Gezeichnetes, Gemaltes, Geklebtes und Geschnittenes

Von Jürgen König, Hauptstadtkorrespondent |
Etwa 700 Postkarten, Bilderbriefe und Mail-Art-Sendungen von berühmten Künstlern stellt die Akademie der Künste in Berlin aus. Collagierte Schriftstücke von George Grosz sind genauso darunter wie Holzschnitte von Lyonel Feininger. Die Schau geht noch bis zum 8. Dezember.
Zur Akademie der Künste in Berlin gehören etwa 1100 "provenienzgebundene Einzelbestände", wie es im Archivdeutsch heißt, das ist die größte deutsche Sammlung künstlerischer Nachlässe. Und die enthält sehr viele Postkarten. Ansichtskarten, Grußkarten, Satirekarten, Protestkarten. Auf denen sich wiederum alles Mögliche findet: Geschriebenes natürlich, aber auch Gezeichnetes, Gemaltes, Aquarelliertes, Geklebtes, Geschnittenes, Collagiertes, Getuckertes, Genähtes, wild Herumgestempeltes.

Bebilderte Briefe finden sich natürlich auch, die Kunstsammlung enthält darüber hinaus ganze Schätze sogenannter "Mail-Art", "Korrespondenz-Kunst". Eine Kunstrichtung, in New York entstanden in den 60er Jahren im Umfeld von Fluxus und Pop Art, eine Art "Netzkunst". Karten, Briefe, Gegenstände wurden und werden - an Freunde, an Institutionen, einzeln oder als Massensendung - mit der Post verschickt: als Kunstwerk, als Kommunikations- und Kunstaktion.

Aus diesen Beständen und aus den kostenlos zur Verfügung gestellten Sammlungen des postkartenenthusiasmierten Akademiepräsidenten Klaus Staeck zeigt die Akademie etwa 700 Postkarten, Bilderbriefe und Mail-Art-Sendungen, in hohen Vitrinen gut lesbar präsentiert. Rosa von der Schulenburg, die Leiterin der Kunstsammlung und Kuratorin der Ausstellung:

"Wir zeigen den ästhetischen, auch einen inhaltlichen Facettenreichtum, angefangen mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute - von biedermeierlich bis expressionistisch über Dada, Fluxus bis postmodern und brandaktuell, gesendet von Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten und von Menschen, die einfach in Wort und Bild etwas zu sagen hatten und dies per Post mitteilten."

Postkarten von George Grosz: mit Tinte geschriebene und dann übermalte und collagierte Schrift- und Kunststücke. Holzschnitte von Lyonel Feininger, Tintengetuschtes von Else Lasker-Schüler. Der Architekt Hans Scharoun reimt Bildergeschichten zur Weihnachtspost. Der Schriftsteller, Maler, Regisseur Einar Schleef zeichnet seiner Mutter Bilderbriefe, etwa: ein trauriges Selbstportrait, er am Tisch sitzend, daneben in großen Buchstaben: "Bißchen zu ernst./Mutter, wann schreibst Du mal?".

"Kunst ist, wenn sie trotzdem entsteht": Robert Rehfeldt, Joseph W. Huber, Rolf Staeck - MailArt-Künstler der DDR, die so gut wie täglich Kunstpostkarten in die ganze Welt schickten, mit abstrakten Botschaften versehen, etwa, von Rolf Staeck, eine Fotomontage: ein abgeschlachtetes Pferd, dazu der Text: "Kommunikation Losung 81 - damit wir uns besser verstehen!"

Ein Oberleutnant der Staatssicherheit namens Müller schrieb dazu, wie in einer Stasiakte nachzulesen ist: "Es ist nicht auszuschließen, dass das abgeschlachtete Pferd symbolhaft für das Volk eingesetzt worden ist, das durch eine absolute Diktatur mundtot gemacht werden soll." Kunstpostkarten von und an Klaus Staeck: "Mit dummen Fragen fängt jede Revolution an!"

Joseph Beuys schickt Holzpostkarten von der documenta: "Bestimmungen bestimmen Stimmungen!" Eine reiche Sammlung, eine Ausstellung zum Sich Festlesen - gerade das Richtige für stürmische Herbsttage.

Wie wirkungsvoll Postkarten sein können, hat Klaus Staeck ja gerade selber erlebt: mit seiner Postkarte für den Wahlkampf der SPD, die Kanzlerin Merkel beim Handschlag mit dem Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, dazu, in Anspielung auf dessen Steueraffäre, die Worte: "Glückwunsch Uli! Wir steuern das schon!"

"Die ehrenwerte Neue Zürcher Zeitung hat geschrieben: ´Die SPD greift nach den harten Bandagen!` Und als Beweis führt sie an: ein Pfeifkonzert, wo irgendjemand mal gepfiffen hat bei einer Veranstaltung und eine Postkartenaktion. Da staunt man dann doch! Und sagt: Wo sind wir eigentlich gelandet! Dass man mit einer Postkarte also derartigen Wirbel machen kann, das ist einerseits für mich erschreckend, was die politische Lage anbelangt. Gleichzeitig aber auch ... ja, eine wunderbare Ermutigung, auf diesem Wege weiterzumachen. Ich kann nur ausrufen zum Schluss: Es lebe die Postkarte!"

Homepage der Ausstellung

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