Geschichtsfilm als Konfektionsware

Einen Film von Guido Knopp erkennt man an einem immer gleichen Muster. Interviewclips mit Zeitzeugen sollen Authentizität vermitteln. Seine Methode wirkt im Fernsehen stilbildend.
"Die Wehrmacht: 17 Millionen Männer unter Waffen. Eine Armee, die Europa angreift. Junge Männer in Uniform, gedrillt und an die Front geschickt. Jeder Dritte wird es nicht überleben. Was für eine Armee war das?"

Einen Film von Guido Knopp erkennt man relativ schnell an folgendem, immer gleichen Muster: Fast der gesamte Film ist mit treibender Musik unterlegt, ein Sprecher erzählt mit sonorer Stimme und kurze Interviewclips mit Zeitzeugen oder Historikern sollen Authentizität vermitteln. In vielen Filmen gibt es auch sogenannte Re-enactments: nachgespielte Szenen, in denen man nur die Hinterköpfe oder Hände und Füße sieht – Szenen, die die historischen Ereignisse visuell verständlich machen sollen. Kaum ein Thema hat Guido Knopp und die Redaktion Zeitgeschichte im ZDF so umgetrieben wie die NS-Zeit, so hat man etwa Hitlers Helfern gleich zwei Staffeln gewidmet, darunter auch Rudolf Heß:

"10. Mai '41: 500 deutsche Bomber starten zu schwersten Angriff gegen London. Ein verzweifelter Versuch, England in die Knie zu zwingen. Am selben Abend startet in Augsburg eine einzelne Maschine in die gleiche Richtung, der Pilot will die Entscheidung auf seine Weise herbeiführen, es ist sein letzter Tag in Freiheit."

Vor allem in den Neunzigerjahren produzierte das ZDF NS-Dokumentationen im Fließbandverfahren, die Liste der damals entstandenen Filmreihen scheint endlos: "Hitler – Eine Bilanz", "Hitlers Krieger", "Hitlers Frauen" usw. Kritiker bescheinigten Knopp damals eine übertriebene Beschäftigung mit dem Thema – und seine Darstellungsweise, sich auf einzelne Personen der Zeitgeschichte zu beziehen, sei zu oberflächlich. Manche Historiker, wie der in den USA lehrende Professor Wulf Kansteiner, sprechen sogar von "Geschichtspornografie".

Knopp hat sich in den vergangenen Jahren aber nicht nur mit der NS-Historie befasst, sondern auch mit Themen wie "Die Macht der Päpste" oder "Die Kanzler". Hochgelobt war zur Jahrtausendwende die Reihe "100 Jahre". Hier nahm man die wohl letzte Gelegenheit wahr, mit vielen bereits hochbetagten Zeitzeugen zu sprechen. In dieser Reihe sah man auch viele längst verschollen geglaubte historische Aufnahmen:

"An der Schwelle zur neuen Zeit wachsen die Träume in den Himmel. Jahrhundertwende in Paris: Ungeheurer Glaube an die Zukunft. (…) Es war wie ein Abkommen unter den Völkern: Von nun an wollten sie das Gute und Schöne genießen."

Trotz aller Kritik sind die Sendungen der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte überaus erfolgreich in den Einschaltquoten. Guido Knopps Sendungen wurden in 42 Länder verkauft. Seine Methode ist heutzutage stilbildend im Fernsehen: Selbst die Kooperationspartner des ZDF, BBC oder der Discovery Channel setzen seit Jahren auf diese Machart.

Dass Fernsehkritiker diese Methode offenbar weniger problematisch finden als Historiker zeigt die Tatsache, dass Guido Knopp fast alle wichtigen Fernsehpreise bekommen hat, unter anderem den Europäischen und den Bayerischen Filmpreis, eine Goldene Kamera und auch einen Emmy für die Produktion "Das Drama von Dresden".

Das Gespräch zum Thema mit Achatz von Müller, Geschichtswissenschaftler an der Universität Basel, können Sie mindestens bis zum 4.5.2010 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.