Gesundheit-Apps

Bloß nicht schlapp machen

Fitness-App
Ein Mann trainiert mit einer Fitness-App auf seinem Smartphone. © picture alliance / dpa / Foto: Sebastian Kahnert
Von Lydia Heller · 21.05.2015
Mithilfe des Smartphones und bestimmten Programmen, den Apps, kann unser Puls, die Herzfrequenz und vieles mehr gemessen werden. Die Krankenkassen erhoffen sich dadurch effizientere Wege in der Prävention, Kritiker hingegen warnen vor einem "Fitnessdiktat".
"So, ich werd mal wieder meinen Zucker testen…"

Freitagmittag, Wien. Frank Westermann beendet seine Pause.
"…169. Nach dem Essen – ganz okay."
Mahlzeit und Blutzuckerwert protokolliert Frank Westermann sofort in MySugr – einer von ihm mitentwickelten App zur Diabeteskontrolle. 230.000 Nutzer erfassen damit regelmäßig ihren Blutzucker und die gespritzten Insulin-Mengen, geben ein, was sie gegessen und wieviel sie sich bewegt haben. Die App setzt die Werte in Beziehung:
"Gestern war ich joggen. Und allein, weil ich joggen war, verändert sich die Menge an Insulin, die ich am Morgen spritzen soll. Und das Tolle ist, dass man anhand der Werte so Muster erkennen kann. Dafür ist ein Smartphone genial."
Großes Interesse in der Gesundheitsbranche
Noch ist die Selbstvermessung über Handys und Sensoren ein Trend unter technikaffinen, meist jungen, Menschen. Die Gesundheitsbranche jedoch beobachtet die Entwicklung mit großem Interesse:
"Wir wissen aus eigenen Umfragen, dass vor allen Dingen Männer diese Anwendungen nutzen, um ihr Verhalten zu verändern. Etwa 42 Prozent der Männer sehen darin ein hohes Potenzial, dass sie motiviert sind, bei den Frauen sind es etwa 30 Prozent."
Krankenkassen, sagt Kai Kolpatzik vom AOK-Bundesverband, erhoffen sich vor allem neue – und effizientere – Wege in der Vorsorge. Mit dem "Gesundheitscoach" und der "AOK mobil vital"-App etwa hat die Kasse selbst Anwendungen entwickelt, die auf Basis persönlicher Daten wie Alter und Gewicht, Sport- und Essgewohnheiten individuelle Ernährungs- und Trainingsprogramme erstellen. Kann man über die Apps einen gesunden Lebensstil nachweisen, winken Bar- und Sachprämien. Dass Kassen über Boni zu mehr Gesundheitsbewusstsein anhalten, ist zwar nicht neu. Aber – so der Mediziner Tobias Neisecke:
"Eigentlich ist das ja eine Selbstverantwortung, die noch freiwillig ist. Aber: Wird sie irgendwann eine Verpflichtung, sich um irgendwelche Werte zu kümmern? Es ist halt noch andersrum: Derjenige, der etwas tut, kriegt etwas zurück. Ob sich das mal dreht, ist wahrscheinlich. Irgendwann ist der Faktor: Wie ist mein App-Score."

Finanzielle Nachteile für Menschen, die eine gesunde Lebensweise nicht per App überwachen lassen wollen, werde es nicht geben. Das versichern zumindest die gesetzlichen Krankenkassen. Die Daten, wie sie Fitness- und Gesundheits-Apps erfassen, können jedoch mehr liefern als nur ein Abbild des aktuellen Gesundheitszustands eines Menschen. Ihre Analyse, so Kai Kolpatzik, erlaubt auch Aussagen über das Risiko, bestimmte Krankheiten in Zukunft zu entwickeln.
"Ein Beispiel, was wir aktuell wissenschaftlich begleiten: das ist ein Herz-Kreislauf-Risiko-Schätzer. Der vorhersagt, wie mein Risiko innerhalb von zehn Jahren ist, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. Aufgrund von meinem Alter, ob ich rauche, meinen Blutdruck eingebe, wie meine Familienanamnese ist. Und das Spannende ist, dass auch noch gesagt werden kann: Was bringt es jetzt, wenn ich ein Medikament nehme? Was bringt auch Lebensstil-Änderung?"
Ärzte und Krankenkassen können Patientendateien künftig mit solchen Filtern abgleichen und Risiko-Kandidaten für Krankheiten ansprechen. Früh, gezielt – und mit Handlungsempfehlungen. Denn die übernimmt sonst vielleicht auch – das Smartphone. App-Entwickler Frank Westermann:
"Das ist unser großes Ziel, dass wir dir dann sagen können: Hey, wir haben in deinen Daten entdeckt, dass du mittags immer zu hohen Blutzucker hast – spritz mehr Insulin! Das ist im Endeffekt auch die Macht, die in den Daten liegt: Dass du Therapietipps geben kannst."
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