Geschichten aus der Provinz
Im Jahr 2009 feiert die Stadt Weimar Jubiläen: die Begründung der Weimarer Republik vor 90 Jahren, die Entstehung der Bauhaus-Schule ebenfalls in Weimar vor 90 Jahren, und schließlich der 250-jährige Geburtstag Friedrich von Schillers, der seine letzten Lebensjahre in Weimar gelebt hat. Für das zu Ende gehende Jahr 2008 schreibt die Stadt dagegen wenig glanzvolle Kapitel.
Zwei Orte sind es, an denen sich das wenig ruhmreiche Jahr 2008 in der Klassikerstadt skizzieren lässt: das Haus von Goethes Seelenfreundin Charlotte von Stein und das Deutsche Nationaltheater. Denn beide waren so heftig umstritten, preisgegeben und mit Zorn verteidigt, wie kaum andere Häuser der Stadt seit langem.
"Das Haus der Frau von Stein hat eine über 230-jährige Geschichte. Und ich glaube, dass trotz der Unterzeichnung, mit der ich rechne, dieses nur eine Episode in der Geschichte sein und bleiben wird."
Der Präsident der Klassik Stiftung Weimar, Hellmut Seemann, glaubte, dass der Verkauf dieser Immobilie langfristig nur eine Randnotiz sein kann. Denn es gehöre schließlich zum Kernbereich des klassischen Weimars.
Doch im Oktober unterzeichnete der Oberbürgermeister den Vertrag mit dem privaten Investor Juan Xavier Bofill und seiner Firma Faber Gotic. Dieser möchte in dem dringend sanierungsbedürftigen Haus ein Museum mit Galerie unter anderem mit Werken Salvadore Dalis einrichten. OB Stefan Wolf:
"Wir haben Herrn Bofill einen Vertrag zugesandt mit relativ harten Konditionen, um uns abzusichern, sowohl, was die Nutzung, als auch die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen betrifft. Denn es ist Handlungsbedarf, es muss dringend etwas passieren."
Doch ist Bofill seriös? Hat der Mann mit dem adretten Dali-Bärtchen das Geld, das Haus nicht nur zu kaufen - 325.000 Euro, so die gutachterlich festgelegte Summe - sondern auch für 1,4 Mio Euro zu sanieren? Andernorts waren da kräftige Zweifel laut geworden, die Reputation des Investors war nicht gerade glänzend. Als er dann noch die Frist für die erste Überweisung verfallen ließ, bekam die Stadt weiche Knie.
Kurz vor Weihnachten dann die zumindest teil-erlösende Nachricht: Das Geld ist eingegangen. Vielen wäre es allerdings lieber gewesen, er hätte nicht gezahlt. Die Stadt wäre dann nämlich aus ihrem Vertrag wieder herausgekommen und hätte zum Beispiel der Klassikstiftung den Zuschlag geben können, die spät doch noch ein eigenes Konzept zur Nutzung der Immobilie vorgelegt hatte. Das Haus war zuvor jahrelang vergeblich zum Kauf angeboten worden.
Der Oberbürgermeister jedenfalls kam samt seinem Stadtrat aus dem Kreuzfeuer der Kritik nicht heraus. Im Gegenteil.
"Ich habe nie geahnt, dass man in solche menschlichen Abgründe steigen kann, wie sie sich derzeitig zeigen. (Applaus)."
""Das ist etwas, wofür man ihm eigentlich nur das Prädikat 'Er ist ein Antibürgermeister' geben kann, liebe Weimarerinnen und Weimarer. (Applaus)."
"Ich habe einen solchen Verfall der poltischen Sitten noch nie erlebt in meinem Leben. (Applaus)."
Am 3. Oktober demonstrierten rund 1000 Weimarer vor dem Deutschen Nationaltheater für ihren Intendanten. Denn die Stadt wollte den Vertrag mit Stefan Märki nicht verlängern. Im Januar erst war sein Haus nach jahrelangem und erbittertem Kampf in trockene Tücher gekommen, das Land ging in Verantwortung, das Haus wurde Staatstheater. Der Frontmann: Stefan Märki.
Seine Idee eines Stadttheaters mit überregionaler Ausstrahlung war in Weimar Wirklichkeit geworden. Doch die hohen Subventionen drücken nicht nur das Land, das sich nun hat zwingen lassen, sondern auch die kleine Stadt Weimar. Nun sollte also die Quittung folgen. Doch diese Weimarer ließen sich das nicht bieten. Stattdessen packten sie Stefan Märki warm ein.
"Recht vielen Dank für alles, Herr Märki. Bleiben Sie bei uns und halten Sie die Ohren steif. Bitte!"
