Gitarrist und Produzent

Von Camilla Hildebrandt |
Auf dem 25. Münchner Filmfest, das ab 22. Juni stattfindet, sind 200 Filme aus 40 Ländern zu sehen. Außerdem gibt es ein Rahmenprogramm mit zahlreichen Workshops. Mit dabei ist auch Gerd Baumann, der gerade den Deutschen Filmpreis 2007 für die Musik "Wer früher stirbt ist länger tot" erhalten hat.
Gerd Baumann: "Die Musik war mir eigentlich immer alles, es war nie die Frage, ob es links oder rechts noch etwas Anderes gibt. Das heißt nicht, dass ich mich für nichts anderes interessiere, aber was meinen Weg betrifft, ist das völlig alternativlos.""

Gerd Baumann: "Wie immer im Leben beginnt so was mit einem Zufall, oder vielleicht ist das falsch formuliert, vielleicht beginnt es mit einem Gedanken, einer Idee etwas machen zu wollen."

Und die Idee war zunächst die Schauspielerei - als Klassenclown hätte sich das angeboten, meint Gerd Baumann grinsend und räumt noch schnell ein paar Gläser weg, die in seinem Studio auf dem Tisch und neben dem Computer stehen. Der Raum ist voll mit Instrumenten, ein Keybord, Klavier und Banjo, an der Wand hängen verschiedene Gitarren, in einer Glasvitrine stehen Trompeten. Obendrauf: zwei eingerahmte Fotos seiner beiden Söhne Bela und Konrad.

Irgendwie sollte es das aber nicht sein, erzählt der 40-Jährige mit den kinnlangen braunen Locken, der schwarzen Cordhose und dem schwarzen Hemd. Er landete bei der Musik - wenn auch mit gehöriger Anlaufzeit, d. h. zu den Wunderknaben, die als Zehnjährige von einem Konzertsaal zum nächsten reisen, gehörte er sicher nicht.

Gerd Baumann: "Ich hatte so alte faschistisch angehauchte Erziehungsmethoden genossen, mit Geigenlehrern, die mir auf die Finger gehauen haben, wenn etwas schief ging und so, und deshalb war mein euphorischer Musikanfang - der wurde schnell ertränkt."

Gerd Baumann: ""Als Gitarrist in der Schule war ich immer weit meinem Alter hinterher, die anderen haben in Bands brilliert, und ich war immer noch mit vier, fünf Akkorden zugange, und mir war ganz klar, mich ruft jetzt keiner an, fragt, ob ich in einer anderen Band mitspiele. Das hat sich durch mein Leben durchgezogen, d. h. ich musste mir immer selbst Rahmenbedingungen schaffen..."

Baumann sitzt auf seinem grünen Studio-Sofa, trinkt Ingwer-Tee und gestikuliert wild beim Erzählen. Mit 19 habe er beschlossen, Theater-Musiker zu werden. Sein erstes Engagement bekam er am Münchner Studiotheater. Er hatte dort ein Demo-Band abgegeben.

Gerd Baumann: "Mit dem Atari ST, der erste Computer, den alle hatten, ein Demo, das aus heutiger Sicht ganz schrecklich war! Es waren einfach nur so ein paar Computerklänge zusammengeschustert!"

Ahnung hatte er am Anfang keine davon. Aber da wächst man rein, meint Baumann. Ein paar Jahre später studiert er in Los Angeles.

Gerd Baumann: "Das war ja typisch für diese Zeit, dass man als Gitarrist in Amerika studiert, mit dem Vorsatz: schneller, höher, weiter, sonst bist du kein Gittarist. So hat es mich dann nach Los Angeles verschlagen, um zunächst Gitarre zu studieren. Und dann hab ich immer gesehen, wie in der Schule diese Kompositionsstudenten ganz blass durch die Schule gehuscht sind mit ihren riesengroßen Kompositionsmappen... Das hat mich maßlos beeindruckt!"

Gerd Baumann: "Und dann hab ich dieses Composing Arranging Program gemacht. Das war für jemanden wie mich die Rettung, weil ich an einer europäischen Schule nicht untergekommen wäre, mangels Zweitinstrument."

Sein erstes komponiertes Streichquartett wird 1994 in München aufgeführt, drei Jahre später - auf der 5. Münchner Biennale - seine erste Oper: "NYX". Ein wunderbar verrücktes Stück, sagt Baumann lachend - aber laut Kritiker ein Desaster!

Die Oper "NYX" handelt von der "Göttin der Nacht", der Tochter von Chaos, verantwortlich für Neid, Missgust und Hass. Sie befürchtet bei den Menschen in Vergessenheit zu geraten, was ihren Tod bedeuten würde. Also macht sie sich mit letzter Kraft auf die Suche nach Zeus -und findet ihn in einem Nachtclub. Vom Götterdasein will Zeus nichts mehr wissen. Das erzürnt NYX so sehr, dass sie die Erde in totale Finsternis stürzt.

Gerd Baumann spielt heute in verschiedenen eigenen Bands, ist Gitarrist und Produzent von Konstantin Wecker und Filmmusik-Komponist.
Sein neustes Werk: der Soundtrack für Markus H. Rosenmüllers Film "Beste Zeit". Ein schlichter, schöner Film, meint Baumann, über zwei pubertierende Mädchen im bayrischen Hinterland.

Gerd Baumann: "Da war die Vorgabe die, dass sie sehr schlicht sein soll, wie so ein Lagerfeuergitarrist, der zufällig neben der Filmleinwand sitzt."

Zusammen mit Regisseur Rosenmüller hat Baumann auch eine ganz neue Leidenschaft entdeckt: Hobbydichter.

Gerd Baumann: "Letztens wollte ich ein ganz ernstes Gedicht schreiben nach einem tragischen Ereignis aber das ist bei mir oft so, dann geht mir entweder die Zeit oder der dichterische Saft aus und dann wird es unernst. Und das geht so: Gibt’s den Tod nach einem Leben kann es doch nichts Schöneres geben, als ein Leben nach dem Tod. Doch dieses Leben nach dem Tod ist, so hoffe ich, ohne Not, sonst bleib ich lieber leben."