GEW-Vorsitzender fordert 30 Milliarden Euro mehr für die Bildung
Kurz vor dem Bildungsgipfel von Bund und Ländern hat der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, eine deutliche Erhöhung der Bildungsausgaben gefordert. „Wir brauchen hier wirklich eine Offensive“, sagte Thöne.
Marcus Pindur: Bildung ist das Thema, das Bundeskanzlerin Merkel für sich entdeckt hat. Einen Bildungsgipfel zwischen Bund und Ländern soll es deshalb am Mittwoch geben. Sechs Milliarden Euro will der Bund in den Jahren bis 2012 zusätzlich für Bildung ausgeben, sagt zumindest Bundesbildungsministerin Schavan. 80.000 Schulabbrecher jährlich, nach Auskunft der Wirtschaft 20 Prozent der Schulabgänger nicht ausbildungsfähig, absehbarer Facharbeiter- und Ingenieursmangel in Deutschland, Bildung tut also not.
Der Abschluss der Bildungsreise der Kanzlerin soll dieser Gipfel in Dresden sein. Auf einer DGB-Veranstaltung kommt das Thema heute zur Sprache unter dem Titel neue Bildung für das Land. Wir sprechen jetzt mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Ulrich Thöne. Guten Morgen, Herr Thöne.
Ulrich Thöne: Guten Morgen, Herr Pindur.
Pindur: Herr Thöne, haben Sie hohe Erwartungen an diesen Bildungsgipfel in Dresden?
Thöne: Ja nun, das Wort Erwartung hat zwei Bedeutungen. Das eine, was man selbstverständlich ausrechnet und das andere, was man von einem solchen Gipfel erwarten kann. Und dieses Land, Sie haben schon einige Probleme genannt, hat tatsächlich in einem hohen Maße einen Erwartungsdruck auf diese Regierung aufgebaut, dass in der Bildungspolitik was gelöst wird, weil das geht so nicht weiter. Und von diesem Druck möchte ich auch nichts nehmen.
Pindur Und was wäre denn an Forderungen, die Sie stellen würden an solch einen Gipfel?
Thöne: Ja nun, ich würde erst einmal ganz allgemein Folgendes sagen. Es ist nötig, dass wir zu einer nationalkoordinierten Strategie kommen. Dafür gibt es ja Anzeichen, dass die Kanzlerin das an sich gezogen hat, es mit dem Ministerpräsidenten insgesamt berät. Das gibt ihr eine Chance jenseits aller rechtlichen oder gesetzlichen Grundlagen oder wie auch immer. Der zweite Punkt ist aus meiner Sicht, dass man dazu kommen muss, die Bildung als gesellschaftliche Aufgabe mehr zu begreifen, dass die Bildung ein Menschenrecht aus der Situation des Einzelnen ist, aber aus der Situation der Gemeinschaft eine Aufgabe, eine Gemeinschaftsaufgabe, denn nur in einer besser gebildeten Gesellschaft werden wir die Probleme der Zukunft meistern können.
Und das ist eine ganz andere Sache als die, das nach wie vor so individuell runterzubrechen, als sei das ein individueller Vorteil, als hätte die Gemeinschaft nicht allzu viel davon, als sei das ein Geschenk der Gemeinschaft an den Einzelnen, dass man sich davon verabschiedet und das auf der Ebene wirklich der Rechtsverpflichtung, die man der Jugend gegenüber hat, begreift.
Pindur: Das wäre eine Frage der politischen Mentalität, immer wieder, wenn es dann ums Konkrete ist, lese ich zum Beispiel, dass wir zu wenig Lehrer haben in den Naturwissenschaften, dass wir zu wenig Sozialpädagogen haben an den Schulen, dass wir zu wenig Betreuung zum Beispiel auch haben für schwierige Schüler in denn Ferien. Das alles ist personalintensiv und das kostet Geld. Mangelt es daran?
Thöne: Ja, das kann man ganz eindeutig sagen, weil Deutschland misst sich vom Anspruch her an der Spitze anderer Länder, gibt aber deutlich weniger aus, als der Durchschnitt der OECD-Länder. Das ist eine klare Differenz und hier werden im Augenblick, werden viele Nebelkerzen geworfen, mit Prozentzahlen kann man ja alles und nichts beweisen. Tatsache ist, dass wir im OECD-Durchschnitt, dass wir da deutlich drunter sind. Und wenn wir den OECD-Durchschnitt, die OECD-Rechnungsweise unterstellen und uns dann von sieben Prozent, dem SPD-Parteitagsbeschluss von Hamburg seinerzeit nähern, dann geht es um 43 Milliarden, um die Größenordnung mal zu sagen. Das muss man in realen Zahlen besprechen, und zwar um mehr.