"Solche Leute wie sie werden nicht jeden Tag geboren. Halten Sie auch zu uns. Wir halten zu ihnen!"
(Märki) "Das weiß' ich, das mach' ich!"
Wenig später knickte der Stadtrat ein, und zog im Aufsichtsrat des Nationaltheaters sein Veto zurück. Seitdem wird wieder verhandelt. Im Januar soll entschieden werden, ob Märki in Weimar bleibt. Das ist unter anderem auch deshalb nicht sicher, weil er seine Entscheidung davon abhängig macht, dass seine Mitarbeiter an den Tarifaufwuchs im öffentlichen Dienst angekoppelt werden.
Er pokert also hoch. Die Stadt ihrerseits wehrt sich gegen die Schelte und will - im Sinne der Wirtschaftlichkeit des Hauses, wie sie sagt, ein wenig inhaltlich mitreden. Oberbürgermeister Stefan Wolf sieht sich als Opfer von Intrigen und Verleumdungen.
"Der Schaden, der entstanden ist durch die öffentliche Diskussion, ist sicher sehr groß. Aber nicht erst jetzt hier, sondern durch die ganzen Kampagnen, die hier geführt worden sind, um einen Vertragsabschluss zu erzwingen."
Ungeachtet all dieser heftigen Querelen, die Weimar in diesem Jahr bewegt haben, bleibt die Stadt weiterhin nicht nur bei Touristen beliebt. Es ziehen nach wie vor mehr Menschen in die Klassikerstadt als abwandern. Es werden vergleichsweise mehr Kinder geboren, die langfristige Prognose ist deutlich besser, als im Thüringer Schnitt.
Teil dieser Geschichte ist, dass nach wie vor viele Menschen in Weimar und Umgebung ihr Herzblut investieren. Jan Philipp Reemtsma zum Beispiel. Der Wieland-Liebhaber spendierte Geld und Muße für das Landgut des Goethe-Freundes und Weimarer Prinzenerziehers in Oßmannstedt nahe Weimar. Das kleine Dörfchen lud ihn im Sommer dafür ein, ihr erster Ehrenbürger zu werden.
Wahrhaft anrührend wurde diese Geschichte durch seine Rührung. Der Kunstmäzen Reemtsma, der in Hamburg das Bundesverdienstkreuz ablehnte, war in Oßmannstedt den Tränen nahe.
"Und nun gibt es das Wieland-Museum, es gibt das restaurierte Wielandgut, und Sie machen mich zu Ihrem Mitbürger. Und dies ist tatsächlich die schönste Ehrung, die ein Ort jemandem machen kann, zu sagen: Du sollst unser Mitbürger sein. Dafür danke ich Ihnen von Herzen. (Applaus)."
"Das Haus der Frau von Stein hat eine über 230-jährige Geschichte. Und ich glaube, dass trotz der Unterzeichnung, mit der ich rechne, dieses nur eine Episode in der Geschichte sein und bleiben wird."
Der Präsident der Klassik Stiftung Weimar, Hellmut Seemann, glaubte, dass der Verkauf dieser Immobilie langfristig nur eine Randnotiz sein kann. Denn es gehöre schließlich zum Kernbereich des klassischen Weimars.
Doch im Oktober unterzeichnete der Oberbürgermeister den Vertrag mit dem privaten Investor Juan Xavier Bofill und seiner Firma Faber Gotic. Dieser möchte in dem dringend sanierungsbedürftigen Haus ein Museum mit Galerie unter anderem mit Werken Salvadore Dalis einrichten. OB Stefan Wolf:
"Wir haben Herrn Bofill einen Vertrag zugesandt mit relativ harten Konditionen, um uns abzusichern, sowohl, was die Nutzung, als auch die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen betrifft. Denn es ist Handlungsbedarf, es muss dringend etwas passieren."
Doch ist Bofill seriös? Hat der Mann mit dem adretten Dali-Bärtchen das Geld, das Haus nicht nur zu kaufen - 325.000 Euro, so die gutachterlich festgelegte Summe - sondern auch für 1,4 Mio Euro zu sanieren? Andernorts waren da kräftige Zweifel laut geworden, die Reputation des Investors war nicht gerade glänzend. Als er dann noch die Frist für die erste Überweisung verfallen ließ, bekam die Stadt weiche Knie.
