Getrübtes Jubiläum

Von Siegfried Forster |
Vor 50 Jahren gründete Frankreich das weltweit erste unabhängige Kulturministerium. Inzwischen verfügt das Haus über ein Budget von fast drei Milliarden Euro und beschäftigt 30.000 Mitarbeiter. Doch viele machen sich nun Sorgen um die Zukunft der Kultur, denn Präsident Sarkozy mischt sich zunehmend in die Kulturpolitik ein.
Viele hatten ihm zugetraut, rechtzeitig zum 50. Jahrestag des französischen Kulturministeriums das Ministerium einfach abzuschaffen, so wie er es während des Präsidentenwahlkampfs angedacht hatte. Doch Speedy Sarkozy überraschte wieder einmal alle und rief nun eine Art Vize-Kultur-Ministerium ins Leben.

"Indem ich den Rat für die kulturelle Kreation gründe – auch wenn das einige verwundert hat – in meinem Sinne führe ich damit nur die jahrhundertealte Verbindung zwischen dem französischen Staat und den Künstlern weiter. Seit Karl dem Großen und Franz I. war der Staat der Förderer künstlerischen Schaffens und der Beschützer der Künstler."

Kulturräte und Denkfabriken ohne Budget gab es bereits Hunderte in der Geschichte Frankreichs, aber noch nie setzte sich ein Präsident an ihre Spitze. Als Sarkozy bei seiner Fernsehreform entschied, künftig die Rundfunk-Intendanten höchstpersönlich zu ernennen und zu entlassen, sprachen Kritiker von einer medialen Machtergreifung. Nun ernennt sich Frankreichs Staatschef zum obersten Hüter des künstlerischen Schaffens. Animiert werden soll der "Rat für die kulturelle Kreation" von Marin Karmitz, charismatischer Filmproduzent, -verleiher, Kinobetreiber, Ex-Maoist und seit einem Monat Anhänger der Kulturpolitik Sarkozys:

"Ich habe Nicolas Sarkozy getroffen und wir haben plötzlich angefangen sehr lange über Kultur zu sprechen. Ich habe ihm gegenüber die Bemerkung gemacht, dass meines Erachtens sich die Kultur seit langer Zeit nicht mehr im Herzen der französischen Politik befindet ... Alle Menschen brauchen Kultur. Vor allem die Franzosen. Denn ich denke, Frankreich ist am vorbildlichsten was die Behandlung seiner Kultur anbetrifft."

Am 3. Februar 1959 gründete General de Gaulle das weltweit erste eigenständige Kulturministerium mit dem preisgekrönten Schriftsteller und Widerstandskämpfer André Malraux an der Spitze. Malraux erklärt den Zugang aller zur Kultur zu seiner Priorität. In den 80er-Jahren führte Jack Lang dann mit seinem Leitmotiv von der "Demokratisierung der Kultur" Frankreichs Kulturpolitik zu ihrem Höhepunkt und baute im Auftrag des sozialistischen Präsidenten Mitterrand ein halbes Dutzend monumentaler Großbauten. Der neoliberale und kulturpatriotische Sarkozy hat als Präsident bereits eigene architektonische Vorzeigeprojekte für den Pariser Großraum ausgeschrieben, will aber als erklärter Feind der 68er-Revolte das republikanische Lied von der "Kultur für alle" neu interpretieren.

Nicolas Sarkozy: "Ich will einen Elitismus für alle. Der für alle erreichbar ist. Mit einem Unterricht für alle und Hilfen für die Besten. Wer allen hilft – weil er nicht die Qualität unterscheidet – das bedeutet meiner Meinung nach eine wunderbare Ungerechtigkeit schaffen."

Rentabilität lautet denn auch eines der Schlagwörter von Sarkzoys Kulturpolitik. Die Kulturministerin bekam bei ihrer Ernennung die Auflage, genauso wie der Minister für Immigration bei den Ausweisungen, auch innerhalb der Kultur vorzeigbare Fortschritte zu schaffen. Kultur muss sich rechnen, Museen müssen Besucherzahlen, Kinofilme die Einnahmen erhöhen. Sarkozy liebt Schriftsteller mit hoher Auflage, Sänger und Schauspieler mit Millionen-Publikum. Ein guter Präsident für die Künstler ist er deshalb noch lange nicht, klagt Michel Melki, der einst als Schauspieler bei "Her mit den kleinen Engländerinnen" erfolgreich war und nun bei der Künstlergewerkschaft Force Ouvrière die Folgen der erfolgsorientierten Kulturpolitik bekämpft:

"Wir sehen, dass alle Kulturbudgets gekürzt werden. Sowohl im Filmbereich, im Theater, im Fernsehen. Wir haben erheblich weniger Arbeit. 30.000 Künstler und Techniker aus dem Kulturbereich sind in den letzten drei Jahren aus dem System der Künstlersozialversicherung geflogen. Es gibt große Schwierigkeiten. Ich kenne Schauspieler-Kollegen, die seit 25 oder 30 Jahren im Beruf sind und heute den Beruf wechseln wollen."

Auch um die kulturelle Ausstrahlung Frankreichs ist es offenbar nicht gut bestellt. Und in den Ministerien herrscht Angst vor dem Rausschmiss. Ein Anonymität wahrender Spitzenbeamter im Außenministerium berichtete in der linksliberalen Tageszeitung Libération von einem regelrechten Kahlschlag bei den Kulturbudgets: Festivals, Kino, Literatur, Kulturzentren ... überall wird gekürzt. Unterdessen schwärmt Frankreichs Kulturministerin Christine Albanel von ihrer 100 Millionen Euro-Budget-Erhöhung für die Renovierung von Kathedralen und Kapellen. Eine Maßnahme im Rahmen des nationalen Wirtschafts-Rettungs-Plans. Und Präsident Sarkozy erhebt die französische Kultur zum Schutzschild gegen die weltweite Wirtschaftskrise.

"Ich will, dass die Kultur unsere Antwort auf die weltweite Wirtschaftskrise bedeutet. Ich will, dass die Antwort Frankreichs auf diese Wirtschaftskrise eine kulturelle Antwort ist. Wir werden aus der Kultur eines der Haupt-Elemente machen, um diese Krise zu überwinden."