Gestörtes Vertrauensverhältnis

Moderation: Liane von Billerbeck · 18.09.2007
Mit dem Vertrauen in Banken ist es derzeit nicht weither. So holten sich jüngst die Sparer von der englischen Bank Northern Rock ihr Geld zurück. "Wir sind in einer kritischen Lage", meint Finanzjournalist Leo Müller. Auch der sogenannte Einlagensicherungsfonds, der in Deutschland Privatanleger bei einer Krise schützen soll, biete nur begrenzte Sicherheiten.
Liane von Billerbeck: Am Telefon ist jetzt der Finanzjournalist Leo Müller. Er schreibt für das Magazin "Capital" vom Finanzplatz Zürich und hat sich als Rechercheur mit der Finanzkrise und ihren Auswirkungen befasst. Guten Tag, Herr Müller!

Leo Müller: Guten Morgen, Frau Billerbeck!

Billerbeck: Deutsche Privatanleger erhalten ihr Geld vollständig zurück, weil es hierzulande den Einlagensicherungsfonds gibt, so haben wir es eben gehört. Können wir also hier voller Vertrauen sein?

Müller: Nein, eigentlich nicht und das ist vielleicht eine schlechte Nachricht. Aber man muss ein bisschen genauer hinschauen. Der Einlagensicherungsfonds ist in den 70er Jahren nach der Herstatt-Pleite eingerichtet worden. 1974 standen damals wie bei Northern Rock die Kunden Schlange vor der Tür und wollten ihr Geld zurück. Devisenspekulanten hatten damals das Geld der Bank verjubelt und einen Schaden bei der Bank von etwa 500 Millionen DM verursacht. Dieser Einlagensicherungsfonds gilt nicht für alle Banken. Nicht alle Banken sind dem angeschlossen. Das ist ein freiwilliger Fonds des Bundesverbandes der Banken. Und es gibt ganz viele Institute, die dort nicht dazugehören. Und es ist auch nur so, dass dieser Einlagensicherungsfonds garantiert in Einzelausfällen bei Insolvenzen eines einzelnen Institutes, aber nicht bei einer kompletten Bankenkrise, einer systemischen Krise, wie es Ackermann bezeichnet. Und es werden auch nur die Spareinlagen gesichert, das heißt also, das, was ich sichtbar auf dem Konto habe, Geldanlagen, aber Wertpapiere werden einfach zurückgegeben in diesem Fall. Die gehören dem Kunden, und wenn sie Verluste erlitten haben, dann bekommt er sie eben so zurück mit dem Wert, den sie nun einmal haben. Alles andere wird gesichert in Deutschland über eine gesetzliche Entschädigung, und die zahlt maximal 20.000 Euro.

Billerbeck: 2 Milliarden Pfund, also das sind umgerechnet 2,9 Milliarden Euro. Haben die Sparer und Anleger von der britischen Bank Northern Rock abgehoben und sie tun es ja weiter. Was würde denn passieren, wenn das Kunden bei einer hiesigen Bank täten?

Müller: Also wenn das bei einer kleineren Bank passieren würde, würde das erst einmal heißen, dass das Geld erst einmal in das Bankhaus her muss, um es auszubezahlen. Es müssten erst einmal ein paar Lkws mit Barem angefahren werden. Das heißt, die Bank muss sich dieses Geld bestellen. Sie braucht jemanden, der ihr das Geld bringt, und dafür muss sie nachweisen, dass sie genügend Sicherheit hat, damit sie dieses Geld bekommt. Beim Beispiel Northern Rock wissen wir, dass die Bank of England, also die britische Notenbank, ihren Notfallkredit gegeben hat unbeschränkt, um diese kritische Situation, weil sie über das einzelne Institut hinaus sehr sensibel geworden ist, für den gesamten Markt zu stützen. Wenn das einzelne Institut aber nicht genügend Eigenkapital hat, das kann sehr schnell passieren bei diesen Summen, zum Beispiel, wenn wir über diese Sachsen LB gesprochen haben, da haben wir ein Eigenkapital von nur 1 Milliarde Euro, dann hat die Bank nicht mehr genug Geld, um solchen Forderungen zu genügen. Das würde bedeuten, dass dann dieser Einlagensicherungsfonds zum Beispiel oder andere Entschädigungsvarianten eintreten müssten.

Billerbeck: Der Chef der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, der hat vor wenigen Tagen den beruhigenden Satz gesagt: "Den deutschen Banken geht es gut." Mich erinnerte das so ein bisschen an den berühmten Satz von Norbert Blüm: "Die Renten sind sicher", der bekanntlich haarscharf an der Wahrheit vorbeigeschrammt ist. Wie gut geht es denn den deutschen Banken tatsächlich?

