"Glauben Sie nicht, dass ich alle Wortspiele auf Anhieb erkannt habe"

Gudrun Penndorf im Gespräch mit Frank Meyer · 29.10.2009
Gudrun Penndorf hat zahlreiche der vor 50 Jahren erstmals herausgebrachten Asterix-Geschichten ins Deutsche übersetzt. Auf die Frage, auf welche Erfindung sie bis heute stolz sei, antwortete sie: "auf die Namen". Penndorf hatte beispielsweise Verleihnix und Grautvornix erschaffen.
Frank Meyer: "Die spinnen, die Römer!", so staunt der gallische Krieger Obelix, wenn er nicht gerade beim Wildschweinvertilgen knurps, mampf, rülps macht. Obelix und sein Gefährte Asterix sind in der ganzen Welt bekannt. Bis heute wurden 325 Millionen Asterix-Alben verkauft in 107 Sprachen und Mundarten.

Ins Deutsche hat die Romanistin Gudrun Penndorf Asterix übersetzt – oder einen deutschen Asterix erfunden, muss man vielleicht besser sagen – und das bei den ersten 29 Asterix-Bänden. Inzwischen gibt es 34. Frau Penndorf, am 29. Oktober 1959, also heute vor 50 Jahren, ist der Asterix-Comic in einer französischen Comiczeitschrift erschienen. Wann sind Sie denn Asterix zum ersten Mal begegnet?

Gudrun Penndorf: Das müsste Mitte der 60er-Jahre gewesen sein, da zeigte mir eine französische Freundin in München einen solchen Band. Und die ganze Clique bestand so aus teils Franzosen, teils Deutschen -und die lachten und lachten. Und dann habe ich da auch mal ein bisschen näher hingeguckt und habe mir was erklären lassen. Also ich fand, das sah so ganz anders aus als Mickey Maus. Das war – wie sich dann auch später herausstellte – ein ganz anderer Comic. Aber da wusste ich ja noch gar nicht, dass das einmal auf mich zukommen würde.

Meyer: Also Sie haben Mitte der 60er-Jahre Asterix kennengelernt, 68 ist ja dann der erste Asterix bei uns erschienen, und Sie waren bis 1991 damit beschäftigt, also viele, viele Jahre lang. Da muss ja irgendwie Liebe mit im Spiel sein. Was ist denn für Sie der Charme, die Klasse dieser Geschichten von Asterix?

Penndorf: Es ist so verwunderlich, dass es … diese anachronistischen Szenen, die versetzen das in eine wahre Historie, 50 vor Christus, die Eroberung Galliens – das war ja nun auch eine Großtat von Cäsar, den man in der Schule gelesen hatte, dessen Anfang ich auch auswendig kann.

Und dann sieht man so was wieder, und es ist aber vollkommen verfremdet auf heutige Zeiten. Aber es menschelt, das sind menschliche Wesen, es sind ja reale Personen und nicht wie in Micky Maus oder Donald Duck verfremdete Tiere.

Meyer: Frau Penndorf, können Sie uns erzählen, wie das überhaupt gekommen ist, wie Sie Asterix-Übersetzerin geworden sind?

Penndorf: Ich hatte für diesen Ehapa-Verlag bereits "Lustige Taschenbücher" von Walt Disney übersetzt. Und eines Jahres, sprich im Jahr 68, wollte ich ein, zwei Monate in Paris verbringen, und da sagte der Verlagsleiter: Ach, das ist ja wunderbar, Sie gehen nach Paris, können Sie da nicht bei Herrn Goscinny vorbeigehen? Wir suchen eine ausgebildete Übersetzerin für Asterix. Das war vorher mal in der Redaktion übersetzt worden, aber die Redakteurinnen, die konnten jetzt nicht so Französisch und die haben dann auch so statt "die Todgeweihten grüßen sich" haben sie geschrieben "die Toten grüßen dich" oder …

Meyer: Oh, oh, das liegt ja böse daneben.

Penndorf: Genau, also solche Dinge. Und die haben auch den Alexandrina da nicht erkannt und alles Mögliche, und die Franzosen haben das gemerkt und haben gesagt: Wir brauchen eine neue, wir brauchen da jemand Ausgebildeten. So, dann bin ich da hingegangen und hab mit Herrn Goscinny bestimmt eine Stunde sehr entspannt gesprochen. Und er sagte: Ja, gut, fangen Sie an, ist okay. Was ich nicht wusste, ist, dass die auch meine Sachen wieder geprüft haben. Ist klar, die waren speziell durch diese erste Enttäuschung mit diesen, mit Kauka waren die gebrannte Kinder.

