovits und Rensmann haben beobachtet, dass die Welt der Sportkulturen "durch diese pluralisierende Modernisierungsentwicklung" anderen gesellschaftlichen Sektoren wie zum Beispiel der Politik oder der Kultur zum Teil weit voraus ist. Soziokulturelle Konflikte werden auf dem Spielfeld ausgetragen.
Besonders deutlich sei diese Entwicklung am Beispiel des Glasgower Stadtderbys zwischen den katholischen Celtics und den evangelischen Rangers zu beobachten. Seit Ende der 1980er Jahre, als sich die Teams für Spieler aus dem Ausland öffneten und sich nicht mehr nur Schotten auf dem Platz gegenüber standen, sei auch die Gewalt im Umfeld drastisch zurückgegangen. Obwohl die meisten Spieler der europäischen Topteams - wie zum Beispiel beim FC Barcelona - inzwischen weder aus der näheren Region noch aus Spanien kommen, identifizieren sich die Fans trotzdem mit ihrem Klub.
Dies gilt nach Ansicht der Autoren allerdings vorwiegend in großstädtischen Ballungsräumen. Je provinzieller der Klub sei, desto stärker seien die Vorbehalte der Anhänger gegenüber den Neuen aus der globalisierten Welt des Sports. In den USA spielt die Herkunft der Spieler dagegen aufgrund der langen Tradition als Einwandererland fast gar keine Rolle.
Brasilien erste globale Nationalmannschaft
Das Paradebeispiel für soziokulturelle Modernisierung über das Medium Sport sieht "Querpass" in der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die Deutschen hätten das Turnier "als Folie eines neuen, nationalen, politisch-kulturellen Selbstbewusstseins genutzt". Noch Monate danach zeigten viele Deutsche an ihren Autos oder auf den Balkonen "Flagge". Nie zuvor habe es ein vergleichbares sportliches Ereignis gegeben, das von vielen auch als Event der Popkultur verstanden worden sei. In der friedlichen Begegnung verschiedener Länder im Rahmen eines Fußballturniers sehen die Autoren ein "globales, politisch-symbolisches Ereignis".
Zudem sei bei der WM die Sonderrolle der Mannschaft Brasiliens deutlich geworden. Markowitz und Rensmann erkennen in den brasilianischen Fußballern die erste globale Nationalmannschaft. Kaum jemand, abgesehen von den Argentiniern, sei gegen Brasilien. Die meisten Spieler stehen in Europa unter Vertrag. Bei ihren europäischen Klubs spielen sie auf Schlüsselpositionen, bereichern das Spiel. Die Mannschaft liefere "die globale Identifikationsfläche des schönen Spiels". Die Brasilianer sind beliebt, werden integriert, liefern ein Musterbeispiel für Pluralismus im Sport. Durch diese Vorleistung hätten sich während der WM viele Fans eben "irgendwie auch als Brasilianer gefühlt". Brasilien sei die erste globale Nationalmannschaft, die die Spannung zwischen national-partikularer Repräsentanz und Universalismus versöhne.
"Querpass" von Andrei S. Markovits und Lars Rensmann ist eine wissenschaftlich fundierte Arbeit, die sich gut lesen lässt. Durch den europäisch-amerikanischen Vergleich, der sich nicht nur auf den Sport beschränkt, gelingt es den Autoren, ein sehr komplexes Bild der Systeme mit vielen überraschenden Querverbindungen zu beschreiben. An vielen Stellen entsteht der Eindruck, der "Proletensport" Fußball könnte vielleicht sogar ein effektiveres politisches Instrument zur Konfliktbewältigung sein als manche UN-Blauhelmtruppe.
Rezensiert von Thomas Jaedicke
Andrei S. Markovits, Lars Rensmann: "Querpass". Sport und Politik in Europa und den USA
Verlag Die Werkstatt, Göttingen
240 Seiten, Paperback, 18,90 Euro