Glauben leicht gemacht

Vorgestellt von Bettina von Clausewitz · 26.05.2005
Die Kenntnisse über biblische Geschichten oder Feste nehmen ab. Um diesem zunehmenden religiösen Analphabetismus zu begegnen, hat die Bischöfin Margot Käßmann einen Ratgeber für den Alltag verfasst, der Mut zum Glauben schenken und gleichzeitig Wissenslücken auffüllen soll.
Eine ansprechende Aufmachung, viele stimmungsvolle Fotos und lockerer Text auf farbigem Untergrund, manchmal in Spalten wie bei einem Magazin – dieses Buch macht schon beim Durchblättern Lust auf Lesen. Es gibt nirgends düstere Bleiwüsten, die Fleißarbeit fordern, oder theologisches Fachvokabular, das nach dem Fremdwörterlexikon verlangt. Geschenkbuch oder Lehrbuch? die Autorin Margot Käßmann ist ihrem eigenen Anspruch gerecht geworden:

"Ich glaube, es ist eher ein Geschenkbuch, weil mir immer mal wieder Menschen sagen: Ich würde so gerne meiner Freundin, meiner Schwiegertochter, unserem Enkelsohn ein bisschen was über den Glauben erzählen, die haben so gar keinen Zugang, aber ich weiß nicht genau wie. Haben Sie mal was ganz Leichtes? Und darauf soll es ein bisschen so eine Antwort sein. Das sind ein paar Basisinformationen, es ist eigentlich mehr ’ne Einladung: Beschäftige dich doch mal damit. "

Aber wo fängt man an, wenn irgendwann der Faden gerissen ist? Wenn der Kirchenaustritt schon Jahre zurück liegt und die Betenden, die Kirchgänger und Gläubigen immer die anderen sind, über die man verständnislos den Kopf schüttelt. Glauben ist ein Menschheitsthema, meint Margot Käßmann, und kein Zeichen von Schwäche. Die 48-jährige Theologin ist nicht nur Bischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, sondern auch Ehefrau, Mutter von vier Töchtern und passionierte Läuferin.

Vor ihrer Bischofwahl 1999 war sie unter anderem Gemeindepfarrerin und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Politisch engagiert, dicht dran an den aktuellen Themen der Zeit, und durch ihre eigene Lebenssituation alles andere als weltfremd. Das Wichtigste, was wir unseren Kindern mitgeben können, zitiert sie Goethe, sind Wurzeln und Flügel. Daraus ist auch der Buchtitel abgeleitet: "Wurzeln, die uns Flügel schenken. Glaubensreisen zwischen Himmel und Erde".

"Nur wer Wurzeln hat, ist stark genug, den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft zu begegnen, ist frei, Fantasie für das Leben zu entwickeln, Träume zu haben – Flügel der Freiheit sozusagen. Ich bin überzeugt, der christliche Glaube bietet uns solche Wurzeln und von ihnen her kann sich unser Leben beflügeln. Wir können eine Glaubensreise antreten mitten im Leben, die uns mit dem Himmel verbindet."

So wird die Autorin zu einer Art Reiseleiterin, und das Buch zur Reiseliteratur durch die Welt des Glaubens. Es enthält eine abwechslungsreiche Sammlung von Texten: Da sind Interviews, in denen Menschen von ihren persönlichen Erfahrungen erzählen, es gibt Erläuterungen zu Bibeltexten, zum Beten oder den zehn Geboten. Kurze Geschichten aus dem Alltagsleben, Liedverse, Zitate und zahlreiche praktischen Tipps.

