Gespräche mit Gott
Die Benediktinerinnen der Abtei Burg Dinklage haben ein Tor zu ihrer Gebetswelt geöffnet und ein Buch herausgegeben. "Meine Hoffnung Gott anvertrauen" – ein Buch von 27 Nonnen und einem – männlichen Fotografen. Darin geben die Nonnen Tipps zum Beten.
Schwester Ulrike: "Die Fremdheit unseres Lebens wird größer – also die Schere geht immer weiter auseinander, das was Menschen normal gesellschaftlich leben, ist weit weg von dem, was wir hier leben."
Jürgen Christ: "Ich bin mit ganz vielen Vorurteilen an die Sache ran. Eine unheimliche Steifheit, unheimliche Trockenheit, 'ne Kargheit – einfach so eine Schwarzweiß-Welt hatte ich vor Augen gehabt, und was da dann war, war Farbe pur."
Der Fotograf Jürgen Christ kam als Fremder, als Außenstehender ins Kloster. Er kam, um die Fotos für die Gebetesammlung zu machen, die von den Schwestern der Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage gerade fertiggestellt worden war. So wie ihm geht es vielen. Sie betreten mit einem Anliegen oder einfach aus Neugier einen Raum, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Und dieser Raum ist bevölkert von 27 Frauen, die keinesfalls stillstehen.
Jürgen Christ: "Optisch war es schon eine Reise in ein altes Gemäuer, eine alte Burganlage im Wasser, sehr idyllisch, also das ist wirklich so das Paradies, die Ruhe ist da auch sehr wohltuend, man wird sofort eingenommen, und die Schwestern beleben das eigentlich durch ihre klare, brillante Art, das ist eine wunderbare Symbiose."
Die Sammlung von Gebeten ist sehr persönlicher Art. Jede Schwester hat sich einen Psalm, einen liturgischen oder literarischen Text, eine Passage aus der Bibel – oder auch ein Bild ausgesucht – und ihre Gedanken dazu niedergeschrieben. Es gab keine Absprache oder formalen Vorgaben. Die einen schreiben kurz, sachlich und ohne Umschweife, andere ausführlich, mal innig, mal witzig, mal stilsicher und eloquent.
"Psalm 23
Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen, und führt mich zum Ruheplatz am Wasser/
Dieser Psalm ist einer meiner Lieblingspsalmen, weil er das Wesentliche meines Lebens aussagt. Jeder Vers trifft meine Situation; dies ist mein Psalm!"
Das Tor in den Klosterbereich wird jedem geöffnet, der Stille oder Rat oder einen Raum zum Beten sucht. Mit dem Buch "Meine Hoffnung Gott anvertrauen" wollten die Schwestern eine Tür öffnen, die den Gast noch tiefer mit hineinnimmt in die betende Gemeinschaft – sagen Schwester Scholastika, Schwester Ulrike und die Äbtissin des Klosters, Mutter Franziska. Denn – das wird der Leser schnell merken – auch Klosterschwestern sind keineswegs Heilige. Sie haben Zweifel und Fragen wie jeder Mensch.
Mutter Franziska: "Wenn der Leser das eigene Leben reflektieren kann bzw. ehrlich anschauen kann: Ja, bei mir ist das auch so, dass ich Heimatlosigkeit erlebe, dass mein Alltag mühsam ist, dass ich es trotzdem mit Gott verknüpfen kann – dann ist mit dem Buch sehr viel gewonnen."
"Wir öffnen ein wenig unseren Gebetsraum – dass es nicht darum geht, irgendetwas fertig hinzustellen: So ist es. Sondern es wird ein Raum geöffnet, den man betreten kann, in dem man auch Orientierung finden kann."
"Psalm 27
Du Gott, der du mir Hilfe bist, verstoße mich nicht, verlasse mich nimmer, Du Gott meines Heiles!
Ja, mögen mich auch Vater und Mutter verlassen – Er holt mich heim.
Heimweh hatte ich nie, auch Heimatgefühle sind mir fremd. Das große Wort Heimat ist mir immer ein Rätsel geblieben. Es blieb immer eine Spur von Fremdheit, von unbeheimatet sein. Aber im Kloster – sollte man meinen! - das ist nun endlich der Ort, der mir zur Heimat wird. Leider nein, wieder nichts. Eines Abends in der Einsamkeit meins Zimmers suche ich Trost in meinem Lieblingspsalm 27, nehme die Übersetzung von Martin Buber dazu. Und dann dieser Satz: Er holt mich heim. Ich stutze. Lese ihn, sage ihn vor mich hin, wieder und wieder, immer wieder: Er holt mich heim. Er holt mich heim. Er holt mich heim. Er holt mich heim."
