Getrübtes Wendeglück

25.07.2007
Die junge Protagonistin Franziska Kling arbeitet im Berlin der Wendezeit für die "Treuhandgesellschaft" als Pressereferentin. Der Arbeitsalltag ist hart: Die Telefone funktionieren nicht, die Bürotechnik ist veraltet, ständig muss improvisiert werden. Und die Treuhand ist verhasst. Ein dramaturgisch schwacher Wenderoman mit deutsch-deutscher Liebesgeschichte.
Immer wieder haben Literaturkritik und Feuilleton nach dem deutschsprachigen Wenderoman gesucht. Nur war man dann von dem, was vorgelegt wurde, nur zu häufig enttäuscht. Irgendwie merkwürdig: Müsste doch der Zusammenbruch der DDR und die Eingliederung der ostdeutschen Gesellschaft in die Bundesrepublik samt allen tragischen und nicht selten auch komischen Schicksalen allemal den Stoff für spannende Prosa bieten.

Darauf mag auch der Dittrich Verlag kalkuliert haben, in dem die 1964 in Sachsen-Anhalt geborene Nicki Pawlow ihren Debütroman unter dem Titel "Die Frau in der Streichholzschachtel" vorgelegt hat. Nicki Pawlow, Tochter eines bulgarischen Vaters und einer deutschen Mutter, flüchtete 1977 mit ihrer Familie nach Westdeutschland. Sie lebt seit 1989 in Berlin und hat verschiedene Berufe in Kultur, Politik, Medien und Erwachsenenbildung ausgeübt.

Das gibt Anlaß für die Vermutung, diese Autorin kennt sich aus, wenn sie uns die Erfahrungen einer ziemlich jungen Pressereferentin vorstellt, die in den Jahren 1990/91 in der "Treuhandanstalt" arbeitet und sich in eine unglückliche Liebe mit einem doppelt so alten Fernsehjournalisten verstrickt. Der Journalist heißt Wolfgang Kiefer und arbeitet für ein Deutschlandmagazin, das aus der Ferne an die legendäre Sendung "Kennzeichen D" erinnert. Dieser Kiefer, der mehrere Ehen hinter und eine ungewisse berufliche Zukunft vor sich hat, ist seit ihrer DDR-Kindheit das unerreichbare Idol der Ich-Erzählerin Franziska. Doch der Mann will sich im Prinzip bei den abendlichen Treffen im Westberliner Szenelokal "Mykonos" nur ausquatschen.

Es geht um larmoyante Selbstbeschau mit Seitensprung als Maximalziel. Die Liebesgeschichte ist ebenso alltäglich wie langweilig. Leider bietet die Autorin auch aus dem Alltag der "Treuhand" nur allzu Bekanntes – ein wenig Aufbruchstimmung, bald gedämpft von Wirtschaftsskandalen, autoritäre Vorgesetzte, Geschichten von der rücksichtslosen Abwicklung ostdeutscher Betriebe, Szenen mit verlogenen Ex-Funktionären, die vor dem Treuhandgebäude für Gerechtigkeit demonstrieren. Die Ermordung von Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder durch Terroristen am 1. April 1991 wirkt nur wie ein blasses Detail aus einer fernen Welt.

Dafür erfahren wir viel aus der Innenwelt der Heldin, vom schwer bewältigten Schicksal des DDR-Kinds und Westflüchtlings bis zu den banalen Karrierewünschen für die Zukunft – vielleicht zu viel. Von mancher gelungenen Passage abgesehen, alles in allem bleibt "Die Frau in der Streichholzschachtel" dramaturgisch schwach und sprachlich wenig einfallsreich. Geeigneten Stoff bietet sich am ehesten für eine Vorabendserie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Rezensiert von Martin Sander

Nicki Pawlow: Die Frau in der Streichholzschachtel
Roman. Dittrich Verlag, Berlin 2007
307 S. , 19,80 €