Etliche Seiten wären jedoch auch ohne die ständige Widerholung des immer gleichen sympathischen Fotos der Autorin ausgekommen, das schon auf den Umschlagseiten in doppelter Ausführung zu bewundern ist. Margot Käßmann ist auch ohne Konterfei präsent, denn sie zieht sich nicht auf theologische Lehrsätze und glatte Antworten zurück, sondern wird persönlich. Im Buch ebenso wie im Interview:

"Für mich gehört Zweifel zum Glaubensleben schon dazu. Es gibt immer mal Phasen, in denen große Fragen aufbrechen, ich denke gerade angesichts von Leid und Tod etwa. Oder auch manchmal diese Vorstellung: Was, wenn es Gott nicht gäbe? Für mich persönlich war es, zum Glück kann ich fast sagen, immer so, dass ich durch dieses Eingeübte in den Ritualen, dass ich trotzdem immer wieder Halt gefunden habe. Aber ich weiß natürlich, dass es auch Menschen gibt, denen der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Dann aber, denke ich, müssen wir sagen. Du darfst Zweifel zulassen. Das gehört dazu zum Glauben und Ringen mit Gott, das gehört zum Glauben, das musst du nicht verdrängen."

Rituale finden, die dem Glauben und dem Leben Halt geben, das ist ein zentraler Gedanke des Buches. Das können eher altmodische Dinge sein wie die Losungen der Herrnhuter Brüdergemeinde mit Bibelstellen für jeden Tag oder Martin Luthers Morgen- und Abendsegen mit ihrem schlichten Schlussgebet: "Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde".

Es können aber auch alltägliche Dinge sein, die ein Atemholen der Seele möglich machen, meint die Hannoveraner Bischöfin: Ein Spaziergang, Entspannen in der Sauna, eine Kerze anzünden in der Kirche - alles was Raum lässt für Spiritualität, auch an ungewöhnlichen Orten.

"Mir tut oft richtig weh, wie sehr unser Glaube als kompliziert angesehen wird. Mit dem Glauben ist das für mich wie mit einer Beziehung: du lernst dich kurz kennen. Es folgt ein längeres Treffen, ein Essen vielleicht, und schließlich, im Laufe der Jahre entsteht Vertrautheit. Da brechen auf dem Weg manchmal neue Themen auf, die Raum brauchen und Zeit. Für den Start reicht ein Schuss Vertrauen und sozusagen eine Grundausrüstung."

Genau dieses Basiswissen liefert Margot Käßmanns Buch über religiöse "Wurzeln, die uns Flügel schenken", gut lesbar und leicht verständlich. Ohne oberflächlich zu sein. Seine eigentliche Stärke aber ist die Nähe zum Alltagsleben, in der Glaubensfragen aktuell sind: Wo war Gott, als der Tsunami kam? Wird Sexualität im Christentum verurteilt? Ist aktive Sterbehilfe erlaubt? Um diesen und vielen anderen Fragen auf den Grund zu gehen, schlägt Käßmann vor, in einen "Dialog zwischen Himmel und Erde" einzutreten. Den Weg dazu hat sie mit ihrem Buch geebnet und mit zahlreichen Tipps zum Umdenken und zur persönlichen Glaubensreise angereichert:

"Ein Beispiel wären zwei schöne Kästchen und ein farbiger Zettelblock. Wenn Sie etwas besonders Schönes erlebt haben, etwas was dem Herzen gut tut, schreiben Sie ein Stichwort auf und legen den Zettel in das Geschenkkästchen. Ebenso halten sie es mit den belastenden Erfahrungen, den Sorgen, den Kränkungen, legen sie einen Zettel mit dem Stichwort in ihr Sorgenkästchen. Und wenn die schweren Tage überwiegen, tut es gut, einen Zettel mit den guten Erfahrungen in die Hand zu nehmen und sich zu erinnern: Es gibt auch diese wunderbaren Tage, das sollten wir nicht vergessen. Und manche schwere Erfahrung erweist sich dann auch im Laufe der Zeit als eine Vertiefung des Lebens."

Margot Käßmann: Wurzeln, die uns Flügel schenken. Glaubensreisen zwischen Himmel und Erde.
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh April 2005,
160 Seiten mit vielen Farbfotos, 16.95 Euro.