Schwester Ulrike: "Also, wenn eine Schwester den Psalm 27 spricht, dann kann ich hier im Grunde sehen, was da an emotionaler Basis drunterliegt, was für Gedanken ihr kommen, wenn sie den Text hört – also im Grunde ist das eine Ebene unterhalb der im Gottesdienst hörbaren und sichtbaren Ebene."
Schwester Scholastika: "Zu Psalm 27 haben sich zwei Schwestern darüber Gedanken gemacht, die eine hat über drei Seiten oder vier Seiten geschrieben, was sie bewegt, die andere hat ein modernes Gedicht dazu gesetzt und das quasi als Interpretation gegeben – da sieht man sehr deutlich die Unterschiedlichkeit der Ansätze."
Die begleitenden Meditationen der Schwestern sind sehr persönlich, ihre Herkunft bleibt allerdings anonym – nicht nur für den Leser, sondern auch für die Mitschwestern. Diskretion ist den Ordensfrauen wichtig. Aber – wie gesagt – auch sie sind Menschen.
Mutter Franziska: "Natürlich ist es klar, dass wir untereinander denken: Oh, das könnte von der Schwester sein oder jenes von dieser Schwester sein, aber im Letzten wissen wir es nicht."
Schwester Ulrike: "Es geht nicht um die Autorin, sondern es geht darum, dass der Text zum Leser, zur Leserin spricht, also dass sie oder er durch den Text selber inspiriert wird, ins Gebet zu kommen."
Mutter Franziska: "Und es war wirklich so, dass alle mitmachen wollten, von Anfang an, es war nicht so, dass eine gesagt hätte: Das kann ich nicht, das möchte ich nicht, sondern alle waren nicht nur bereit, sondern sehr interessiert, mitzuschreiben. Von der 93- bis zur 27-jährigen alle."
"Mach mein Gesicht frei, mach mich schön.
Wer mich entlarvt hat, wird mich finden
Ich hab Gesichter, mehr als zwei
Augen, die tasten vor dem Blinden
Herzen aus Angst, die vor Angst vergehn
Leg mein Gesicht frei, mach mich schön. ..."
(von Huub Oosterhuis)
"Dieses Gebet ist für mich Ausdruck meiner Sehnsucht, authentisch zu sein: Mit der Schönheit gesegnet zu sein, die von innen kommt. Es ist ein Gebet, das mir Mut macht, mich mit all dem, was mir unsympathisch ist an mir, aus auseinanderzusetzen und mich damit vor Gott zu stellen."
Das Interesse am klösterlichen Leben und an den Möglichkeiten, daran teilzunehmen, ist gewachsen. Die Klosterfrauen in Dinklage begegnen Jahr für Jahr mehr als 1000 Menschen, die Exerzitien machen oder einfach zur Ruhe kommen wollen.
Schwester Ulrike: "Es gibt ein Lied von einer ganz modernen Gruppe, das heißt: 'Gib mir irgendwas, was bleibt'. 'Die Welt ist so schnell..'" und irgend sowas – irgendwas, was bleibt – und ich glaube, dass diese Sehnsucht auch das ist, was Menschen halt ans Kloster heranführt."
Aber die Welt kommt auch zu den Schwestern. Moderne Techniken und Kommunikationsmittel gehören in ihren Alltag. Auch das kann der Leser in dem Buch entdecken. Eine Schwester erzählt darin, wie sie im Umgang mit dem Internet die Spreu vom Weizen zu trennen versucht, um das Wesentliche bei all den fremden Göttern nicht aus den Augen zu verlieren. Und denkt dabei an Psalm 16.
"Viele Schmerzen leidet, wer fremden Göttern folgt. Ich will ihnen nicht opfern, ich nehme ihre Namen nicht auf die Lippen."
Schwester Ulrike: "Ein Gast, der häufiger mal kommt, erzählte, dass er seinen Computer so programmiert hat, dass mittags um 12 immer ein Bild der Burg Dinklage erscheint. Und dann sagt er: Das ist für mich automatisch ein Impuls, wenn ich noch so im Stress bin und vielleicht gar nicht mitbeten kann, aber alleine dieses: Jetzt beten die Schwestern – heißt, dass er ein Stück mit hier drin ist."