Müller: Das wissen wir ja alle nicht so genau. Und die Banken wissen das auch nicht, sonst würden sie sich untereinander ja ganz einfach und unkompliziert Kredite gewähren. Weil sie das nicht tun und weil sie Angst … und dieses Angsthaben, dieses Vertrauen gegeneinander nicht mehr richtig existiert, deswegen haben wir im Moment diese Nervosität auf den Finanzmärkten. Also, man muss es einfach einmal als eine freundliche, sympathische Aussage von Herrn Weber nehmen, dass er versucht, die Menschen und die Märkte zu beruhigen. Das ist auch seine Aufgabe. Das ist auch gut so, dass er das macht. Aber trotzdem dürfen wir uns nicht täuschen. Wir müssen sehen, dass wir in einer kritischen Lage sind.

Billerbeck: Das ist also mehr Psychologie als Wahrheit, schließe ich daraus.

Müller: So ist es. Und das ist aber auch seine Aufgabe.

Billerbeck: Deutsche Sparer und Anleger, so wird uns versichert, müssen sich um ihr Geld keine Sorgen machen. Das mag ja sein, aber wenn die Notenbanken des Öfteren den Banken aushelfen müssen, und Sie haben es ja auch am Anfang geschildert, wie das mit dieser Sicherheit ist, dann muss das Geld für diese Kredite ja irgendwo herkommen. Woher kommt es und wer muss dafür bezahlen?

Müller: Die Notenbanken haben ja Sicherheiten. Dafür sind sie da. Sie haben Goldbestände letztendlich. Sie sind ja auch eingerichtet, um große Krisen zu bewältigen. Das können sie sicherlich in einem robusten Maße tun. Aber sie können nicht das Vertrauen der Menschen wiederherstellen. Wenn es zu einer großen wirtschaftlichen oder Bankenkrise käme, würde das natürlich bedeuten, dass nicht nur vor einer Bank die Menschen Schlange stehen, sondern vor vielen, und dass die große Angst umgeht. Wenn es zu einer solchen Situation kommt, die niemand haben möchte und niemand im Moment konkret erwartet, dann wären natürlich auch die Notenbanken schon in einer kritischen Situation.

Billerbeck: Sie haben es schon mehrfach so angedeutet, aber trotzdem noch einmal die Frage: Wissen eigentlich Experten, wie Sie und andere inzwischen, ob das eine Finanzkrise ist, die wir gerade haben, oder schon eine Katastrophe?

Müller: Nein. Also vor einem Jahr etwa wurde sehr viel darüber diskutiert, ob es nun aufgrund der Probleme, die man schon erkennen konnte, dass sie kommen werden bei den Hypothekarmärkten, bei diesen Banken, die diese Billighypotheken ausgegeben haben, also ob es aufgrund dieser Probleme und anderer konjunkturellen Risiken zu einer sogenannten sanften Landung kommen sollte an den Börsenmärkten. Damit war so ein bisschen die Hoffnung verbunden, dass es nicht so heftig kracht, wenn die Kurse stürzen, und dass es nicht zu schlimmen Folgen auch für die Konjunktur kommt. Wir wissen das natürlich alle immer noch nicht, und wir können nur spekulieren. Wir können erkennen, welche Dinge passieren, und wir sehen, dass natürlich das Vertrauen der Menschen und auch der Institutionen, der Unternehmen, der Banken in das System im Moment schwindet. Das ist natürlich eine gefährliche Situation.

Billerbeck: Was können die Banken tun, um das Vertrauen ihrer Kunden zurückzugewinnen?

Müller: Sie können versuchen, mit reden die Menschen zu beruhigen. Ansonsten müssen sie versuchen, untereinander zunächst einmal die Probleme zu klären, indem sie in ihre Taschen greifen und schauen, dass sie dort, wo sie Zahlungsschwierigkeiten haben, diese bedienen. Das Nächste, was wir tun müssen, ist, dass wir sehr genau analysieren und untersuchen müssen, warum es zu solchen Krisen, zum Beispiel mit den Hypothekargeschäften, kommt, damit das nicht noch einmal passiert.

Billerbeck: Über das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen den Banken und ihren Kunden und untereinander sprachen wir mit dem Finanzjournalisten Leo Müller in Zürich. Ich danke Ihnen!

Müller: Dankeschön.
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