Gespräch und Musik

Begegnungen mit Helmut Lachenmann

Der Komponist Helmut Lachenmann (l.) und der Musikredakteur Rainer Pöllmann.
Der Komponist Helmut Lachenmann (l.) mit dem Musikredakteur Rainer Pöllmann. © privat
16.07.2014
Helmut Lachenmann, geboren 1935 in Stuttgart, ist einer der berühmtesten und wirkungsmächtigsten Komponisten der Gegenwart, der unsere Hörgewohnheiten und unser Denken über Musik grundlegend verändert hat. In sieben Folgen spricht Lachenmann über seine künstlerische Entwicklung, seine Ästhetik und seine Erlebnisse mit Musikern und Institutionen.
Ein Komponist, der seit fast 50 Jahren mit seiner differenzierten Klangwelt und seinem konsequent die Gesellschaft herausfordernden Kunstbegriff Vorbild und Herausforderung für Generationen von Komponisten und Kunstschaffenden ist.
Sein Werk steht im Kontext abendländischer Musiktradition, die aber einer kritischen Reflexion unterworfen wird. Mit seiner Musik und seinen theoretischen Texten hat Helmut Lachenmann unsere Art des Hörens verändert, mehr noch: unser ganzes Denken über Musik. Und nicht zuletzt ist er auch ein scharfer und hellsichtiger Beobachter der politischen Verhältnisse, ein unerbittlicher Kämpfer die Freiheit der Kunst von inneren und äußeren Zwängen, gegen ihre Vereinnahmung und Funktionalisierung.
Anfangs angefeindet, heute verehrt
In den 1970er-Jahren noch heftig angefeindet, ist Lachenmann seit vielen Jahren schon ein weithin verehrter Künstler, zu dessen 80. Geburtstag im nächsten Jahr zahlreiche Veranstaltungen geplant werden. In sieben Folgen der Gesprächsreihe "Begegnungen" spricht Helmut Lachenmann mit Rainer Pöllmann über seine künstlerische Entwicklung, seine Ästhetik und seine Erlebnisse mit Musikern und Institutionen.
"Geboren in Stuttgart, Pfarrhaus, viele Geschwister, viele Anregungen, viel Musik. Krieg, Nachkriegszeit, Klavierstunden, Knabenchor, Komponieren, Gymnasium, Bücher, Partituren, Abitur und Beginn des Musikstudiums." So lakonisch fasste Helmut Lachenmann 1975 seine frühen Jahre zusammen. In der ersten Folge der "Begegnungen" schildert er ausführlich seine Kindheit in einem schwäbischen Pfarrhaus während des Nationalsozialismus, erste Erfahrungen der Verführbarkeit durch Musik (im Positiven wie im Negativen), frühen Kompositionsunterricht bei Helmut Degen. Ab 1955 studiert er an der Stuttgarter Musikhochschule, Klavier bei Jürgen Uhde, Theorie und Kontrapunkt bei Johann Nepomuk David. Im gleichen Jahr entsteht das erste seiner heute für gültig erachteten Werke, "Fünf Variationen über ein Thema von Schubert" für Klavier.
Angezogen von der zeitgenössischen Avantgarde
Schnell allerdings werden die Zentren der zeitgenössischen Avantgarde – die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik und die Donaueschinger Musiktage – für den jungen Komponisten wichtiger als sein konservativer akademischer Lehrer. Protagonisten dieser radikalen Avantgarde sind Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez und Luigi Nono, die Kompositionsmethode der Zeit ist der Serialismus, eine strenge Ordnung der Töne, die nicht nur die Tonhöhen, sondern auch die Dauern, die Lautstärken und andere Faktoren systematisch zu behandeln versucht.
Als junger Student erlebt Lachenmann in Darmstadt und Donaueschingen die Protagonisten der Avantgarde wie Stockhausen, Boulez, Nono und Cage, aber auch Theoretiker wie Theodor W. Adorno und Heinz-Klaus Metzger – und er nimmt Anteil an den teilweise leidenschaftlichen ästhetischen Debatten jener Jahre. Sein Besucher der Darmstädter Ferienkurse 1957 wird zu einem einschneidenden Erlebnis für seine weitere künstlerische Entwicklung.
"Begegnungen mit dem Komponisten Helmut Lachenmann"
Eine Sendung in sieben Teilen von Rainer Pöllmann
Teil 1: Kindheit und Jugend, Studium, erste Werke, Donaueschingen und Darmstadt (1935 bis 1957).
Mit Ausschnitten aus folgenden Werken:
Max Reger
Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart
Radio-Symphonie-Orchester Stuttgart
Leitung: Carl Schuricht
(Aufnahme von 1950)
Alban Berg
Konzert für Violine und Orchester „Dem Andenken eines Engels"
Max Rostal, Violine
BBC Symphony Orchestra
Leitung: Hermann Scherchen
(Aufnahme von 1953)
Christian Wolff
"For Piano II"
John Cage und David Tudor, Klavier
(Donaueschinger Musiktage 1954)
Helmut Lachenmann
Fünf Variationen über ein Thema von Franz Schubert für Klavier
Lars Vogt, Klavier
Karlheinz Stockhausen
"Gruppen" für drei Orchester
Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester
Leitung: Karlheinz Stockhausen, Bruno Maderna, Michael Gielen
Luigi Nono
"Il canto sospeso" für Sopran, Alt, Tenor, gemischten Chor und Orchester
Ilse Hollweg (Sopran)
Niederländischer Rundfunkchor
Concertgebouw Orkest Amsterdam
Leitung: Pierre Boulez
Die zweite Folge der Begegnungen mit Helmut Lachenmann senden wir am 23. Juli 2014 um 20:03 Uhr. Im Zentrum steht dann das Studium bei Luigi Nono in Venedig und die wechselvolle Beziehung zu dem italienischen Komponisten, bis zu dessen Tod 1990.