Ghana

Im Seepferdchen unter die Erde

Der Ghanaer Eric Adjetey Anang baut Särge in allen Formen und Farben - zum Beispiel ein gelbes Seepferdchen (rechts) für einen Kunden aus Florida.
Der Ghanaer Eric Adjetey Anang baut Särge in allen Formen und Farben - zum Beispiel ein gelbes Seepferdchen (rechts) für einen Kunden aus Florida. © Foto: Charlotte Horn
Von Charlotte Horn  · 30.10.2015
Die Grenze zwischen Leben und Tod verschönert in Ghana ein besonderes Kunsthandwerk: Sargbauer sind hier wahre Sarg-Künstler. Für die letzte Reise der Verstorbenen bauen sie Kunstwerke aus Holz - ob Foto-Kamera, Gitarre oder Lastwagen.
Lied: "Because He lives, I can face tomorrow, Because He lives, I carry him home..."
Andächtig steht die Familie von Emmanuel Aban Kwao vor seinem Grab. Rostrote Erde türmt sich daneben, im Hintergrund wehen hohen Palmen vor dem Meer. Doch die singenden Trauergäste haben nur Augen für den besonders gezimmerten Sarg, einen dunkelblauen Lastwagen im Grab vor ihnen. Die Reifen stecken in der Erde. Noch ragt die Fahrerkabine aus dem Loch hervor.
Bis zuletzt hatte der 62-jährige Emmanuel als Lastwagenfahrer gearbeitet. Alle in der kleinen Gemeinde Nungua am Atlantik kannten ihn und seinen LKW, ein alter Bedford. Für den ältesten Sohn Rowland war daher klar, wie der Sarg des Vaters aussehen soll:
"Er hat den Lastwagen noch gefahren, bevor er gestorben ist. Also habe ich mich entschieden, einen bauen zu lassen."
Gebaut hat den Sarg Eric Adjetey Anang. Sein Großvater hatte damals die Idee. Der großgewachsene Mann steht in seiner Werkstatt im Küstenort Teshie. Konzentriert zieht er den Hobel immer wieder über ein schmales Brett. Gerade baut er an einem Sarg in Form einer liegenden Bibel. Unter dem Wellblechdach der Werkstatt staut sich die Hitze, die Luft ist staubig von den vielen Holzspänen. Welche Sargform ein Verstorbener bekommt, entscheidet in der Regel die Familie. Oft hat es mit dem Beruf der Person zu tun, wie bei Lastwagenfahrer Emmanuel, erzählt der 29-Jährige.
"Es hängt auch davon ab, wer die Person ist, wer die Person in der Gemeinde war und ob sie für die Gemeinde oder die Kinder gesorgt hat. Also zum Beispiel: wenn die Eltern einem eine gute Erziehung geboten haben und man jetzt als Bankmanager arbeitet, ist es natürlich wichtig seine Eltern angemessen zu beerdigen. Das ist sehr wichtig."
Vorne zur Straße stehen gut sichtbar die Särge in allen Formen und Farben. Eric steht zwischen ihnen und zählt sie stolz auf:
"Ein Film-Projektor, ein Tiger, eine Flasche, ein Fisch, ein Hammer und dann eine Guitarre..."
Alle sind von einer leichten Staubschicht überzogen. Feine Details lassen sie ganz plastisch erscheinen: von der zarten Fischflosse bis zur Filmrolle des Projektors. Die Inspiration für die ungewöhnlichen Särge kam Erics Großvater Kane Kwei, als er für den Gemeindevorsteher eine Sänfte bauen sollte. Doch als der plötzlich verstarb, wurde er nicht in einem Holz-Sarg, sondern in eben dieser Sänfte beerdigt, erinnert sich Eric. Als seine eigene Mutter starb, entschied sich sein Großvater, ihr ebenfalls einen besonderen Sarg zu bauen:
"Diese alte Frau hat immer davon geträumt, mal zu fliegen. Weil 1951 der internationale Flughafen hier in der Nähe gebaut wurde. Und sie sah immer, wie die Flugzeuge landeten und abflogen. Deshalb sagte sie: Ich würde gerne mal mit einem dieser Flugzeuge fliegen. Aber sie bekam nie die Gelegenheit dazu. Also entschied sich Kwei, ihr einen Sarg in der Form eines Flugzeugs zu bauen."
Mit der Beerdigung zeigt die Familie dem Verstorbenen ihren Respekt und ihr Ansehen in der Gemeinde, erzählt der junge Sargbauer. Gleichzeitig erhoffen sie sich von ihm aber auch Schutz und Segen aus dem Jenseits:
An einer Werkbank versucht Eric, die Handkreissäge zu reparieren. Den dringend benötigten Schalter hat er aus den USA mitgebracht. Vier Monate war er unterwegs, hat Vorträge gehalten und Studenten unterrichtet. Die Fotos zeigt er stolz auf seinem Tablet. Mittlerweile hat der 29-Jährige weltweit Kontakte und auch Aufträge aus Übersee – so wie für das gelbe Seepferdchen, das aufrecht in der Ecke steht:
"Das Seepferdchen da - das hat ein Typ aus Florida bestellt. Dem gehört ein Aquarium."
Lied: "Because He lives, I can face tomorrow, Because He lives, I carry him home..."
Zurück zur Beerdigung. Auf einer Lichtung sind, zwischen dichten Gräsern, scheinbar wahllos Gräber verstreut. An einigen Stellen verraten ein verrostetes Schild oder ein Holzkreuz den Namen der Verstorbenen. Noch einmal ein kurzes Lied zum Abschied, ein kurzes Gebet. Dann steigt einer der Totengräber hinab ins Grab. Mit einem Ruck reißt er die noch herausragende Fahrerkabine vom Lastwagen und legt sie neben den Sarg. Erst jetzt wirft jeder eine Schaufel Erde hinunter. Nach und nach verschwindet der Sarg von LKW-Fahrer Emmanuel.
Auf dem Trampelpfad zurück begegnet der Familie schon der nächste Trauerzug. Die Blaskapelle der Gemeinde spielt, und dieser Sarg ist silberfarben und schlicht.
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