Gleichbehandlungsgesetz ist "überflüssig"

Moderation: Christopher Ricke |
Ein Jahr nach Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hat der Bundesverband mittelständische Wirtschaft eine Änderung des Gesetzes gefordert. Das Gesetz habe nur zusätzliche Bürokratie und Kosten verursacht, sagte der Präsident der Organisation, Mario Ohoven.
Christopher Ricke: Seit einem Jahr gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das umgangssprachlich immer noch als Anti-Diskriminierungs-Gesetz bezeichnet wird, ein Bundesgesetz, das europäischen Vorgaben folgt, das gegen die Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität entgegenwirken soll. Die politische Debatte über dieses Gesetz war eine sehr laute und auch eine recht lange. Insbesondere die Wirtschaft sah die grundgesetzlich geschützte Vertragsfreiheit in Gefahr. – Mario Ohoven ist der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft. Guten Morgen Herr Ohoven!

Mario Ohoven: Guten Morgen Herr Ricke!

Ricke: Jetzt haben wir das Gesetz seit einem Jahr und ich frage mal, wird denn wirklich so heiß gegessen wie damals gekocht worden ist?

Ohoven: Es wird erst einmal nicht so ganz heiß gegessen, wie es gekocht worden ist, aber wir können damit auch gar nicht zufrieden sein, weil das AGG in dieser Form nach wie vor ein völlig überflüssiges Gesetz ist. Um es mal auf den Punkt zu bringen: Für uns Unternehmer hat das nur neue Bürokratie und zusätzliche Kosten gebracht. Ich komme darauf gleich noch zurück.
Es sind nun nicht Tausende Verfahren vor Gericht anhängig, aber das ist ja nun wirklich ein ziemlich schwacher Trost. Davon abgesehen weiß ich von vielen unserer Mitglieder, dass man immer bemüht ist, Streitfälle außergerichtlich beizulegen, also durch eine außergerichtliche Einigung.

Aber lassen Sie uns noch mal auf die negativen Folgen zurückkommen. Sie können davon ausgehen – und das bestätigen ja auch die ersten Umfragen -, dass sich gerade die Kleinunternehmen – und das ist nun mal die übergroße Mehrheit in Deutschland – sehr schwer mit der neuen Regelung tun. Nehmen Sie nur mal eine Bewerbung. Die Unternehmerin oder der Unternehmer ist wirklich gut beraten, wenn sie oder er nicht alleine in ein Bewerbungsgespräch geht. Also muss dafür immer eine Fachkraft aus dem Arbeits- oder Produktionsprozess abgezogen werden, schon allein um einen Zeugen zu haben. Das Risiko einer späteren Klage wegen einer angeblichen Diskriminierung hat er ohnehin, und zwar bei jedem Gespräch.
Dann müssen die Unterlagen länger aufgehoben werden. Bei den Absagen muss Unternehmer oder Unternehmerin auf jedes Komma, auf jeden Punkt peinlich genau achten und so weiter.

Ricke: Aber es sind ja auch Regelungen, die europäischen Vorgaben folgen, auch wenn die Unternehmen sagen, die Deutschen seien ein wenig übers Ziel hinausgeschossen. Damals wurde wirklich geklagt, dieses Gesetz könne den Aufschwung gefährden. Davon habe ich allerdings wenig gemerkt in den letzten Monaten.

Ohoven: Doch! Das Ganze ist auch gesamtwirtschaftlich gesehen äußerst fragwürdig. In der Tat: die Bundesregierung hat einmal mehr geglaubt, Deutschland müsse in der EU mal wieder den Musterschüler spielen. Es hätte völlig ausgereicht, wenn wir wie unsere Nachbarn auch einfach nur die Vorgaben aus Brüssel zur Gleichstellung umgesetzt hätten. Haben wir aber nicht! Die Politiker mussten noch einen draufsetzen. Ich halte das für eine wirklich gefährliche Tendenz, weil es eben leider kein Einzelfall ist. Denken Sie nur an den Vorstoß von Herrn Kauder bei der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit. Der wollte im Unterschied zu unseren Nachbarn die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus Osteuropa von 2009 auf 2011 verschieben. Das sind genau die Signale, die uns im Ausland schaden.
Was nun das AGG betrifft: Da ja offenbar kein gerichtlicher Klärungsbedarf besteht, wunderbar! Da kann das Gesetz ja auf die Brüsseler Mindeststandards zurückgeschnitten werden.

Ricke: Ist das die Forderung, das Anti-Diskriminierungs-Gegsetz jetzt wirklich deutlich zurückzufahren?

Ohoven: Das ist die Forderung. Wir wehren uns auch gegen diesen Generalverdacht gegen den deutschen Mittelstand. Dieser Aspekt beim Anti-Diskriminierungs-Gesetz hat mich von Anfang an besonders geärgert. Der Gesetzgeber vermittelt doch den Eindruck, als hätte ein typischer Mittelständer nichts anderes im Sinn, als wen auch immer zu diskriminieren. Wer trägt denn die Hauptlast der Berufsausbildung in Deutschland? 80 Prozent der Lehrlinge werden vom Mittelstand ausgebildet. Wer steht denn auch zum Standort Deutschland? Wer produziert hier? Die Mittelständler. Wer engagiert sich denn vor Ort im sozialen Bereich, im Sport und so weiter? Das sind wir Mittelständler. Vielleicht sollte man auch einmal darauf hinweisen, wer von diesem Gesetz profitiert. Das sind einmal die Berater, die den Unternehmern für teueres Geld zeigen, wie sie sich vor ungerechtfertigten Beschuldigungen schützen können. Das sind Versicherungen, die für teueres Geld entsprechende Policen anbieten. Das sind zum dritten auch einige Anwälte, die mit Hilfe des Gesetzes ihr Einkommen aufbessern.

Ricke: Herr Ohoven, ist denn das Anti-Diskriminierungs-Gesetz wirklich das aktuelle Problem des Mittelstandes? Zwickt es nicht woanders viel mehr? Wenn ich mir die internationale Finanzkrise ansehe, die ja auch in Deutschland die Mittelstandsbank IKB erfasst hat. Ist Liquidität und das Thema der Liquiditätsversorgung zurzeit nicht im Vordergrund?

Ohoven: Liquidität ist im Vordergrund, gar keine Frage, ob es nun einige Hedgefonds sind, wo manche Großbanken sich ängstigen, oder ob es nun die Krise ist. Ich würde diese Krise, die von Amerika kommt, die mit den drittklassigen Immobilien zusammenhängt, aber definitiv nicht überschätzen. Da ist momentan Ruhe geboten. Man darf auch diese Krise, die durch diese Kredite an diese zum Teil wirklich nicht AAA, AA oder A vermittelt worden ist, um Gottes Willen nicht auf die ganze Immobilie ziehen, sondern das sind Einzelfälle. Die machen natürlich Angst, aber die ganz große Krise sehe ich hier nicht.

Ricke: Vielen Dank Herr Ohoven. – Mario Ohoven ist der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft.