Gewalt gegen Feuerwehrleute

Wenn Retter angegriffen werden

Ein Feuerwehrwagen rückt aus der Feuerwache in Berlin-Prenzlauer Berg aus.
Gewalt gegen Einsatzkräfte - da wird eine Grenze für die Feuerwehrleute überschritten. © picture alliance/Geisler-Fotopress
Von Henry Bernhard · 01.10.2018
Sie werden angepöbelt, behindert oder attackiert, obwohl sie anderen helfen wollen: Feuerwehrleute beklagen eine zunehmende Verrohung und die wachsende Gewalt gegen Einsatzkräfte. Ihr Verband fordert mehr Respekt und Unterstützung.
Feuerwehrleute sind im Allgemeinen gelassene Männer, die nicht so schnell zu erschrecken sind, noch dazu die Älteren, die glauben, schon alles erlebt zu haben. Auf dem Verbandstag des Deutschen Feuerwehrverbandes am Wochenende aber platzte es aus vielen einfach heraus: Sie können nicht verstehen, dass sie, die kommen, um zu helfen, immer öfter angegriffen werden. So berichtet z.B. Lars Oschmann, Vizepräsident des Verbandes:
"Wir hatten einen Fall in Gießübel hier in Thüringen gehabt, dass z.B. die Anwohner sich beschwert haben, dass die Feuerwehr aus dem öffentlichen Hydrantennetz Wasser entnommen hat und dadurch die Wasserversorgung zusammengebrochen ist. Sie konnten keinen Kaffee kochen, konnten nicht duschen gehen. Darüber haben sich die Menschen beschwert, haben Feuerwehrleute bepöbelt, und die Polizei musste eingreifen. Oder wir haben einen Fall in Kranichfeld: Dort hat jemand versucht, die Feuerwehrleute versucht mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Und da ist eine Grenze überschritten, das geht gar nicht: Gewalt gegen Einsatzkräfte."
Gaffer, die den Rettungskräften im Weg stehen, Autofahrer, die keine Gasse bilden, Schaulustige, die Unfallopfer fotografieren, Randalierer, die mit Flaschen werfen – all dies geschieht immer öfter am Rande von Einsätzen. Aber Angriffe mit Mordabsichten waren auch dem Thüringer Landesjugendfeuerwehrwart Jörg Deubert neu. Seine Leute sollten im Auftrag der Polizei eine Tür öffnen, als sie mit Benzin übergossen wurden.

Bei der Türöffnung mit Benzin übergossen

"So etwas habe ich noch nicht erlebt! Man muss heute überlegen, wenn ich mal wieder zu einer Türöffnung gerufen werde: Was kann einem dahinter erwarten? Man wird etwas vorsichtiger. Ich meine, dass man draußen, wenn man eine Vollsperrung macht, von Passanten angepöbelt wird, o.k., das ist mittlerweile gang und gäbe. Aber so eine Geschichte gibt einem doch zu denken: Was erwartet einem hinter einer Tür?"
Auch Lars Oschmann meint, dass die Erfahrungen der letzten Jahre die Feuerwehrarbeit schon verändert habe:
"Es ist vor allem für den Einsatzleiter schwierig, erst mal einzuschätzen: Wollen diese Menschen meine Hilfe? Wie reagieren sie auf meine Hilfe? Das heißt, ich muss nicht nur feuerwehrtaktisch überlegen, sondern ich muss auch präventiv für meine Einsatzkräfte überlegen: Wie kann ich sie vor Übergriffen schützen?"
Erneli Martens ist Feuerwehr-Seelsorgerin. Sie macht in der Einsatznachsorge immer wieder die Erfahrung, dass Feuerwehrleute, die es gewohnt sind, die Guten zu sein, die helfen wollen, die in Beliebtheitsumfragen immer wieder die Hitlisten anführen, geschockt sind, wenn sie angegriffen werden:
"Also, das ist ja die Vorstellung, dass jemand kommt, um zu helfen und zu retten. Und damit macht er auch eine weiche Seite in sich auf. Also, er macht die Seite in sich auf, wo Empathie und Mitgefühl für den anderen wirklich vorhanden ist, was bei einem selber ja dazu führt, dass man mit einem enormen Engagement auch in die Unterstützung geht. Und wenn dann aber auf der anderen Seite eine Aggression gegen einen besteht, dann erwischt das einen richtig von der falschen Seite."

Die Feuerwehr als Ventil für den Frust

Der Deutsche Feuerwehrverband hat deshalb auf seinem Verbandstag eine Resolution verabschiedet: Die Rettungskräfte fordern mehr Respekt, rückhaltlose Unterstützung durch Politik und Gesellschaft, Wertevermittlung in den Schulen und konsequente Strafverfolgung aller Angriffe. Denn die Gründe für die Angriffe lägen tiefer, so Verbandspräsident Hartmut Ziebs.
"Mich hat es ziemlich angefressen, dass das überhaupt passiert. Das mag so ein kleines bisschen vielleicht auch damit zusammenhängen – vielleicht sogar auch mehr! –, dass es einen gewissen Unmut gegenüber dem Staat gibt in gewissen Bevölkerungsschichten und dass man hier die Feuerwehr als Ventil nutzt, um seinem Unmut deutlich zu machen, was aber nicht in Ordnung ist! Wir sind ja auch relativ leicht angreifbar: Wir sind nicht bewaffnet, wir sind auch nicht besonders geschult in Selbstverteidigung … Warum auch? Brauchen wir auch nicht! Will ich auch gar nicht! Und dann fällt es schon mal leicht, den Faustschlag auszuüben, obwohl man gar nicht den Feuerwehrmenschen meint, sondern den Staat, und das ist nicht in Ordnung!"
Auch eine allgemeine Dienstpflicht, wie sie vor kurzem diskutiert wurde, kann sich Ziebs gut vorstellen. Sie würde junge Leute an die Gesellschaft heranführen und den Respekt vor dem Ehrenamt wachsen lassen. Zunächst aber bleibt die Frage, ob Feuerwehrleute angesichts der Angriffe nun mit Vorbehalt an ihren Dienst gingen? Erneli Martens meint: Nein. Noch nicht.
"Wir sind am Nachdenken: Was müssen wir tun? Noch ist das Gefühl da, es sind Einzelfälle. Ich glaube, alle leben von der Hoffnung und auch von der Vorstellung, dass die Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden, greifen, so dass man in diese andere Haltung gar nicht erst rein will. Und diesen Widerstand, den merkt man auch richtig. Aber eigentlich will keiner sich die Vorsicht antrainieren gegenüber einem anderen Menschen, der als Mitmensch vielleicht auch Hilfe braucht."
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