Glanz und Vollkommenheit eines Spätwerks

Von Gregor Ziolkowski · 12.06.2012
Eine Ausstellung in Madrid präsentiert das Spätwerk des italienischen Malergenies Raffael. Dazu zählen fast 80 Werke, die er auch dank seiner Schüler bis zu seinem frühen Tod mit 37 Jahren vollenden konnte.
Eigentlich ist alles ganz einfach: Sagt man Raffael, dann redet man von einem ganz Großen der Hochrenaissance, von einem Meister der Schönheit, der Harmonie, von einem fast schon besessenen Arbeiter am malerischen Detail, an den Farben. Prado-Direktor Miguel Zugaza greift noch ein bisschen höher.

"Jedermann weiß, dass wir mit Raffael vor einem der höchsten Punkte innerhalb der westlichen Kunst aller Zeiten stehen. Er ist der Künstler, der am besten die künstlerischen Ideale der Renaissance verkörpert, und ohne sein Vorbild wäre die Herkunft der modernen Kunst, wie wir sie heute kennen, nicht zu verstehen."

Was den Italiener aus Urbino mit wirkmächtiger Unterstützung des Louvre in Paris ins Museo del Prado gezogen hat, ist dessen nicht unbeträchtliche Sammlung seiner Arbeiten. Mehr noch: Raffael gehört gleichsam zu den Gründungspfeilern des Madrider Museums, wie Miguel Falomir, der Kustos für italienische Malerei, erklärt.

"Als der Prado 1819 eröffnet wurde, war Raffael kaum weniger als sein großes Aushängeschild. Es waren nicht Velázquez und nicht Goya, nicht Tizian und nicht Rubens. Und so blieb das über Jahrzehnte. Erst 1899 – die Geschmäcker hatten sich im Lauf der Jahre durchaus auch gewandelt –, als man den 300. Geburtstag von Diego Velázquez beging, wurden ihm zu Ehren Raffaels Bilder aus dem Heiligtum des Prado, dem Saal Nr. 12, entfernt."

Es hat eine solche Ausstellung noch nie gegeben: konzentriert auf das Spätwerk zwischen 1513, dem Beginn des Pontifikats von Leo X., und dem Tod des Künstlers – im Alter von nur 37 Jahren – 1520. Warum ein solches Wagnis zuvor niemand eingegangen ist, ergibt sich in gewisser Weise aus der Biographie Raffaels. Es sind Fragen der Zuschreibung, der Autorschaft, wie Tom Henry, einer der Kuratoren der Ausstellung, erläutert.

"Einer der Gründe, weshalb Raffael sein ausgeklügeltes Werkstatt-System entwickelt hat, liegt darin, dass er in seinen letzten Lebensjahren ungemein gefragt war. Zusätzlich zu seinen Fresken in den Stanzen des Vatikans und an anderen Orten in Rom, war er als Designer von Wandbehängen für die Sixtinische Kapelle tätig, als Architekt, als Grafiker, als Archäologe, als Theoretiker der Ästhetik. Aber in erster Linie war er immer Maler, er hat sich davon nie losgesagt."

In Raffaels Werkstatt waren zeitweilig bis zu 50 Leute beschäftigt. Der frenetisch arbeitsame Künstler mit den vielen Betätigungsfeldern, der es darüber hinaus schaffte, ein ausschweifendes Leben zu führen – was manche in Verbindung bringen mit seinem frühen Tod – entschwindet gleichsam hinter der Maschinerie, die er unter seinem "Firmennamen" geschaffen hat. Was stammt wirklich von Raffael, was von seinen Schülern?

Die Ausstellung geht mit dieser Frage in gleichem Maße unbekümmert wie skrupulös um. Unbekümmert, weil sie Arbeiten, die seinen Schülern zugeschrieben werden, insbesondere Giulio Romano und Gianfrancesco Penni, eingemeindet und in den Kontext der Werke Raffaels stellt. Skrupulös und akribisch, weil sie von einer Katalog-Dokumentation begleitet wird, in der der Stand der kunsthistorischen Forschung belegt wird. An welchem Kopf, an welcher Hand dieser Jungfrau, jener Landschaft hat der Meister vermutlich selbst Hand angelegt?

Den Besucher müssen solche Details nicht unbedingt interessieren: Jenseits aller akademischen Zuordnungen erwarten ihn Inszenierungen der Perfektion, der farblichen Vollkommenheit, des Glanzes einer Epoche, die im Wortsinn bis heute strahlt.

Informationen des Prado Madrid zur Ausstellung "El último Rafael"
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