Gläubiger Rationalist

Der Harvard Astronom und Wissenschaftshistoriker Owen Gingerich verteidigt die Vereinbarkeit von Glauben und Wissenschaft. Ihm sind die "Intelligent Design"-Apostel ebenso zuwider wie die Dawkinsschen Materialisten. Er führt immer wieder sein großes Vorbild an, Johannes Kepler, dessen tiefer Gottesglaube für wissenschaftliche Durchbrüche verantwortlich war.
Owen Gingerich ist Professor in Harward für Astronomie und Wissenschaftsgeschichte. Und nebenbei, bekennt er freimütig, Amateur-Philosoph und Amateur-Theologe.

Das Buch besteht aus drei Vorlesungen, die Gingerich unlängst an der heimatlichen Universität gehalten hat. Im Rahmen der berühmten William Belden Noble Lectures. Das sind öffentliche Vorträge mit Tradition. Schon Theodor Roosevelt und Carl Friedrich von Weizsäcker standen in Harward auf dem Katheder. Owen Gingerich ist eingeladen worden, weil in den USA das Thema "Entstehung der Erde und des Lebens - Schöpfergott: Ja oder nein?" zurzeit heftig diskutiert wird.

Der Autor greift zunächst die Position der "Kreationisten" auf. Die pochen auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel und behaupten, die Erde sei nicht älter als 10.000 Jahre. In den USA, erfährt man in diesem Buch, sind mehr als 45 Prozent der Bevölkerung der Meinung, die Kreationisten haben recht, Gott hätte jede einzelne Tierart persönlich kreiert und als Krone der Schöpfung am Ende den Menschen modelliert.

"Wer, wie die Kreationisten, Gott als unmittelbare Ursache für die Entstehung der Welt nachzuweisen versucht, hat nicht begriffen, was eine naturwissenschaftliche Erklärung ist", erklärt uns der Autor und bekennt sich zum Darwinismus. Auch über die Behauptung, die Erde sei maximal 10.000 Jahre alt, kann der Astrophysiker Gingerich nur schmunzeln.

Der Autor verwirft zwar den Kreationismus, aber den Glauben verwirft er nicht. Gingerich ist Naturwissenschaftler und ein religiöser Mensch. Dabei (und darauf legt er großen Wert) befindet er sich in bester Gesellschaft. Kopernikus war ein religiöser Mensch, Newton ebenso, auch Einstein war bekanntlich kein Atheist.

Gingerich bekennt sich zum Christentum, plädiert jedoch dafür, dass man Glauben und Wissenschaft nicht miteinander vermengt. Die Schöpfungsgeschichte aus dem Buch "Genesis" der Bibel, so der Autor, ist gute Literatur und hat im Kontext moderner wissenschaftlicher Erklärungen nichts zu suchen.

Innerhalb der Wissenschaften, so Gingerich, ist kein Platz für die Gottesfrage. Ob ein Forscher Atheist ist oder ein religiöser Mensch, ist für seine Arbeit ohne Bedeutung. Ein Wissenschaftler sucht nach rationalen Erklärungen, nach den Ursachen von Phänomenen. Er fragt sich zum Beispiel: "Wie ist unser Universum entstanden?" -

Darüber hinaus, so der Autor, gibt es aber Fragen, die sich innerhalb der Wissenschaften nicht beantworten lassen. Zum Beispiel: "Warum ist unser Universum entstanden?" Solche "Warum-Fragen", erklärt uns der Autor (und bezieht sich auf Aristoteles), sind keine wissenschaftlichen, sondern philosophische Fragen. Echte Warum-Fragen sind und bleiben offen.

Ob es einen Gott gibt oder nicht, das wusste schon Immanuel Kant, kann mit wissenschaftlichen Mitteln nicht entschieden werden. Trotzdem gibt es Wissenschaftler, die Front machen gegen alle Religion. Der britische Biologe Richard Dawkins zum Beispiel in seinem Bestseller "Der Gotteswahn".

Das hier ist auch ein Buch gegen Dawkins. Mit seinen wütenden Tiraden wider den Glauben, so Gingerich, bewegt sich Dawkins, der Darwinist, keineswegs auf wissenschaftlichem Terrain. Der Atheismus, so Gingerich, ist ein Glauben, keine Wissenschaft. Darwin selbst habe übrigens an Gott geglaubt, das werde heute gern vergessen.

Was ist das für ein Gott, an den Gingerich glaubt? Auf alle Fälle keiner, der mit Lehm hantiert. Überhaupt kein Handwerker. "Gott ist Geist", dieser Satz aus dem Johannes-Evangelium kommt der Religiosität des Owen Gingerich wahrscheinlich am nächsten. Der Autor schreibt, er habe immer das Gefühl gehabt, für die Entwicklung unseres Universums gebe es einen intelligenten Plan.

Natürlich kann man viele Entwicklungsprozesse als Selbst-Organisation beschreiben, meint Gingerich, aber warum sind alle "Zutaten" für unseren Kosmos auf so wundersame Weise zusammengekommen, dass am Ende der Mensch entstanden ist, ausgestattet mit einem Hirn, um dem Plan dieses Universums mit wissenschaftlichen Mitteln zu erkunden ? Und über den Sinn des Ganzen nachzudenken? So etwas Grandioses konnte nur einem Gott einfallen - glaubt jedenfalls Gingerich. Und zitiert am liebsten Einstein: "Nichts kann schöner sein als das Wunderbare. Dies Wissen und Fühlen ist wahre Religiosität."

Rezensiert von Susanne Mack

Owen Gingerich: Gottes Universum. Nachdenken über offene Fragen
Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Rhiel
Berlin University Press 2008
147 Seiten. 19,90 Euro