Gesichter und Geschichten

Von Kim Kindermann · 02.11.2007
Potsdam und Babelsberg., zwei Orte, die Filmgeschichte geschrieben haben und für die Namen wie Marlene Dietrich, Heinz Rühmann, Manfred Krug und Katrin Saß stehen. Und diese Geschichte kann man nach- und miterleben: im Filmmuseum Potsdam, das bereits zu DDR Zeiten 1981 gegründet wurde.
Gesichter einer Filmstadt. Im Filmmuseum Potsdam findet man sie. Oft auch die weniger bekannten Gesichter und Geschichten dieser Filmmetropole, die 1912 ihren Anfang nahm, als der Kameramann Guido Seeber ein Filmstudio in einer leerstehenden Fabrikhalle in Babelsberg gründete.

Ab 1922 bestimmte 23 Jahre lang die Ufa, die Universum Film AG, die Geschicke in Babelsberg, dann folgten fast 50 Jahre DEFA. 50 Jahre, die auch im Fokus der Dauerausstellung des Museums stehen. Eine Ausstellung, die oft auch aufräumt mit Klischees. Etwa dem, dass in Babelsberg ausschließlich Unterhaltungs- und Propagandafilme produziert wurden. Stimmt nicht, sagt eine, die es wissen muss:

"Beides ist unwahr!"

Dr. Bärbel Dalichow. Seit 1990 ist sie die Direktorin des Filmmuseums.

"Natürlich wurde auch Figaros Hochzeit bei der DEFA verfilmt oder Literaturfilme etc. Natürlich gab es diese Indianerfilme und vieles mehr. Und dazwischen gen es auch Propagandafilme und die werden hier überhaupt nicht ausgespart. Und es gab auch Filme, die verboten waren usw. Und über die Vielfalt, die unglaubliche Vielfalt der 50 Jahre DEFA kann man sich hier gut ins Bild setzten. Und der Eingangsbereich ist natürlich der Ufa gewidmet."

Hunderte Filmausschnitte - "Jakob, der Lügner", "Solo für Sunny", "Ich war erst 19", "Lotte in Weimar" - um die bekanntesten zu nennen. Fotos, Drehbücher, Kostüme, Requisiten und technische Geräte erzählen von dieser tatsächlich überaus abwechslungsreichen Geschichte.

Man kann die mit Bemerkungen versehenen Drehbücher sowie die mitunter persönlichen Briefe der Stars und Sternchen lesen. Extraklasse der Brief von Manfred Krug, der seiner 1 Meter 90 wegen um größere Filmkostüme bietet.

Oder aber man hört sich Zuschauermeinungen an. Hier zum Film "Der geteilte Himmel".

Man kann aber auch einfach die mitunter abstrusen Requisiten, die sich hier finden, bestaunten.

"Wenn sie den roten Kasten 1968 öffnen, dann finden sie darin nicht etwa die Studentenbewegung, sondern ein Skalp und wem gehört diese wunderbare Perücke dem Chefindianer der DDR. In der DDR wurden nämlich auch Western gedreht, da waren die Indianer natürlich die gute. Die sind ärmer, traditioneller, da konnten sich die DDR Bürger vollständig identifizieren."

Vieles findet sich hier nach Jahreszahlen sortiert dicht nebeneinander, auf engem Raum, denn groß ist dieses Filmmuseum wahrlich nicht. Auch wenn es von außen riesig wirkt. Doch der Eindruck des zweistöckigen Barockgebäudes täuscht: Die Ausstellungsräume sind pro Etage gerade mal 400 Quadratmeter groß. Unten findet sich die Dauerausstellung zur Geschichte der Babelsberger Filmstudios mitsamt einer Wechselausstellung, momentan sind Filmkostüme des Ufa-Stars Jenny Jugo zu sehen. Im oberen Stockwerk gibt eine Mitmach-Märchenausstellung für Kinder: Wolfskostüm, Himmelbett und Thron inklusive.

Das Herzstück des Museums ist der blau-samtenen Kinosaal, in dem zweimal täglich Filme vorgeführt werden. Und in dem auch die über 80 Jahre alte, original Welte-Kinoorgel steht. Eine Orgel, die zur Geräusch- und Instrumentenbegleitung von Stummfilmen eingesetzt wurde.

"An einer Kinoorgel ist besonders, dass sie neben den üblichen Registern auch noch verschiedene Realtöne imitieren kann, also Vogelzwitschern, das Schnaufen einer Lokomotive, ganz grauselige Trommeln und so was alles."

Ein volles Programm also, das einen rundum Einblick in Sachen Film gewährt. Gelungen. Besonders einfallsreich ist auch die Gestaltung des Filmmuseums. Denn um mehr Platz zu bekommen, durchziehen rot-schwarze Stellwände das untere Stockwerk. Stellwände, in denen kleine Schubladen Extra-Ausstellungsplatz schaffen und zum Stöbern einladen.

"Unterhaltung, Tiefsinn, grauenhaften Zeuges bis Brutalitäten alles ist dabei."

So auch das Lieblingsausstellungsstück der Direktorin. Ein T-Shirt mit Charles Bukowski Aufdruck aus dem Film "Die Entfernung zwischen dir, mir und ihr".

"Wenn die Bestimmer gewusst hätten, wer auf dem, T-Shirt ist und welche Art Lyrik der Mann macht, dann wäre die ganze Szene der Schere zum Opfer gefallen. Es hat aber keiner bemerkt. Und der Regisseur war natürlich stolz wie ein Spanier, dass er das geschafft hat."

Es sind Details wie dieses, die das Filmmuseum Potsdam so besuchenswert machen. Zeigen doch gerade sie: Babelsberg ist eine Klasse für sich. Auch heute noch!