Kurz vor Weihnachten dann die zumindest teil-erlösende Nachricht: Das Geld ist eingegangen. Vielen wäre es allerdings lieber gewesen, er hätte nicht gezahlt. Die Stadt wäre dann nämlich aus ihrem Vertrag wieder herausgekommen und hätte zum Beispiel der Klassikstiftung den Zuschlag geben können, die spät doch noch ein eigenes Konzept zur Nutzung der Immobilie vorgelegt hatte. Das Haus war zuvor jahrelang vergeblich zum Kauf angeboten worden.
Der Oberbürgermeister jedenfalls kam samt seinem Stadtrat aus dem Kreuzfeuer der Kritik nicht heraus. Im Gegenteil.
"Ich habe nie geahnt, dass man in solche menschlichen Abgründe steigen kann, wie sie sich derzeitig zeigen. (Applaus)."
""Das ist etwas, wofür man ihm eigentlich nur das Prädikat 'Er ist ein Antibürgermeister' geben kann, liebe Weimarerinnen und Weimarer. (Applaus)."
"Ich habe einen solchen Verfall der poltischen Sitten noch nie erlebt in meinem Leben. (Applaus)."
Am 3. Oktober demonstrierten rund 1000 Weimarer vor dem Deutschen Nationaltheater für ihren Intendanten. Denn die Stadt wollte den Vertrag mit Stefan Märki nicht verlängern. Im Januar erst war sein Haus nach jahrelangem und erbittertem Kampf in trockene Tücher gekommen, das Land ging in Verantwortung, das Haus wurde Staatstheater. Der Frontmann: Stefan Märki.
Seine Idee eines Stadttheaters mit überregionaler Ausstrahlung war in Weimar Wirklichkeit geworden. Doch die hohen Subventionen drücken nicht nur das Land, das sich nun hat zwingen lassen, sondern auch die kleine Stadt Weimar. Nun sollte also die Quittung folgen. Doch diese Weimarer ließen sich das nicht bieten. Stattdessen packten sie Stefan Märki warm ein.
"Recht vielen Dank für alles, Herr Märki. Bleiben Sie bei uns und halten Sie die Ohren steif. Bitte!"
"Solche Leute wie sie werden nicht jeden Tag geboren. Halten Sie auch zu uns. Wir halten zu ihnen!"
(Märki) "Das weiß' ich, das mach' ich!"
Wenig später knickte der Stadtrat ein, und zog im Aufsichtsrat des Nationaltheaters sein Veto zurück. Seitdem wird wieder verhandelt. Im Januar soll entschieden werden, ob Märki in Weimar bleibt. Das ist unter anderem auch deshalb nicht sicher, weil er seine Entscheidung davon abhängig macht, dass seine Mitarbeiter an den Tarifaufwuchs im öffentlichen Dienst angekoppelt werden.
Er pokert also hoch. Die Stadt ihrerseits wehrt sich gegen die Schelte und will - im Sinne der Wirtschaftlichkeit des Hauses, wie sie sagt, ein wenig inhaltlich mitreden. Oberbürgermeister Stefan Wolf sieht sich als Opfer von Intrigen und Verleumdungen.
"Der Schaden, der entstanden ist durch die öffentliche Diskussion, ist sicher sehr groß. Aber nicht erst jetzt hier, sondern durch die ganzen Kampagnen, die hier geführt worden sind, um einen Vertragsabschluss zu erzwingen."
Ungeachtet all dieser heftigen Querelen, die Weimar in diesem Jahr bewegt haben, bleibt die Stadt weiterhin nicht nur bei Touristen beliebt. Es ziehen nach wie vor mehr Menschen in die Klassikerstadt als abwandern. Es werden vergleichsweise mehr Kinder geboren, die langfristige Prognose ist deutlich besser, als im Thüringer Schnitt.
Teil dieser Geschichte ist, dass nach wie vor viele Menschen in Weimar und Umgebung ihr Herzblut investieren. Jan Philipp Reemtsma zum Beispiel. Der Wieland-Liebhaber spendierte Geld und Muße für das Landgut des Goethe-Freundes und Weimarer Prinzenerziehers in Oßmannstedt nahe Weimar. Das kleine Dörfchen lud ihn im Sommer dafür ein, ihr erster Ehrenbürger zu werden.
Wahrhaft anrührend wurde diese Geschichte durch seine Rührung. Der Kunstmäzen Reemtsma, der in Hamburg das Bundesverdienstkreuz ablehnte, war in Oßmannstedt den Tränen nahe.
"Und nun gibt es das Wieland-Museum, es gibt das restaurierte Wielandgut, und Sie machen mich zu Ihrem Mitbürger. Und dies ist tatsächlich die schönste Ehrung, die ein Ort jemandem machen kann, zu sagen: Du sollst unser Mitbürger sein. Dafür danke ich Ihnen von Herzen. (Applaus)."