Gewappnet gegen Manipulation und Täuschung
Um Vernebelungsaktionen und Verdunklungskünste geht es im „Crash-Kurs Intellektuelle Selbstverteidigung“ von Normand Baillargeon. Kurz, klar und unterhaltsam attackiert der Autor Euphemismen der Politiker und unnötigen Fachjargon der Wissenschaftler. Das Ziel: der kritische, stets alles hinterfragende Bürger.
Der Kanadier Normand Baillargeon, Philosoph und Pädagoge, ist bei Linguisten, Denkern der analytischen Schule und Mathematikern in die Lehre gegangen. Die Idee des vorliegenden Buches geht auf Noam Chomsky zurück. Der meinte unlängst in einem Interview, die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten „Kurse für geistige Selbstverteidigung“ besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle zur Wehr setzen zu können. Erklärtes Ziel des Autors ist es denn auch, uns zu wappnen gegen die alltäglichen Täuschungsmanöver von Politikern und Werbefachleuten, Medien-Machern und PR-Agenten.
Mit dem ersten Teil verspricht uns der Autor einen „Werkzeugkasten des kritischen Denkens“, der uns hilft, manipulative Reden und Texte nach allen Regeln der Kunst auseinanderzunehmen.
In Kapitel eins geht es um unsere Sprache, einem „Diener zweier Herren“, wie der Autor bemerkt: Sie kann sowohl zur unparteiischen Information als auch zur interessegeleiteten Manipulation benutzt werden. „Die Sprache der Politik besteht im Wesentlichen aus Euphemismen und nebulösen Dampfplaudereien“, hat schon George Orwell festgestellt.
Baillargeon sieht's genauso und präsentiert uns eine Liste der gängigen Polit-Euphemismen. Zum Beispiel nennt sich das, was in früheren Zeiten „Kriegsministerium“ hieß, heute gewöhnlich „Verteidigungsministerium“. Der Zweck jener Institution, so der Autor, hat sich im Wesentlichen nicht geändert, aber „Verteidigung“ klingt in den Ohren von Wählern bedeutend angenehmer als „Krieg“. Betrachte man die amerikanische Militärpolitik der letzten vierzig Jahre, dann sei der US-Verteidigungsminister in den allermeisten Fällen ein „Angriffs-Minister“ gewesen.
Der Autor interessiert sich auch für die sprachlichen „Vernebelungs-aktionen“ von Wissenschaftlern. Was den Fach-Jargon verschiedener Disziplinen (zum Beispiel einiger Schulen der Soziologie) betrifft, so spricht er offen von „Verdunklungskunst“. Sowohl die Forscher als auch ihr Publikum müssten klar unterscheiden lernen zwischen notwendigem Fach-Wortschatz und überflüssigem Fach-Jargon.
Wenn ein Wissenschaftler sich an die Öffentlichkeit wende, bestehe grundsätzlich die demokratische Pflicht, sich so weit wie möglich in der Alltagssprache zu äußern, der einzigen, die jedermann versteht. Das Publikum wolle schließlich nicht nur staunen, sondern sich ein Urteil bilden.
Der Autor selbst besitzt jene Fähigkeit, sich einem Laienpublikum verständlich zu machen. Das zeigt sein Grundkurs in „formale Logik à la Aristoteles“, auch ein Kapitel in diesem Buch. Hier lernt der Leser, Beweisführungen zu enttarnen, die in Wirklichkeit keine sind. Es geht um Sophismen und Paralogismen (logische Fehlschlüsse), mit denen uns gewiefte Redner gerne einseifen. Baillargeons Lektion ist kurz, klar und unterhaltsam. Dass es nicht noch einfacher geht, liegt in der Natur der Sache.
