Gläubige Muslimin und Rapperin

Von Abdul-Ahmad Rashid |
In vielen Ländern ist Musik mit religiösen Inhalten bereits sehr populär. Nun kommt dieser Trend auch nach Deutschland: Sahira ist eine Vertreterin der "islamischen" Unterhaltungsmusik. Die Berlinerin mit palästinensischen Wurzeln besingt in ihren Texten auch ihre Liebe zu Allah.
"Vielleicht, dass ich nicht mit der Hüfte wackele. Was ist der Unterschied, ey!? Wow! Lass’ uns die Gemeinsamkeiten suchen, lieber… Sie hat einen libanesischen Papa, und ich bin ja Palästinenserin. … Shakira heißt Shakira, das ist die Dankbare, und Sahira ist die Wachsame."

Nein, mit der kolumbianischen Sängerin Shakira möchte Sahira nicht verwechselt werden. Auch wenn die 27-jährige Berlinern genauso hübsch und attraktiv ist wie die fast gleichaltrige Südamerikanerin: Große, braune Augen, schlanke Figur und geschwungene Lippen. Nur die lockige Haarpracht ist nicht zu sehen: Ihre Haare verhüllt die junge Frau mit einem Tuch.

Denn Sahira ist gläubige Muslimin und hält sich an die koranischen Kleidervorschriften, die den Frauen eine Kopfbedeckung vorschreiben. Doch die selbstbewusste Musikerin tut dies auf ihre eigene Weise: Sie verhüllt ihre Haare knapp; Nacken und Hals bleiben frei. Bei Sahira sieht dadurch das Tuch wie ein schönes modisches Accessoire aus – auch wenn die junge Frau darauf nicht immer positive Reaktionen erfährt. Neulich hatte sie sich um einen Job als Kassiererin beworben:

"Die wollten mich nehmen, die hat schon den Plan rausgeholt, wollte alles abchecken und so, … und da habe ich nur gesagt, ich trage das Tuch aber jetzt nicht nur im Winter, das ist halt immer da. … Meint sie, das geht leider nicht, wir haben hier eine Firmenphilosophie, wir nehmen keine Männer mit Glatze und keine Frauen mit Tüchern."

Mit 18 Jahren heiratete Sahira einen in Berlin lebenden amerikanischen Muslim. Kurze Zeit später wurde der heute sechsjährige Saleem geboren.

Von ihrem Mann hat sie sich in der Zwischenzeit getrennt. Der Sohn lebt bei ihr, auch wenn der Vater ihn regelmäßig sieht. Religion war nicht immer ein Thema für die allein erziehende Mutter: In ihrem Elternhaus spielte der Glauben für sie und ihre sieben Geschwister eher eine geringe Rolle. Erst die Ereignisse des 11. Septembers brachten sie dazu, sich mit dem Islam bewusst auseinanderzusetzen:

"Und ich habe den Koran gelesen, es hat mich gereizt, es hat mich abgeschreckt, es hat mich gefangen, einfach, was ich da gelesen habe, und ich hatte Gott sei Dank gute Leute, denen ich Fragen stellen konnte, wie meine Tante, meine Mama zum Beispiel, spirituelle Menschen einfach, die nicht sagen, das Wichtigste ist, fünf Mal am Tag zu beten, nicht nur, sondern die einfach diese Liebe sehen, … das Benehmen sehen, den Respekt, die Spiritualität."

Auch ihre eigenen Hip-Hop-Songs sind religiös gefärbt und erzählen von der Liebe zu Gott und seinem Propheten Muhammad - für Sahira das große Vorbild im Leben. Die meisten Texte aber handeln von gesellschaftlichen Themen:

"Im Hip-Hop ist es egal, wo Du herkommst. Es ist egal, ob ich Moslem bin, ob jemand Jude ist, ob jemand Christ ist, wir veräppeln uns gegenseitig und machen unsere Sprüche, weil am Ende zählt nur die Musik."

Und um das richtige Feeling für die Probleme der Menschen zu bekommen, hat sie ihr wohlbehütetes Elternhaus in Berlin-Wilmersdorf verlassen und ist ganz bewusst in das Arbeiterviertel Wedding mit seinem hohen Ausländeranteil gezogen - um näher am Puls der Menschen zu sein. Sie singt über arabische Drogenhändler, deutsch-arabische Gegensätze oder kritisiert den Körperkult der jungen Frauen hierzulande:

"Seit ich 14 bin, … seit ich die ‚Girl’ lesen kann oder die ‚Bravo’ wird mir auch gesagt, so muss Sex sein, und so oft musst du den Partner wechseln, so musst du knutschen, wie mit 15 noch Jungfrau, wie, du nimmst nicht die Pille, also, ich meine, hier ist man doch auch irgendwie völlig konditioniert."

Sahira wendet sich auch gegen das Klischee, muslimische Frauen seien von ihren Männern unterdrückt:

"Frauen werden unterdrückt, … aber auch in Deutschland. Also, ein Hanswurst, der irgendwie seiner Frau sagt, bring’ noch mal zwei Schrippen oder ein Bier aus dem Kühlschrank, ist auch Unterdrückung. Also, es ist jetzt egal, ob das ein Ali ist oder ein Otto ist. … Ich finde die Frauen hier ganz, ganz verklemmt und unfrei."

Keine Probleme hat Sahira damit, als Frau im von Männern beherrschten harten Musikbusiness akzeptiert zu werden. Viele der Musiker kennen sie schon seit vielen Jahren und respektieren sie. Ein größeres Problem ist für die junge Frau die Tatsache, dass ihre Religion eigentlich Musik verbietet. Auch, dass sie oft in Clubs auftritt, in denen Drogen und Sex zum Alltag gehören, stellt die gläubige Muslimin manches Mal vor Gewissenskonflikte. Doch sie hat gelernt, in ihrem Leben Kompromisse zu machen.

"Gott hat nicht von Anfang an gesagt, ihr müsst jetzt beten, ihr dürft nicht mehr trinken, ihr dürft des nicht, des nicht, des nicht. Er hat den Menschen Zeit für die Entwicklung gelassen. Und das ist meine Philosophie. … Man kann es nicht allen recht machen, normal."

Nun hat Sahira vor einigen Monaten ihr eigenes Label gegründet. Es trägt den Namen "imanimusic", auf Deutsch "Glaubensmusik". Demnächst wird dort ihre zweite, selbst produzierte CD erscheinen. Das Debütalbum "Frei Schnauze" hatte sie bereits im vergangenen Jahr veröffentlicht:

Sich selber sieht die 27-Jährige als Vorbild auch für andere muslimische Sängerinnen, die ihre Musik lieben, aber gleichzeitig ihre Religion nicht verleugnen wollen. Und auch die deutschen Hörerinnen kommen bei Sahiras Liedern auf ihre Kosten:

"Die Mädels, die kommen nach dem Auftritt und sagen, sie haben Gänsehaut, die wissen, was ich meine, die Texte und so, und dann weiß ich, okay, das ist Mädchenmusik, einfach."