Das, was da unter dem, wie ich finde, sehr schrägen Wort der Generationenrendite diskutierte, wo man sagt, es gibt wenige Schüler und deswegen sparen wir ein wenig Geld, das lassen wir aber im System, das würde ja im OECD-Durchschnitt überhaupt nichts bringen. Wir müssen auf den OECD-Durchschnitt, und das Mindeste, was wir müssen, ist in einem ersten Schritt auf 30 Milliarden kommen. Damit kann man eine Menge der Projekte, die im Augenblick besprochen werden, anpacken, zum Beispiel das, was Sie genannt hatten, dass man mit Personal arbeiten kann und das Personalprojekt wertvoller auf die Frage eingehen kann.
Pindur: Geld tut not, auch für bessere Bildung. So viel ist klar. Was ist denn möglich, die Bildung zu verbessern in Deutschland unterhalb dieser Schwelle? Was bieten Sie da noch an Konzepten an?
Thöne: Ja nun. Wenn ich Ihre Frage jetzt richtig verstanden habe, dann kann es ja nicht darum gehen, dass man um die Frage Geld ja oder nein diskutiert, sondern die Frage, das, was jetzt nötig ist, zu tun. Und zu manchem braucht man Geld, zu manchem braucht man vor allen Dingen guten Willen. Aber man kann nicht die fehlende Investition durch guten Willen ersetzen. Als ein ganz einfaches Beispiel für diese Geschichte ist natürlich, wenn ein Klimawandel insgesamt es hier gibt, wenn man merkt, dass angepackt wird, dass an die Ziele wirklich herangegangen wird, dass man wirklich zu einer Änderung kommt, nimmt das natürlich auch Auswirkungen auf das gesamte Ethos, die berufliche Handelshaltung derjenigen, die daran beteiligt sind.
Und man kann in ganz anderer Weise auch Kräfte freisetzen, Ziele zu erreichen, zum Beispiel wie das Ziel, die Zahl der Bildungsabbrecher in den Schulen zu halbieren. Und wenn man das vorhat, was man schon seit Langem international versprochen hat, von dem sich gerade die Ministerpräsidenten wieder verabschieden wollten, ja, verringern, aber bitte nicht halbieren, wenn man sich dieses Ziel vornimmt, dass nicht mehr 80.000, sondern nur noch 40.000 pro Jahr die Schule verlassen, ohne einen Bildungsabschluss zu erreichen, dann wird man nötigerweise auch an die Frage der Schulstruktur herangehen müssen. Und das ist keine Geldfrage, das ist vor allen Dingen eine Mentalitätsfrage, nämlich ob man alle mitnehmen, alle fördern will oder ob man auf Auslese und auf die Art und Weise Schule betreiben möchte.
Pindur: Schauen wir von den Schulen jetzt mal kurz noch mal an die Uni. 600.000 Ingenieure sollen bis 2020 in Deutschland fehlen. Sollte man den Vorschlag nicht aufgreifen und zum Beispiel den Meistern einen Hochschulzugang auch ohne Abitur ermöglichen?
Thöne: Ja, aber warum so kleinkariert, warum nicht gleich breiter, dass man sagt, die berufliche Bildung wird der allgemeinen Bildung gleichgestellt und man lässt in viel breiterem Maßstab Menschen mit einem beruflichen Abschluss, mit einer beruflichen Qualifikation für die Universität zu. Ich meine, dass das sowieso dringend nötig ist. Aber um eines vorweg zu sagen. Die Berufsgruppe, ich glaube, die am schärfsten betroffen ist, ist die der Pädagogen. Von den Ingenieuren, aber immerhin noch 90 Prozent der Wiedereinstellungsmöglichkeiten, bei den Pädagogen sind es gerade 60 Prozent. Und wer soll die Ingenieure denn eigentlich ausbilden?
Deswegen, wir brauchen hier wirklich eine Offensive, denn an der Universität, da ist eine Offensive der Leere. Wir brauchen viel bessere Bedingungen an den Universitäten, viel mehr Möglichkeiten, statt wir im Augenblick den NC in schwindelnde erregende Höhen treiben und immer weniger Menschen die faktische Möglichkeit geben, ihr Studium absolvieren zu können.
Pindur: Herr Thöne, zum Schluss noch die Frage mit der Bitte um kurze Antwort. Sind Sie optimistisch, dass es auf diesem Bildungsgipfel substanziell vorangeht?
