Gipfelsturm und Wiegenlied

Gast: Friedrich Dieckmann, Moderation: Michael Dasche · 16.06.2013
Mit seiner D-Dur-Sonate hat Franz Schubert ein Landschafts- und Seelenpanorama ganz eigener Art geschaffen, das kaum noch nach den Kriterien klassischer Sonatenform beurteilt werden kann. Subjektive Momente, gar eine autobiografische Schicht machen den Gehalt des Werks ebenso aus.
Man merkt der Sonate an, dass sie ihre Entstehung einer glückhaft bestimmten Lebensphase verdankt, vielleicht der unbeschwertesten, die dem Komponisten beschieden war. Das Werk ist die Frucht einer Sommerreise, die Schubert von Juni bis Oktober 1825 durch Oberösterreich führte. Gemeinsam mit Michael Vogl, seinem sangesmächtigen Reisegefährten, durchquerte er das Alpenvorland, mit Stationen in Gmunden, Linz, Steyer, Salzburg und Gastein.

In manchen Zügen mutet die Satzfolge der Sonate so an, als wolle sie diese Reise musikalisch "protokollieren": der energische Aufschwung des Kopfsatzes assoziiert einen Gipfelsturm, der ruhige zweite Satz ein Wiegenlied, das Scherzo einen rustikalen Länder. Allerdings können solche Vorstellungen auch in die Irre führen. Denn von einer poetischen Programmatik ist Schuberts Musik letztlich weit entfernt.

Allenfalls käme es darauf an, bei der pianistischen Umsetzung einen spezifischen Ton, etwas vom lokalen Kolorit der Schubertschen Musik zu treffen. Eben davor scheuen die meisten Pianisten zurück, wohl um stärker das dramatische Potential zu betonen, das in dieser und in anderen Schubert-Sonaten steckt.