"Meine Hoffnung Gott anvertrauen"
Persönliches Beten mit den Benediktinerinnen auf Burg Dinklage
Aschendorf Verlag, Münster 2009
Preis: Euro 14,80
Jürgen Christ: "Ich bin mit ganz vielen Vorurteilen an die Sache ran. Eine unheimliche Steifheit, unheimliche Trockenheit, 'ne Kargheit – einfach so eine Schwarzweiß-Welt hatte ich vor Augen gehabt, und was da dann war, war Farbe pur."
Der Fotograf Jürgen Christ kam als Fremder, als Außenstehender ins Kloster. Er kam, um die Fotos für die Gebetesammlung zu machen, die von den Schwestern der Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage gerade fertiggestellt worden war. So wie ihm geht es vielen. Sie betreten mit einem Anliegen oder einfach aus Neugier einen Raum, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Und dieser Raum ist bevölkert von 27 Frauen, die keinesfalls stillstehen.
Jürgen Christ: "Optisch war es schon eine Reise in ein altes Gemäuer, eine alte Burganlage im Wasser, sehr idyllisch, also das ist wirklich so das Paradies, die Ruhe ist da auch sehr wohltuend, man wird sofort eingenommen, und die Schwestern beleben das eigentlich durch ihre klare, brillante Art, das ist eine wunderbare Symbiose."
Die Sammlung von Gebeten ist sehr persönlicher Art. Jede Schwester hat sich einen Psalm, einen liturgischen oder literarischen Text, eine Passage aus der Bibel – oder auch ein Bild ausgesucht – und ihre Gedanken dazu niedergeschrieben. Es gab keine Absprache oder formalen Vorgaben. Die einen schreiben kurz, sachlich und ohne Umschweife, andere ausführlich, mal innig, mal witzig, mal stilsicher und eloquent.
"Psalm 23
Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen, und führt mich zum Ruheplatz am Wasser/
Dieser Psalm ist einer meiner Lieblingspsalmen, weil er das Wesentliche meines Lebens aussagt. Jeder Vers trifft meine Situation; dies ist mein Psalm!"
Das Tor in den Klosterbereich wird jedem geöffnet, der Stille oder Rat oder einen Raum zum Beten sucht. Mit dem Buch "Meine Hoffnung Gott anvertrauen" wollten die Schwestern eine Tür öffnen, die den Gast noch tiefer mit hineinnimmt in die betende Gemeinschaft – sagen Schwester Scholastika, Schwester Ulrike und die Äbtissin des Klosters, Mutter Franziska. Denn – das wird der Leser schnell merken – auch Klosterschwestern sind keineswegs Heilige. Sie haben Zweifel und Fragen wie jeder Mensch.
Mutter Franziska: "Wenn der Leser das eigene Leben reflektieren kann bzw. ehrlich anschauen kann: Ja, bei mir ist das auch so, dass ich Heimatlosigkeit erlebe, dass mein Alltag mühsam ist, dass ich es trotzdem mit Gott verknüpfen kann – dann ist mit dem Buch sehr viel gewonnen."
"Wir öffnen ein wenig unseren Gebetsraum – dass es nicht darum geht, irgendetwas fertig hinzustellen: So ist es. Sondern es wird ein Raum geöffnet, den man betreten kann, in dem man auch Orientierung finden kann."
"Psalm 27
Du Gott, der du mir Hilfe bist, verstoße mich nicht, verlasse mich nimmer, Du Gott meines Heiles!
Ja, mögen mich auch Vater und Mutter verlassen – Er holt mich heim.
Heimweh hatte ich nie, auch Heimatgefühle sind mir fremd. Das große Wort Heimat ist mir immer ein Rätsel geblieben. Es blieb immer eine Spur von Fremdheit, von unbeheimatet sein. Aber im Kloster – sollte man meinen! - das ist nun endlich der Ort, der mir zur Heimat wird. Leider nein, wieder nichts. Eines Abends in der Einsamkeit meins Zimmers suche ich Trost in meinem Lieblingspsalm 27, nehme die Übersetzung von Martin Buber dazu. Und dann dieser Satz: Er holt mich heim. Ich stutze. Lese ihn, sage ihn vor mich hin, wieder und wieder, immer wieder: Er holt mich heim. Er holt mich heim. Er holt mich heim. Er holt mich heim."