Meyer: Das müssen wir kurz erklären: Es gab eine frühere deutsche Asterix-Fassung von eben diesem Herrn Kauka, die Sie erwähnt haben, die die Franzosen sehr unglücklich gemacht hat.

Penndorf: Ja, Asterix wurde zu Siggi der Germanenheld, Obelix war Barrabas, das Dorf hieß Bonhalla – also Sie merken schon, in welche Richtung das ging.

Meyer: Gepflegtes Germanentum dann bei Asterix.

Penndorf: Ja, und das sollte nicht sein. Im Übrigen, glauben Sie nicht, dass ich alle Wortspiele auf Anhieb erkannt habe. Nicht mal die Franzosen erkennen alle Anspiele auf Anhieb.

Meyer: Die Asterix-Hefte haben ja in Frankreich einen sensationellen Erfolg gehabt, und manche meinen nun, der Grund für diesen Erfolg wäre, dass diese Hefte der französischen Seele so schön schmeicheln, dass diese Geschichten ja nach dem Motto funktionieren, "welche Macht auch immer gegen uns steht, damals eben Rom, wir bleiben uns treu, wir setzen uns durch, wir sind letztlich unbesiegbar". Meinen Sie, das hat für die Franzosen tatsächlich eine so große Rolle gespielt?

Penndorf: Zweifeln Sie daran? Aber lassen wir doch hier den Galliern in diesen Episoden ihre Trümpfe, wenn sie sich gegen die Römer behaupten. Aber diese Anspielung auf typisch Französisches, das wurde mit der Zeit etwas schwächer. Ich nehme an, das lag daran, als sie gemerkt haben, oh, oh, das lässt sich ja wunderbar weltweit vermarkten, da hat man dann auch die Nationalitäten weitergesponnen, in Spanien, bei den Normannen, bei den Schweizern. Man konnte diese Stereotypien alle einbauen, aber eigentlich immer recht allgemein menschlich und nicht mehr so Anspielungen auf irgendwelche französische Eigenheiten oder Darsteller, die übrigens jetzt nach 50 Jahren sowieso kaum ein jüngerer Franzose mehr kennt.

Meyer: Und wie ist das in Deutschland? Ich lese jetzt in den Artikeln zum 50. Geburtstag immer wieder, dass Asterix in Deutschland fast noch erfolgreicher sei als in Frankreich selbst, obwohl wir ja, wenn wir uns mal "Asterix bei den Goten" anschauen, da auch ordentlich was auf die Mütze kriegen. Unsere Vorfahren sind ja richtig derbe Barbaren, die sich am liebsten über die schönsten Hinrichtungsmethoden unterhalten.

Penndorf: Oder die sich vierteilen. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie ja auch Bismarck, Sie sehen diese Pickelhauben, Sie sehen auch Adolf Hitler, und schließlich gibt es in den Sprechblasen der Flüche – gab es, jedenfalls im Original ist es noch da – ein Hakenkreuz, dieses Swastika. Ohne diesen Zusammenhang mit Germanen ist es ja ein uraltes Symbol, aber wenn Goten so fluchen, dann hat das schon starken Bezug dazu. Und das hat man tatsächlich in der deutschen Ausgabe aus der Folie rausgekratzt.

Meyer: Und aber meine Frage: Warum, denken Sie, warum lieben die Deutschen Asterix so sehr?

Penndorf: Das galt dann wohl sehr rasch bei Eltern auch nicht mehr als Schmutz- und Schundliteratur, man hat gesehen, das spielt auf historischem Terrain …

Meyer: Und es kommt Latein drin vor.

Penndorf: Es kommt Latein drin vor, ja. Ich habe dann beim Verlag durchgesetzt, dass man ausnahmsweise mal bei einem Comic unten eine Erklärung gibt, weil ich gesagt habe, damit kommen wir nicht weiter. Wir können nicht davon ausgehen, dass das nur jeder Besucher eines humanistischen Gymnasiums lesen kann.

Meyer: Überhaupt zum Übersetzen: Asterix lebt ja vom Sprachwitz, von den Wortspielen, von eben den Zitaten von ganz komischen Namen, wenn man an die Legionäre allein denkt, Hau-drauf-und-Schluss-Bazillus und so weiter. Sie mussten das alles im Deutschen nacherfinden. Auf welche Erfindung sind Sie denn bis heute noch stolz?