Thöne: Ich bin optimistisch, was die Frage der Erwartungen angeht und des Drucks von der Bevölkerung, nach einer Lösung zu suchen.
Pindur: Gut. Das ist auch eine Antwort an die Politik, sind Ihre Erwartungshaltungen offensichtlich nicht so groß. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Ulrich Thöne. Vielen Dank für das Gespräch!
Thöne: Ja, bitte schön, Herr Pindur!
Der Abschluss der Bildungsreise der Kanzlerin soll dieser Gipfel in Dresden sein. Auf einer DGB-Veranstaltung kommt das Thema heute zur Sprache unter dem Titel neue Bildung für das Land. Wir sprechen jetzt mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Ulrich Thöne. Guten Morgen, Herr Thöne.
Ulrich Thöne: Guten Morgen, Herr Pindur.
Pindur: Herr Thöne, haben Sie hohe Erwartungen an diesen Bildungsgipfel in Dresden?
Thöne: Ja nun, das Wort Erwartung hat zwei Bedeutungen. Das eine, was man selbstverständlich ausrechnet und das andere, was man von einem solchen Gipfel erwarten kann. Und dieses Land, Sie haben schon einige Probleme genannt, hat tatsächlich in einem hohen Maße einen Erwartungsdruck auf diese Regierung aufgebaut, dass in der Bildungspolitik was gelöst wird, weil das geht so nicht weiter. Und von diesem Druck möchte ich auch nichts nehmen.
Pindur Und was wäre denn an Forderungen, die Sie stellen würden an solch einen Gipfel?
Thöne: Ja nun, ich würde erst einmal ganz allgemein Folgendes sagen. Es ist nötig, dass wir zu einer nationalkoordinierten Strategie kommen. Dafür gibt es ja Anzeichen, dass die Kanzlerin das an sich gezogen hat, es mit dem Ministerpräsidenten insgesamt berät. Das gibt ihr eine Chance jenseits aller rechtlichen oder gesetzlichen Grundlagen oder wie auch immer. Der zweite Punkt ist aus meiner Sicht, dass man dazu kommen muss, die Bildung als gesellschaftliche Aufgabe mehr zu begreifen, dass die Bildung ein Menschenrecht aus der Situation des Einzelnen ist, aber aus der Situation der Gemeinschaft eine Aufgabe, eine Gemeinschaftsaufgabe, denn nur in einer besser gebildeten Gesellschaft werden wir die Probleme der Zukunft meistern können.
Und das ist eine ganz andere Sache als die, das nach wie vor so individuell runterzubrechen, als sei das ein individueller Vorteil, als hätte die Gemeinschaft nicht allzu viel davon, als sei das ein Geschenk der Gemeinschaft an den Einzelnen, dass man sich davon verabschiedet und das auf der Ebene wirklich der Rechtsverpflichtung, die man der Jugend gegenüber hat, begreift.
Pindur: Das wäre eine Frage der politischen Mentalität, immer wieder, wenn es dann ums Konkrete ist, lese ich zum Beispiel, dass wir zu wenig Lehrer haben in den Naturwissenschaften, dass wir zu wenig Sozialpädagogen haben an den Schulen, dass wir zu wenig Betreuung zum Beispiel auch haben für schwierige Schüler in denn Ferien. Das alles ist personalintensiv und das kostet Geld. Mangelt es daran?
Thöne: Ja, das kann man ganz eindeutig sagen, weil Deutschland misst sich vom Anspruch her an der Spitze anderer Länder, gibt aber deutlich weniger aus, als der Durchschnitt der OECD-Länder. Das ist eine klare Differenz und hier werden im Augenblick, werden viele Nebelkerzen geworfen, mit Prozentzahlen kann man ja alles und nichts beweisen. Tatsache ist, dass wir im OECD-Durchschnitt, dass wir da deutlich drunter sind. Und wenn wir den OECD-Durchschnitt, die OECD-Rechnungsweise unterstellen und uns dann von sieben Prozent, dem SPD-Parteitagsbeschluss von Hamburg seinerzeit nähern, dann geht es um 43 Milliarden, um die Größenordnung mal zu sagen. Das muss man in realen Zahlen besprechen, und zwar um mehr.