Ein weiteres Thema in diesem Buch heißt „Manipulation mit Hilfe von Statistik“. Wir alle werden täglich mit Zahlen bombardiert, die uns zu bestimmten Meinungen bewegen sollen. Hauptsatz der intellektuellen Selbstverteidigung in dieser Sache: „Einen Moment bitte, ich rechne nach!“
Das jedenfalls empfiehlt uns der Autor und offeriert ein paar Beispiele von „Zahlen-Bluff“: In den USA verdoppele sich die Anzahl der Todesfälle durch Schusswaffen-Gebrauch seit 1950 von Jahr zu Jahr, wurde unlängst in einer amerikanischen Zeitschrift behauptet. Nehmen wir an, schreibt der Autor, im Jahre 1950 sei in diesem Land nur ein einziger Mensch erschossen worden. Nehmen wir weiter an, diese Rechnung sei korrekt. Dann hätten bereits 1980 mehr als eine Milliarde Amerikaner, durch Schüsse verursacht, ihr Leben ausgehaucht . . .
Verdächtig, so der Autor, sind auch alle Zahlen ohne Kontext. Deren Gebrauch ist in der Werbung sehr beliebt. Motto: „Dieses Diätbrot enthält zweimal weniger Kohlenhydrate!“ Da fragt sich der der kritische Denker sofort: „Ja, und? Im Vergleich wozu bitte?“ Bei den meisten numerisch begründeten Werbebotschaften müsse man sich erstmal ein Bild machen, wovon eigentlich die Rede ist, was womit verglichen wird.
Auch von dem Satz „Das ist wissenschaftlich bewiesen!“ solle man sich nicht beeindrucken lassen. Baillargeon schenkt uns einen Fragekanon des kritischen Denkens im Umgang mit Statistik und den Ergebnissen von Umfragen. Man möge sich stets vergewissern: Woher stammen die Daten? Unter welchen Bedingungen wurden sie ermittelt? Wer waren die Probanden? Wie viele waren es? Wer hat sie ausgewählt? Und nicht zuletzt (sondern zuerst): Wer präsentiert uns diese Daten zu welchem Zweck? Wie ist seine Interessenlage?
Man könnte dieses Buch als einen zeitgemäßen Ergänzungsband zu Kants kritischen Schriften betrachten. Auch Baillargeons Devise lautet: „Habe den Mut, Deinen eigenen Verstand zu gebrauchen!“ Dazu ist dieses Buch tatsächlich von Nutzen. In klarer Sprache verfasst, aus dem Französischen bestens übersetzt.
Rezensiert von Susanne Mack
Normand Baillargeon: Crash-Kurs Intellektuelle Selbstverteidigung. Wie wir die alltägliche Manipulation aus Blenden, Täuschen und Vernebeln durchschauen
Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Liebl
Riemann Verlag, München 2008
377 Seiten, 18 Euro
Mit dem ersten Teil verspricht uns der Autor einen „Werkzeugkasten des kritischen Denkens“, der uns hilft, manipulative Reden und Texte nach allen Regeln der Kunst auseinanderzunehmen.
In Kapitel eins geht es um unsere Sprache, einem „Diener zweier Herren“, wie der Autor bemerkt: Sie kann sowohl zur unparteiischen Information als auch zur interessegeleiteten Manipulation benutzt werden. „Die Sprache der Politik besteht im Wesentlichen aus Euphemismen und nebulösen Dampfplaudereien“, hat schon George Orwell festgestellt.
Baillargeon sieht's genauso und präsentiert uns eine Liste der gängigen Polit-Euphemismen. Zum Beispiel nennt sich das, was in früheren Zeiten „Kriegsministerium“ hieß, heute gewöhnlich „Verteidigungsministerium“. Der Zweck jener Institution, so der Autor, hat sich im Wesentlichen nicht geändert, aber „Verteidigung“ klingt in den Ohren von Wählern bedeutend angenehmer als „Krieg“. Betrachte man die amerikanische Militärpolitik der letzten vierzig Jahre, dann sei der US-Verteidigungsminister in den allermeisten Fällen ein „Angriffs-Minister“ gewesen.
