Gewalt in der Seifenblase

Von Igal Avidan |
Im hippen Viertel um die Sheinkin Street in Tel Aviv lebt eine multisexuelle WG junger Israelis wie in einer Luftblase scheinbar unberührt vom Nahostkonflikt. Als der Palästinenser Ashraf mit einem der Bewohner, Noam, ein Verhältnis beginnt, beschließt die Restwohngemeinschaft, ihn als Zeichen der Versöhnung zu verstecken. Auch wenn es eine Zeitlang gut geht, bricht die harte Realität des Nahen Ostens mit aller Gewalt über die naiven jungen Menschen herein. Regisseur Eytan Fox porträtiert mit "The Bubble" eine neue Generation junger Israelis und Araber und liefert zugleich eine Liebeserklärung an Tel Aviv.
Vor drei Jahren, als Eytan Fox in Berlin seine letzten Film "Walk on Water" drehte, verstarb seine Mutter Sara. Seine Familie lebte in Jerusalem, hier widmete Sara ihr Leben der israelisch-palästinensischen Versöhnung. Einige ihrer besten Freunde wohnten nicht weit entfernt im palästinensischen Dorf Isawije. Doch Eytan Fox war niemals dort.

Erst nach der Beerdigung seiner Mutter zollte er dem Dorfvorsteher Respekt, dem Araber, der seine Mutter tot gefunden und sie mit einem Kuss auf die Stirn und einem Segen verabschiedet hatte. Nach Ablauf der Trauerzeit fuhr Eytan Fox nach Isawije und war erstaunt, dass die Autofahrt nur zwei Minuten dauerte. Bei diesem Besuch kam ihm die Idee zu "The Bubble", "Die Luftblase", einen Film über eine Liebesbeziehung zwischen einem Israeli und einem Palästinenser. Darin widmete Eytan Fox seiner Mutter eine Szene, in der der junge Israeli Noam an seiner Kindheit erinnert:

""Die Geschichte mit dem Kinderspielplatz passierte wirklich. Nur war der 'bad guy' darin nicht mein Vater, sondern der Vorsitzende des Einwohnerrates. Eines Tages verkündete er, dass ab nun die arabischen Kinder den Spielplatz im jüdischen Stadtteil nicht mehr betreten dürfen, weil sie die jüdischen Kinder schlagen. Mit Unterstützung der Stadtverwaltung hing er im palästinensischen Dorf entsprechende Warnschilder auf. Meine Mutter protestierte dagegen, denn die Kinder spielten im Allgemeinen gern miteinander. Also organisierte sie auf dem Spielplatz eine Versöhnungsparty, buk Kuchen und verschickte Einladungen. Aber nur ich und meine Mutter und deren beste Freundin mit ihrem Sohn kamen. Sonst war niemand da, und die Kinder hörten auf miteinander zu spielen"."

Ob sie sich jemals als Kinder auf dem Spielplatz begegnet waren, das wissen der Israeli Noam und der Palästinenser Ashraf im Film nicht mehr. Dennoch lieben sich die jungen Männer, die sich an einem Checkpoint kennen lernten, wo Noam als Reservesoldat diente, in der gewagtesten homosexuellen Liebeszene, die jemals in Israel gezeigt wurde.

In einer Wohngemeinschaft in der Sheinkinstrasse in Tel Aviv, längst zum Symbol des modernen, weltlichen, kosmopolitischen, jungen Israels geworden, feiert der gut aussehende Araber seine Freiheit. Er kellnert in einem modischen Restaurant, geht ins Theater und tanzt am Strand auf einer Rave-Party gegen die Besatzung. "The Bubble ist ein selbstkritischer Film über mich und meine Bekannten", sagt Drehbuchautor Gal Uchovsky.

""Wenn Menschen einen Rave (wilde Party) gegen die Besatzung organisieren, dann ist daran etwas Schönes, Naives und auch Blödes. Aber es ist besser, sie tanzen gegen die Besatzung als zum Beispiel für die Ausrottung palästinensischer Olivenbäume. Beides ist zwar doof, aber in dem Fall bin ich lieber für die positiv eingestellten Dummchen. Natürlich ist die Idee absurd. Das Richtige wäre, den ganzen Tag Sit-ins vor den Checkpoints abzuhalten - und die Welt zu ändern. Aber es ist schwer die Welt zu ändern, und nicht immer hat man die Kraft dazu"."

Eine Luftblase ist jedoch sehr zerbrechlich. Zumal Ashraf sich in Tel Aviv nicht lange als illegaler Palästinenser verstecken kann. Und so muss das schöne Fest in Blut versinken. Zuerst wird in Tel Aviv ein Mitbewohner der lustigen WG von einem Palästinenser verletzt, kurz danach wird in Nablus Ashrafs Schwester erschossen. Ashrafs Schwager, ein gesuchter Terrorist und ein Macho, erfährt, dass Ashraf schwul ist und erpresst ihn zu heiraten. Sonst wird er wohl mit dem Tod bestraft. Von seiner Welt ausgestoßen und auch in Israel nicht willkommen, schnallt sich Ashraf einen Bombengürtel an und fährt zum letzten Mal nach Tel Aviv, in die Scheinkinstrasse.

Der israelische Araber Youssef "Jo" Sweid spielt die Rolle des Palästinensers Ashraf.

""Ashraf hat dauernd die Checkpoints vor Augen, wo manchmal, wie in der Eröffnungsszene, Babys sterben. Wie jeder Palästinenser atmet er die Besatzung. Gegen Ende des Films töten israelische Soldaten seine Schwester irrtümlich. Aber was ihn zu einem Selbstmordakt bewegt ist eher die Erkenntnis, dass er seine sexuelle Identität nur in Tel Aviv leben kann, nicht in Nablus. Als er seiner Schwester davon erzählt, sieht er ihre große Enttäuschung. Und er liebt sie mehr als jeden anderen in der Welt. Er fühlt sich daher schuldig, sich in den Feind verliebt zu haben. Für ihn ist der Mann, mit dem er schläft, mitverantwortlich für den Tod seiner Schwester"."

Trotz der unmöglichen Liebe ist "The Bubble" eine Liebeserklärung an Tel Aviv, dem einzigen Zufluchtsort vor dem Nahostkonflikt. Dass ihre humanistischen Filme manches auch außerhalb der Luftblase bewegen können, darüber sind sich Regisseur Fox und sein Lebenspartner, der Drehbuchautor Uchovsky, sicher. Bei diesem Film hat sich das israelische Militär zum ersten Mal zu einer Zusammenarbeit bereit erklärt.