Giganten der rheinischen Kunstgeschichte

Von Ulrike Gondorf · 09.09.2012
15 Jahre hat es gedauert, bis die niederrheinische Stadt Kleve ihr Museum in den historischen Kurgebäuden vollenden konnte. Nun ist es komplett wiedereröffnet worden und präsentiert die Bestände des Hauses in einer großen Überblicksschau.
Die Miete betrug monatlich 26,10 Mark. Als Joseph Beuys 1957 ein Atelier in seiner Heimatstadt Kleve bezog, ein paar hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt, deutete nicht viel daraufhin, dass er einmal zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts gerechnet werden würde. Und der eine mittelgroße Raum mit den drei kleinen angrenzenden Kämmerchen wirkt auch durchaus bescheiden. Zumal er damals in einer Art Abbruchhaus gelegen hat. Das hochherrschaftliche Friedrich-Wilhelm Bad hatte seine große Zeit längst hinter sich. Nachdem der fast 200 Jahre lang florierende Badebetrieb in Kleve bei Ausbruch des ersten Weltkriegs zusammengebrochen war, nutzte eine Schuhfabrik die Räumlichkeiten – die ging bankrott und bis zum Einzug des Künstlers stand alles leer. Beuys war in schwieriger Lage, aber im neuen Atelier wendete sich das Blatt, erzählt Dr. Guido de Werd, langjähriger Leiter des Museums Kurhaus Kleve:

"Er war gerade über den Tiefpunkt hinweg, man weiß, dass Beuys 1956 in eine persönliche Krise geraten war, und da hat er den Auftrag bekommen für das Büdericher Ehrenmal. Das hat ihn beflügelt, er will direkt an die Arbeit. Hat das hier geschaffen, hat das entwickelt, hat auf dem Boden gezeichnet, vieles andere ist entstanden, dieses Ehrenmal war der Abschluss von seinem Frühwerk und es war dieser Ort, der ihn in der Entwicklung seiner Ideen für das weltbewegende Spätwerk. Es ist also ein Scharnier in seiner persönlichen Entwicklung."

Und das einzige heute noch existierende Atelier von Joseph Beuys. Mit Leihgaben der Familie ist es authentisch ausgestattet. Da gibt es die Tonkiste, die den Tonvorrat feucht hielt fürs Modellieren, eine altmodische schwarze Stehlampe, ein paar Bildhauerwerkzeuge, den Ölfarbenkasten. In einigen Vitrinen liegen die Dinge, mit denen Beuys sich bei der Arbeit umgab, die er studierte: Knochen, Mineralien, getrocknete Pflanzen. Und seine immer mit dem Messer kantig zugespitzten Bleistifte - samt dem Taschenmesser, mit denen er sie bearbeitet hat:

"Es sind persönliche Gegenstände, es sind Stücke von Aktionen, man kriegt einen Einblick in seine Naturalien, und auch die ganzen Gipse, die für seine Kunstwerke notwendig waren, hat man hierher gegeben, und durch diese Präsentation kommt man dem Menschen, dem Künstler sehr nah. Das ist wichtig, wenn man Beuys verstehen will.""

Diese Gipse, also die Entwürfe und modellierten Originale einiger Bildhauerarbeiten, die hier entstanden sind, sind ebenfalls Leihgaben der Familie, darunter ein faszinierender, archaisch-einfacher Portraitkopf. Ein großer Bestand von Beuys-Zeichnungen ist schon seit langem im Haus und wird jetzt in räumlicher Nachbarschaft zum Atelier präsentiert. Auch eine wichtige Erwerbung konnte das Museum anlässlich der Neueröffnung machen: Im hinzu gewonnenen, hohen und hellen Katharina von Kleve-Saal hängt jetzt die große, vierteilige Foto-Arbeit "Mein Kölner Dom". Darin setzt Beuys sich mit den Domtüren seines Lehrers Ewald Matare auseinander, an denen er als Student mitgearbeitet hat. Der Nachlass Matarés ist seit langem eine tragende Säule des Kurhaus-Museums.

"Das ist für uns eine ganz wichtige Arbeit, und es ist einzigartig, dass man in diesem Gebäude den Mataré-Nachlass und Beuys erleben kann, zwei Giganten der rheinischen Kunstgeschichte, von denen der eine ein Weltkünstler geworden ist."

Wer den Spuren von Joseph Beuys im Atelier nachgegangen ist, der sollte nicht versäumen, einen großen Sprung über Stile und Epochen zu machen und auch die Bel Etage des frisch restaurierten Friedrich-Wilhelm-Bades anzuschauen: Mitte des 19. Jahrhunderts erholte man sich hier bei Gesprächen, Musik und Glücksspiel in eleganten Sälen mit Spiegeln und holzvertäfelten Wänden, unter farbig ausgemalten Decken von den Unannehmlichkeiten der Trink- und Badekur. Und schon damals genoss man den Blick auf die barocken Parkanlagen, die das Kurhaus auch heute noch umgeben. Nicht nur die Kunst, auch das wieder gewonnene Erlebnis von Architektur, Raum und Kulturgeschichte lohnen eine Reise an den Niederrhein. Guido de Werd, der vor 40 aus dem benachbarten Holland nach Kleve gekommen ist und sein ganzes Berufsleben dem Museum Kurhaus widmete und jetzt in den Ruhestand geht, hat ein beharrlich verfolgtes Ziel erreicht:

"Ich denk, das Museum ist jetzt vollendet, ich bin sehr zuversichtlich, dass das Museum eine gute Zukunft hat."

Informationen des Museums Kurhaus Kleve