Penndorf: Auf die Namen ganz besonders, muss ich sagen. Die Namen durfte ich übrigens am Anfang auch gar nicht so eindeutschen. Bei Band 2 bei "Kleopatra" habe ich damit begonnen, da wurde es wieder zurückgepfiffen, aber bei den Briten, da habe ich gesagt, also jetzt geht’s los, diese Chance können wir nicht verschenken. Ja, was denn? Mac Teefürzweifix, O’Fünfuhrteefix, Schnurstrax, Strammermax. Ich kann mich noch erinnern an "Ladenschluss", das habe ich zu einer Zeit genommen, wo die Ladenschlussdebatte hoch im Kurs war.

Meyer: Das heißt, immer an die Gegenwart auch angekoppelt, diese Namen?

Penndorf: Ja, aber die Intention der Franzosen war die – mit ganz wenigen Ausnahmen –, jetzt bloß nicht durch die Namen charakterisieren, sondern irgendwas, was eben auf "us" endet oder was man so hinbiegt, dass es auf "us" endet. Die Endungen sind ja bezeichnend für die Ethnie, für die Nationalität. Also Sie haben "us", die Römer, und "ix", "ax" die Briten und Gallier. Die Griechen sind Bratensos, Trauerklos. Das schießt einem ein, das ist einfach schön.

Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch mit der Romanistin Gudrun Penndorf. Sie hat die ersten 29 der inzwischen 34 Asterix-Hefte ins Deutsche übersetzt, und heute ist der 50. Geburtstag von Asterix. Sie haben ja René Goscinny, den Autor, erwähnt, der schon 1977 gestorben ist. Der hat noch den 24. Band "Asterix bei den Belgiern" gemacht, das war das letzte Heft, das René Goscinny noch geschrieben hat.

Seitdem hat die Qualität der Geschichten zum Teil sehr stark nachgelassen, so sehen das viele Asterix-Fans, manche kriegen so richtig das Heulen, wenn sie ein neues Asterix-Heft in die Hände kriegen. Wie schätzen Sie das als Übersetzerin ein, was ist da verloren gegangen?

Penndorf: Ich sag es mal positiv: Mir gefallen auch die ersten zwölf am besten.

Meyer: Es ist ja eine Glaubensfrage bei den vielen, vielen Asterix-Fans, die es gibt: Welches ist eigentlich der beste Band? Haben Sie einen besten?

Penndorf: Also man braucht bestimmt als Einstieg den allerersten Band. Der ist so genial, weil er so unglaublich einfach auch ist. Kleine, freundliche Passagen, man lächelt, man schmunzelt, es sind keine an den Haaren herbeigezogenen Wortspiele, er ist einfach nur schön.

Die nächsten Bände werden dann etwas ausgefeilter. Ich schwanke, muss ich Ihnen sagen. Eigentlich mag ich auch die Briten sehr gern, das liegt daran, an ihrer komischen Syntax, die ich mit Freuden ins Deutsche übertragen habe. Ich mag "Kleopatra" sehr gern, allein von der Geschichte her. Heute mag ich zum Beispiel gern die "Tour de France".

Meyer: Und warum das?

Penndorf: Ich hab sie gerade gelesen, weil mich jemand gefragt hatte, wann taucht denn Idefix das erste Mal auf. Und da habe ich noch mal nachgelesen, der taucht tatsächlich erst in dieser "Tour de France" auf, da kaufen die in einer Metzgerei ein, und da sitzt der Idefix da außen. Und was auch sehr schön ist, ist "Das Geschenk Cäsars", das ist echte Zeitkritik. Da kommen eben Fremde ins Dorf, und da wird dem Methusalix in den Mund gelegt, wie er, also jemand Rückständiges, der nicht so aufgeschlossen ist, wie er die Ankunft von Fremden kommentiert. Das heißt: "Ich hab nichts gegen Fremde, einige meiner besten Freunde sind Fremde. Und diese Fremden da sind nicht von hier." Das ist so doppeldeutig und tiefgründig, ich finde das genial. Und es gibt auch etwa den Standpunkt wieder, den viele Leute gegen Ausländer einnehmen.

Meyer: Heute vor 50 Jahren ist der erste Asterix-Comic erschienen, in einer französischen Comiczeitschrift, und neun Jahre später hat die Übersetzerin Gudrun Penndorf Asterix mit nach Deutschland gebracht. Frau Penndorf, vielen Dank für das Gespräch.

Penndorf: Bitte sehr!