Über die Gier im Sport

"Das Streben ist etwas, was zum Menschen gehört"

05:11 Minuten
Argentiniens Fußballnationalspieler Lionel Messi mit dem Weltmeisterpokal
Lionel Messi hatte sicherlich die Gier, mit Argentininen den Weltmeisterpokal zu holen. © dpa / picture alliance / Kyodo
Von Heinz Schindler · 25.12.2022
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Zu viel Essen, zu viele Süßigkeiten, zu viele Geschenke: Weihnachten ist überwiegend ein Fest des Überflusses – nicht bei allen, aber vielleicht bei zu vielen Menschen. Der Grund: die Gier. Im Sport gilt sie als Motor des Erfolgs.
Und immer wieder ist es der Begriff der Gier, der in den Aussagen von Trainern und Spielern auftaucht, mittlerweile schon inflationär. Gierig müsse man sein im Kampf um Punkte und Titel – und wenn man dann leer ausgegangen ist, so hat es mit der Gier nicht gestimmt, und die nächste Aufgabe sei demütig anzugehen.

Gier als Todsünde im christlichen Glauben

Nun ist die Gier im christlichen Glauben eine der Todsünden, im Hinduismus eines der drei Geistesgifte. Im Sport aber ist sie oftmals nur ein unbedacht oder falsch gewähltes Synonym für das Streben nach Erfolg, so ordnet es Professor Peter Schallenberg ein. Er ist Lehrstuhlinhaber für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Paderborn.

Das Streben ist etwas, was zum Menschen gehört. Deswegen würde ich als Theologe sagen: Schaut genau hin, schaut auf die Persönlichkeit. Dass ein Mensch gierig sein muss, gewinnen zu wollen in einer Sportart, das ist ganz selbstverständlich. Dass er mit seiner Sportart Geld verdienen will, das ist auch normal und nicht zu beanstanden. Dass er gierig ist, das meine ich, könnte man nur feststellen, wenn man sich mit ihm selber unterhält.

Peter Schallenberg, Moraltheologe

Etwa bei einem Coaching. Denn die Grenze zwischen Verlangen und exzessiver Sucht müsse individuell vermessen werden, sagt Schallenberg. „Aber es ist nie ganz genau und exakt definiert worden, wo sozusagen der Unterschied ist zwischen dem gerechtfertigten Streben nach Verdienst und der Gier.“

Gier ist individualpsychologisch

Insofern kann ein Spieler durchaus seinen Glauben praktizieren und gleichzeitig dem Verlangen seines Trainers nach Gier nachkommen. Er weiß ja, was der meint. Vor dem Hintergrund, dass Gier individualpsychologisch zu betrachten ist, ist die Forderung nach ihr gegenüber einer Mannschaft ohnehin nur schwer zu erfüllen.
„Ohne Zweifel ist das natürlich im Mannschaftssport die Verbindung von Feuer und Wasser. Also ein Mannschaftssport von vielen Ich-AGs, ganz eindeutig, ist etwas anderes als ein Stabhochspringer oder eine absolute Einzelsportart. Mannschaftssportarten sind davon gekennzeichnet, dass Ich-AGs unterwegs sind in einer Mannschaft mit sehr, sehr unterschiedlichen Strebungen, mit sehr unterschiedlichen Ambitionen und Zielen", sagt Schallenberg.
Werden diese nicht erreicht, dann kommt gern die Demut auf den Plan in den Aussagen der Sportlerinnen und Sportler beim Austausch der Phrasen vor den Mikrofonen.

Ich würde das Wort Bescheidenheit bevorzugen gegenüber dem Wort Demut. Demut ist ursprünglich ein schönes Wort gewesen. Der Mut, zu dienen, steckt da in dem deutschen Wort. Aber das Wort Demut ist inzwischen, glaube ich, etwas abgeschmirgelt. Und etwas unter die Räder der Redeweise geraten. Ich würde das Wort Dankbarkeit nehmen und das Wort Bescheidenheit.

Peter Schallenberg, Moraltheologe

Die Entwicklung der letzten Jahre ist schon bemerkenswert. Es geht um immer mehr Geld und gleichzeitig werden immer öfter die ideellen Dinge in den Vordergrund gestellt. Der Sport entdeckte zudem seine Kampagnentauglichkeit.
"Es geht um die Reichweiten. Sport ist sehr populär. Gerade bei uns ist Fußball sehr populär. Und da nimmt man den Sport gern, um ihn einzusetzen für eine Kampagne: Seht mal, die machen das auch, also könnt ihr das auch.“

Sportler werden zu Testimonials

Sportlerinnen und Sportler werden zu Testimonials, um in der Werbesprache zu bleiben. Moraltheologe Schallenberg plädiert dafür, dass Sportler sich bei Kampagnen eher an ihrem Wirkungskreis orientieren statt als simple Werbevehikel zu fungieren:
„Wenn man eine Kampagne machen würde zum Thema Fairness: Spiel nach Regeln, einordnen in ein Gesamtgefüge, Anstand auch in zugespitzten Situationen, Beherrschung der Aggressionen – das wäre dann schon eher etwas, was ganz konkret mit diesem Sport, mit diesem Mannschaftssport, mit dem Fußball zu tun hat.“

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