Gestrickte Kunst

Von Dorothea Breit |
Bekannt wurde sie mit ihren Strickbilder, die bis heute ihr Markenzeichen sind. Seit den 1980er Jahren hat die 1952 in Schwerte geborene Künstlerin Rosemarie Trockel ein unverwechselbares Werk entwickelt, das sie international zu einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerinnen macht. Sie steht heute an Nr. 4 der Weltrangliste der höchst dotierten Künstler. Das Museum Ludwig in Köln zeigt das Werk Rosemarie Trockels erstmals in einer Einzelausstellung: Keine Retrospektive, aber ein Überblick über ihr 25-jähriges Schaffen.
Bis zur Eröffnung arbeitete Rosemarie Trockel am Aufbau ihrer neuesten Installation. Eine große Schwarz-Weiß-Fotografie des leeren Oberlandesgerichtssaals Köln: Ein Raum, in dem Entscheidungen getroffen werden, so die Künstlerin. Direkt vor der Fotografie steht ein schmaler Tisch, darauf montiert ein halb verstümmeltes Maschinenwesen: ein Roboter, der mit einem Schwamm in seiner Hand abwechselnd den Boden und einen in das Foto montierten Spiegel putzt.

'Menopause' lautet der ironische Titel der ersten Einzelausstellung Rosemarie Trockels im Museum Ludwig, abgeleitet von einem grauen Wollbild. Mit Maschinen gestrickten Wollbildern war die Künstlerin in den 1980er Jahren gegen eine damals fast ausschließlich männliche und von der Malerei der Jungen Wilden dominierte Kunstszene angetreten. Mit weiblich codierten Materialien wie Wolle und Tätigkeiten wie Stricken demonstrierte sie den Ausstieg aus dem Tafelbild. Doch hat ihr unverwechselbares Werk, das ironische, hoch komplexe und vielschichtige Spiel mit den Geschlechtern männlich, weiblich, oder mit den Gegensätzen von Kunst und Natur wenig mit Feminismus zu tun. Die Kuratorin der Ausstellung Barbara Engelbach:

" Gerade in Verbindung mit Kunst ist feministische Kunst ganz klar ein Begriff der 70er Jahre und auf eine Art mit einem Verständnis verbunden, das essentialistisch ist, und deswegen für mich auch sehr problematisch. Auch denke ich für die Künstlerin, die eher eine konzeptuelle Haltung und eine kritische Haltung dazu hat. Aber mit diesem Material Wolle, den Herdarbeiten wurde sie natürlich immer auf diesen Aspekt reduziert, damit identifiziert, und so ein bisschen war jetzt diese Ausstellung der Titel auch von ihr so eine Reaktion: Gut ich weiß ja, ich werde immer damit verbunden, mit diesen Wollbildern, also gebe ich dem Publikum, was es an Vorurteilen im Kopf hat, spitzt es aber nochmal zu und betitelt das auf eine Weise, daß es sozusagen als Provokation auch wirken kann."

Ein großer Ausstellungsraum ist den Wollbildern von 1983 bis heute gewidmet - in Petersburger Hängung, das heißt sehr dicht über- und nebeneinander. Die unterschiedlichsten Muster und Ornamente in Wolle gestrickt: Rauten, Wellen, Streifen in Blau auf grauem Grund, das Wollsiegel, Schriftzüge wie Made in Germany oder lapidar Cogito ergo sum, ein schwarzes Quadrat, blaue Segelschiffe einer Delfter Fayence, zufällige oder symmetrische Fleckengebilde, die auf die Tintenklecks-Tests von Rorschach verweisen. Allerdings bleiben die konzeptuellen Aufladungen, die Bezüge zu Kunstgeschichte oder Werken anderer Künstler den Betrachtern ohne kunsthistorische Kenntnisse und Lektüre der Katalogtexte verschlossen. Ebenso die Genese des monumentalen orange farbigen neuen, mit der Hand gestrickten und "Wasser" betitelten Bildwerks.

Zum Ideenlager und Reservoire des Werks gehören erstmals präsentierte Entwürfe gescheiterter oder noch nicht realisierter Buchprojekte, sowie zwei lange Wandregale aus quadratischen Kästen mit Objekten. Rosemarie Trockel hat sie nach dem Motto: "Alles was rein paßt" gefüllt, wie sie amüsiert gegenüber Vertrauten äußert. Zwei Gekreuzigte, ein gelber Stuhl aus Pappe, zottige Wollpuppen, eine in drei Kästen verteilt liegende weibliche Figur, Gipsköpfe und Perücken, ein Herd aus einer Puppenstube und der vielen mehr sind darin versammelt.

Die Mannigfaltigkeit des Werks aufzeigen, disparat, ohne abschließende Deutung, lautete die Vorgabe der Ausstellung. Doch droht die Gefahr der bloßen Anhäufung, des Sammelsuriums, wenn man in einer Ausstellung alles will. Barbara Engelbach:

" Wenn es auf einmal geschieht, ist es zu viel, wenn es kontinuierlich aus unterschiedlichen Perspektiven geschieht, ist es eine kolossale Leistung, und sie selbst, glaube ich, sieht den Begriff der Vielstimmigkeit, die in ihrem Werk ist, als etwas das etwas für Werk kennzeichnend ist. Das möchte sie sein, vielstimmig aus unterschiedlichsten Perspektiven: Gesellschaftlich, politisch, philosophisch, ästhetisch, kunsthistorisch, die Wirklichkeit und die Kunst einzufangen. "

Reflexiv, mäandernd greift Trockel zahlreiche Themenstränge immer wieder auf, um sie neu zusammenzuknüpfen. Die Fadenmetapher kulminiert in einem monumentalen massiven Wollvorhang vor einer Fensterfassade: Fünf Meter hoch, zehn Meter lang, 80 Zentimeter tief hängen naturfarbene dicke Teppichwollfäden von der Decke. Ungefähr die Hälfte des Vorhangs ist dunkelrot getränkt. Zwei drei kantige Einschnitte öffnen den Ausblick in Richtung Kölner Altstadt. Damit die Betrachter nun bei der roten Farbe nicht an Blut oder die Farbschüttungen von Arnulf Rainer denken, sind an drei Stellen kleine Bündel der naturfarbenen Wollfäden in große Teller drapiert und mit roter Farbe bekleckert. Man darf Spaghetti mit Tomatensoße assoziieren. Der Titel: "Yes – but". Ja, aber - ist das nun witzig oder boshaft? In einer neuen Serie von Collagen stößt man auf den Buchumschlag einer Künstlerbiografie mit demselben Titel "Yes, but". Armut in Mexiko, Nixon, Unterdrückung in den USA knüpfen daran, was nicht lustig ist. Aus dem Innersten der Bilder gewickelt und bislang unübertroffen humorvoll dagegen die animierten Woll-Videos.

Wollfäden, identisch auch mit Zeichenstrichen, tanzen Twist, hüpfen, springen, kringeln sich in Spiralen, Wollknäuel wickeln ab und wieder auf, ein blaues windet sich mäuseartig auf der weißen Bildschirmfläche. Die jüngeren Videos sind szenisch aufgebaut, Personen agieren, Jugendliche, Kinder, Strickkleider tragende Frauen, schweinsköpfige Zwitterwesen, ein Straßenkind. Ein bisschen viel ist das schon und es bleibt der Eindruck des Zusammengewürfelten. Auch wenn alles mit allem zusammenhängt.

Die Ausstellung ist vom 29. Oktober bis zum 22. Februar zu sehen.