Das, was da unter dem, wie ich finde, sehr schrägen Wort der Generationenrendite diskutierte, wo man sagt, es gibt wenige Schüler und deswegen sparen wir ein wenig Geld, das lassen wir aber im System, das würde ja im OECD-Durchschnitt überhaupt nichts bringen. Wir müssen auf den OECD-Durchschnitt, und das Mindeste, was wir müssen, ist in einem ersten Schritt auf 30 Milliarden kommen. Damit kann man eine Menge der Projekte, die im Augenblick besprochen werden, anpacken, zum Beispiel das, was Sie genannt hatten, dass man mit Personal arbeiten kann und das Personalprojekt wertvoller auf die Frage eingehen kann.
Pindur: Geld tut not, auch für bessere Bildung. So viel ist klar. Was ist denn möglich, die Bildung zu verbessern in Deutschland unterhalb dieser Schwelle? Was bieten Sie da noch an Konzepten an?
Thöne: Ja nun. Wenn ich Ihre Frage jetzt richtig verstanden habe, dann kann es ja nicht darum gehen, dass man um die Frage Geld ja oder nein diskutiert, sondern die Frage, das, was jetzt nötig ist, zu tun. Und zu manchem braucht man Geld, zu manchem braucht man vor allen Dingen guten Willen. Aber man kann nicht die fehlende Investition durch guten Willen ersetzen. Als ein ganz einfaches Beispiel für diese Geschichte ist natürlich, wenn ein Klimawandel insgesamt es hier gibt, wenn man merkt, dass angepackt wird, dass an die Ziele wirklich herangegangen wird, dass man wirklich zu einer Änderung kommt, nimmt das natürlich auch Auswirkungen auf das gesamte Ethos, die berufliche Handelshaltung derjenigen, die daran beteiligt sind.
Und man kann in ganz anderer Weise auch Kräfte freisetzen, Ziele zu erreichen, zum Beispiel wie das Ziel, die Zahl der Bildungsabbrecher in den Schulen zu halbieren. Und wenn man das vorhat, was man schon seit Langem international versprochen hat, von dem sich gerade die Ministerpräsidenten wieder verabschieden wollten, ja, verringern, aber bitte nicht halbieren, wenn man sich dieses Ziel vornimmt, dass nicht mehr 80.000, sondern nur noch 40.000 pro Jahr die Schule verlassen, ohne einen Bildungsabschluss zu erreichen, dann wird man nötigerweise auch an die Frage der Schulstruktur herangehen müssen. Und das ist keine Geldfrage, das ist vor allen Dingen eine Mentalitätsfrage, nämlich ob man alle mitnehmen, alle fördern will oder ob man auf Auslese und auf die Art und Weise Schule betreiben möchte.
Pindur: Schauen wir von den Schulen jetzt mal kurz noch mal an die Uni. 600.000 Ingenieure sollen bis 2020 in Deutschland fehlen. Sollte man den Vorschlag nicht aufgreifen und zum Beispiel den Meistern einen Hochschulzugang auch ohne Abitur ermöglichen?
Thöne: Ja, aber warum so kleinkariert, warum nicht gleich breiter, dass man sagt, die berufliche Bildung wird der allgemeinen Bildung gleichgestellt und man lässt in viel breiterem Maßstab Menschen mit einem beruflichen Abschluss, mit einer beruflichen Qualifikation für die Universität zu. Ich meine, dass das sowieso dringend nötig ist. Aber um eines vorweg zu sagen. Die Berufsgruppe, ich glaube, die am schärfsten betroffen ist, ist die der Pädagogen. Von den Ingenieuren, aber immerhin noch 90 Prozent der Wiedereinstellungsmöglichkeiten, bei den Pädagogen sind es gerade 60 Prozent. Und wer soll die Ingenieure denn eigentlich ausbilden?
Deswegen, wir brauchen hier wirklich eine Offensive, denn an der Universität, da ist eine Offensive der Leere. Wir brauchen viel bessere Bedingungen an den Universitäten, viel mehr Möglichkeiten, statt wir im Augenblick den NC in schwindelnde erregende Höhen treiben und immer weniger Menschen die faktische Möglichkeit geben, ihr Studium absolvieren zu können.
Pindur: Herr Thöne, zum Schluss noch die Frage mit der Bitte um kurze Antwort. Sind Sie optimistisch, dass es auf diesem Bildungsgipfel substanziell vorangeht?
Thöne: Ich bin optimistisch, was die Frage der Erwartungen angeht und des Drucks von der Bevölkerung, nach einer Lösung zu suchen.
Pindur: Gut. Das ist auch eine Antwort an die Politik, sind Ihre Erwartungshaltungen offensichtlich nicht so groß. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Ulrich Thöne. Vielen Dank für das Gespräch!
Thöne: Ja, bitte schön, Herr Pindur!