Der Autor interessiert sich auch für die sprachlichen „Vernebelungs-aktionen“ von Wissenschaftlern. Was den Fach-Jargon verschiedener Disziplinen (zum Beispiel einiger Schulen der Soziologie) betrifft, so spricht er offen von „Verdunklungskunst“. Sowohl die Forscher als auch ihr Publikum müssten klar unterscheiden lernen zwischen notwendigem Fach-Wortschatz und überflüssigem Fach-Jargon.
Wenn ein Wissenschaftler sich an die Öffentlichkeit wende, bestehe grundsätzlich die demokratische Pflicht, sich so weit wie möglich in der Alltagssprache zu äußern, der einzigen, die jedermann versteht. Das Publikum wolle schließlich nicht nur staunen, sondern sich ein Urteil bilden.
Der Autor selbst besitzt jene Fähigkeit, sich einem Laienpublikum verständlich zu machen. Das zeigt sein Grundkurs in „formale Logik à la Aristoteles“, auch ein Kapitel in diesem Buch. Hier lernt der Leser, Beweisführungen zu enttarnen, die in Wirklichkeit keine sind. Es geht um Sophismen und Paralogismen (logische Fehlschlüsse), mit denen uns gewiefte Redner gerne einseifen. Baillargeons Lektion ist kurz, klar und unterhaltsam. Dass es nicht noch einfacher geht, liegt in der Natur der Sache.
Ein weiteres Thema in diesem Buch heißt „Manipulation mit Hilfe von Statistik“. Wir alle werden täglich mit Zahlen bombardiert, die uns zu bestimmten Meinungen bewegen sollen. Hauptsatz der intellektuellen Selbstverteidigung in dieser Sache: „Einen Moment bitte, ich rechne nach!“
Das jedenfalls empfiehlt uns der Autor und offeriert ein paar Beispiele von „Zahlen-Bluff“: In den USA verdoppele sich die Anzahl der Todesfälle durch Schusswaffen-Gebrauch seit 1950 von Jahr zu Jahr, wurde unlängst in einer amerikanischen Zeitschrift behauptet. Nehmen wir an, schreibt der Autor, im Jahre 1950 sei in diesem Land nur ein einziger Mensch erschossen worden. Nehmen wir weiter an, diese Rechnung sei korrekt. Dann hätten bereits 1980 mehr als eine Milliarde Amerikaner, durch Schüsse verursacht, ihr Leben ausgehaucht . . .
Verdächtig, so der Autor, sind auch alle Zahlen ohne Kontext. Deren Gebrauch ist in der Werbung sehr beliebt. Motto: „Dieses Diätbrot enthält zweimal weniger Kohlenhydrate!“ Da fragt sich der der kritische Denker sofort: „Ja, und? Im Vergleich wozu bitte?“ Bei den meisten numerisch begründeten Werbebotschaften müsse man sich erstmal ein Bild machen, wovon eigentlich die Rede ist, was womit verglichen wird.
Auch von dem Satz „Das ist wissenschaftlich bewiesen!“ solle man sich nicht beeindrucken lassen. Baillargeon schenkt uns einen Fragekanon des kritischen Denkens im Umgang mit Statistik und den Ergebnissen von Umfragen. Man möge sich stets vergewissern: Woher stammen die Daten? Unter welchen Bedingungen wurden sie ermittelt? Wer waren die Probanden? Wie viele waren es? Wer hat sie ausgewählt? Und nicht zuletzt (sondern zuerst): Wer präsentiert uns diese Daten zu welchem Zweck? Wie ist seine Interessenlage?
Man könnte dieses Buch als einen zeitgemäßen Ergänzungsband zu Kants kritischen Schriften betrachten. Auch Baillargeons Devise lautet: „Habe den Mut, Deinen eigenen Verstand zu gebrauchen!“ Dazu ist dieses Buch tatsächlich von Nutzen. In klarer Sprache verfasst, aus dem Französischen bestens übersetzt.
Rezensiert von Susanne Mack
Normand Baillargeon: Crash-Kurs Intellektuelle Selbstverteidigung. Wie wir die alltägliche Manipulation aus Blenden, Täuschen und Vernebeln durchschauen
Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Liebl
Riemann Verlag, München 2008
377 Seiten, 18 Euro