Getränkeindustrie soll sauberer werden

Von Udo Pollmer |
Kürzlich wurde in Spanien der Prototyp eines neuartigen Reinigungsverfahrens mit Ozon vorgestellt. Damit sollen in der Getränkeindustrie chlorhaltige Desinfektionsmittel überflüssig werden. Es handelt sich um das Ergebnis eines europäischen Forschungsprojektes mit deutscher Beteiligung, das im Jahre 2005 begann.
Wird damit die Ozonbelastung von Umwelt und Mensch weiter erhöht?
Ozon ist zwar ein Luftschadstoff, die Verwendung in der Lebensmittelindustrie trägt aber nicht zur Bildung von erhöhten Ozonwerten in der Luft bei. Erstens wird es dem Wasser zugesetzt, in dem es sich praktisch rückstandsfrei zu Sauerstoff und Wasser zersetzt. Zweitens werden die minimalen Mengen, die bei der Anwendung in die Umgebungsluft entweichen, genau überwacht, da Ozon in einer Dosis von vier ppm für die Mitarbeiter tödlich sein kann. Deshalb gibt es auch einen Höchstwert für Ozon am Arbeitsplatz. Vergessen Sie dabei nicht, dass Ozon kein dauerhafter Rückstand ist, sondern sich auch in der Luft wieder zersetzt.

Was ist denn am bewährten Chlor so problematisch, dass es jetzt ersetzt werden soll?
Chlor hinterlässt Rückstände. Wenn mal nicht ausreichend nachgespült wurde, kam es immer wieder zu kuriosen Reaktionen mit den Lebensmitteln. Dabei entstanden manchmal sogar Stoffe wie Chlorphenole, die einen unangenehmen medizinischen Geruch verströmten. Das Chlor landet nachher im Abwasser und verursacht dort Probleme. Ganz anders das Ozon: Es beschleunigt als Sauerstofflieferant in der Kläranlage den Abbau organischer Substanz. Außerdem verbraucht man durch das gründliche Nachspülen bei der Verwendung von Chlor viel Wasser. Bei der Verarbeitung von einer Tonne Milch werden im ungünstigsten Falle bis zu 25 Kubikmeter Wasser verbraucht. Für ein Liter Bier entstehen vier Liter Abwasser. Der hohe Wasserverbrauch in der Lebensmittelindustrie hat schlicht hygienische Gründe. Durch den Verzicht auf umfangreiches Nachspülen mit Ozon spart man aber nicht nur Wasser, sondern man kann auch die Reinigungszeiten verkürzen, was der Produktivität zugute kommt.

Aber es ist doch seit langem bekannt, dass man mit Ozon Trinkwasser entkeimen kann?
Richtig, seit etwa 100 Jahren. 1902 baute Siemens & Halske die erste Anlage zur Trinkwasseraufbereitung. Ozon macht so ziemlich alle Keime platt, die im Wasser sein können - egal ob Bazillen, Schimmelpilze, Viren oder Protozoen. Daneben zersetzt es sogar ein paar Pestizide. Trinkwasser mit Ozon zu entkeimen ist längst keine Kunst mehr. Aber eine Desinfektion von Verarbeitungsanlagen für Milch, Bier oder Cola war bisher nicht möglich. Und genau das ist die Innovation.
Die Wirksamkeit des Ozons hängt davon ab, wie viel durch Reste an Milch, Wein oder Bier in der Anlage verbraucht wird. Auf diesen Resten gedeihen natürlich allerlei Keime. Man muss also ständig kontrollieren, wie hoch der Ozongehalt in der Reinigungslösung ist. Zudem sind an der Stelle, an der das Ozon zugesetzt wird, spezielle Katalysatoren erforderlich, um das überschüssige Gar zu zerstören, das in die Umgebungsluft entweicht – schließlich ist das alles ziemlich giftig.

Wird die Technik bereits genutzt – oder funktioniert sie nur im Labor?
In USA wird sie in im weitesten Sinne schon praktiziert, beispielsweise durch Besprühen von Hähnchenschlachtkörpern oder beim Waschen von Obst und Gemüse mit ozonisiertem Wasser. Allerdings ist die Anwendung am Lebensmittel keine ideale Lösung, weil das hochreaktive Ozon auch mit dem Lebensmittel reagieren kann. Bei der Reinigung von Anlagen passiert dies natürlich nicht. Das praktiziert die australische Weinindustrie. Die reinigen zunächst mit Heißwasser per Hochdruck, um den Weinstein zu entfernen, und spülen dann mit kaltem ozonisiertem Wasser nach. Speziell dient Ozon zur Desinfektion von Eichenfässern, da sich darin manchmal Brettanomyces-Hefen einnisten, die den Geschmack beeinträchtigen können. Der Verzicht auf Chlor senkt die Zahl der Flaschen mit Korkton. In der Folge kann auch der Zusatz an Schwefel im Wein vermindert werden.

Ist das jetzt das Ei des Kolumbus – oder hat die Technik wieder einen Pferdefuß?
Sie ist ein Fortschritt. Früher wurden jodhaltige Reinigungsmittel eingesetzt. Aber da alsbald viele Lebensmittel unnötige Jodrückstände enthielten, kam es zu Schilddrüsenproblemen. Die Jodophore wurden dann durch Quats und Chlor ersetzt. Das war gesundheitlich ein Fortschritt, aber auch diese Stoffe belasteten die Kläranlagen. Nun sucht man sein Heil im Ozon. Allerdings sind nicht alle Anlagen gegenüber Ozon stabil; es zerstört Gummi, es greift langfristig auch Silikon an und es korrodiert Zink. Glücklicherweise sind die meisten Plastikmaterialien, die in der Getränkeindustrie verwendet werden resistent, zumindest in der Dosis, in der Ozon zum Einsatz kommt. Da die bisherigen Reinigungsmittel ebenfalls korrosiv sind, und das nicht zu knapp, wird sich das Verfahren langfristig durchsetzen.

Fazit
Eine Desinfektion ist in Lebensmittelbetrieben zwingend erforderlich. Dies trägt wesentlich zu unserer Lebenserwartung bei. Andererseits dienen die verwendeten Stoffe dazu, einem möglichst breiten Spektrum von Erregern den Garaus zu machen. Damit sind sie notgedrungen auch ziemlich giftig. Insofern benötigen wir Stoffe, die sich zersetzen, bevor sie Rückstände bilden und so bis zum Verbraucher gelangen. Diese Bedingung erfüllt das Ozon.

Literatur:
Pascual A et al: Use of ozone in food industries for reducing the environmental impact of cleaning and disinfection activities. Trends in Food Science & Technology 2007; 18: Sp S29-S35
Lück E, Jager M: Chemische Lebensmittelkonservierung. Springer, Berlin 1995
Schäuble R: Korrosionen in der Getränkeindustrie. Hans Carl, Nürnberg 1987
Xu L: Use of ozone to improve the safety of fresh fruits and vegetables. Food Technology 1999; H.10: 58-63