Schwester Ulrike: "Also, wenn eine Schwester den Psalm 27 spricht, dann kann ich hier im Grunde sehen, was da an emotionaler Basis drunterliegt, was für Gedanken ihr kommen, wenn sie den Text hört – also im Grunde ist das eine Ebene unterhalb der im Gottesdienst hörbaren und sichtbaren Ebene."
Schwester Scholastika: "Zu Psalm 27 haben sich zwei Schwestern darüber Gedanken gemacht, die eine hat über drei Seiten oder vier Seiten geschrieben, was sie bewegt, die andere hat ein modernes Gedicht dazu gesetzt und das quasi als Interpretation gegeben – da sieht man sehr deutlich die Unterschiedlichkeit der Ansätze."
Die begleitenden Meditationen der Schwestern sind sehr persönlich, ihre Herkunft bleibt allerdings anonym – nicht nur für den Leser, sondern auch für die Mitschwestern. Diskretion ist den Ordensfrauen wichtig. Aber – wie gesagt – auch sie sind Menschen.
Mutter Franziska: "Natürlich ist es klar, dass wir untereinander denken: Oh, das könnte von der Schwester sein oder jenes von dieser Schwester sein, aber im Letzten wissen wir es nicht."
Schwester Ulrike: "Es geht nicht um die Autorin, sondern es geht darum, dass der Text zum Leser, zur Leserin spricht, also dass sie oder er durch den Text selber inspiriert wird, ins Gebet zu kommen."
Mutter Franziska: "Und es war wirklich so, dass alle mitmachen wollten, von Anfang an, es war nicht so, dass eine gesagt hätte: Das kann ich nicht, das möchte ich nicht, sondern alle waren nicht nur bereit, sondern sehr interessiert, mitzuschreiben. Von der 93- bis zur 27-jährigen alle."
"Mach mein Gesicht frei, mach mich schön.
Wer mich entlarvt hat, wird mich finden
Ich hab Gesichter, mehr als zwei
Augen, die tasten vor dem Blinden
Herzen aus Angst, die vor Angst vergehn
Leg mein Gesicht frei, mach mich schön. ..."
(von Huub Oosterhuis)
"Dieses Gebet ist für mich Ausdruck meiner Sehnsucht, authentisch zu sein: Mit der Schönheit gesegnet zu sein, die von innen kommt. Es ist ein Gebet, das mir Mut macht, mich mit all dem, was mir unsympathisch ist an mir, aus auseinanderzusetzen und mich damit vor Gott zu stellen."
Das Interesse am klösterlichen Leben und an den Möglichkeiten, daran teilzunehmen, ist gewachsen. Die Klosterfrauen in Dinklage begegnen Jahr für Jahr mehr als 1000 Menschen, die Exerzitien machen oder einfach zur Ruhe kommen wollen.
Schwester Ulrike: "Es gibt ein Lied von einer ganz modernen Gruppe, das heißt: 'Gib mir irgendwas, was bleibt'. 'Die Welt ist so schnell..'" und irgend sowas – irgendwas, was bleibt – und ich glaube, dass diese Sehnsucht auch das ist, was Menschen halt ans Kloster heranführt."
Aber die Welt kommt auch zu den Schwestern. Moderne Techniken und Kommunikationsmittel gehören in ihren Alltag. Auch das kann der Leser in dem Buch entdecken. Eine Schwester erzählt darin, wie sie im Umgang mit dem Internet die Spreu vom Weizen zu trennen versucht, um das Wesentliche bei all den fremden Göttern nicht aus den Augen zu verlieren. Und denkt dabei an Psalm 16.
"Viele Schmerzen leidet, wer fremden Göttern folgt. Ich will ihnen nicht opfern, ich nehme ihre Namen nicht auf die Lippen."
Schwester Ulrike: "Ein Gast, der häufiger mal kommt, erzählte, dass er seinen Computer so programmiert hat, dass mittags um 12 immer ein Bild der Burg Dinklage erscheint. Und dann sagt er: Das ist für mich automatisch ein Impuls, wenn ich noch so im Stress bin und vielleicht gar nicht mitbeten kann, aber alleine dieses: Jetzt beten die Schwestern – heißt, dass er ein Stück mit hier drin ist."
"Meine Hoffnung Gott anvertrauen"
Persönliches Beten mit den Benediktinerinnen auf Burg Dinklage
Aschendorf Verlag, Münster 2009
Preis: Euro 14,80