Geschichten aus dem prallen Leben
In all ihren Büchern interessiert sich die Berliner Publizistin Martina Rellin für den Alltag von Frauen. Ihre Protagonistinnen erzählen unzensiert und ungeschminkt aus ihrem politisch und moralisch unkorrekten Leben. Ihr neues Buch über Mütter sollte ursprünglich "Bin ich eine Rabenmutter?" heißen. Doch dann wurde das Wort Rabenmutter zur Kampfvokabel in der Debatte über Kinder und Karriere. Martina Rellin entschied sich für den Titel "Bin ich eine gute Mutter?" Denn es geht ihr nicht um politische Debatten, sondern um Innenansichten.
Endlich ein Buch über Mütter, in dem es nicht um Glamour-Powerfrauen geht, die lässig eine Abteilung mit 50 Mitarbeitern leiten, nebenbei einen Haushalt mit drei Kindern managen, Kleidergröße 34 haben und zur Arbeit joggen, nachdem sie im Morgengrauen meditiert und Erfolgsmantras gesungen haben. In Martina Rellins Buch erzählen ganz normale Frauen zwischen 24 und 48 herzerfrischend offen von ihrem durch und durch unperfekten Leben zwischen Büro, Spielplatz und Supermarktheke, mit brüllenden Kindern, müden Ehemännern, feurigen Liebhabern und überkritischen Schwiegermüttern.
Die Autorin ist kreuz und quer durchs Land gereist auf der Suche nach alltäglichen Geschichten, die sich nicht für die Rubrik "Traumpaar - Das Geheimnis ihres Glücks" eignen. Da ist zum Beispiel Dagmar, die sich, als die drei Kinder groß waren, in einen Flirtchat eingeloggt, eine neue Liebe gefunden und zum Entsetzen aller im Alter von 48 Jahren ihren Mann verlassen hat. Oder Ariane, die nach langen Jahren vergeblichen Wartens endlich doch schwanger wurde, aber nicht von ihrem Mann. Die auf einer Familienfeier als "Schande der Familie" beschimpft wurde und alles trotzdem noch mal ganz genauso machen würde.
Die Interviewpartnerinnen spiegeln das pralle, wahre Leben wieder. Sie sind glücklich geschieden, unglücklich verheiratet, euphorisch liiert, haben Kinder von verschiedenen Männern, leben in Patchwork-Familien oder in geordneten Verhältnissen im Reihenhaus. Sie arbeiten Vollzeit, Teilzeit oder gar nicht. Holen sich ihre Kraft im Fitnesscenter oder in der Religion.
Die Frage "Bin ich eine gute Mutter?" ist der Generalbass, der im Hintergrund mitläuft, aber sie ist glücklicherweise nicht tonangebend. Die Geschichten beweisen: Im Leben von Müttern geht es um viel mehr, als um die Diskussion selber backen oder backen lassen, Waldorf oder Montessori, Doppelverdiener oder Hausfrauenehe. Die türkische Unternehmerin Derya zum Beispiel, die gemeinsam mit ihrem deutschen Mann eine Firma leitet, wundert sich wie unemanzipiert deutsche Mütter sind.
Alle Geschichten sind in Ich-Form erzählt. Sie sind traurig, trotzig, rührend, bewegend und anregend. Martina Rellin lässt jeder Interviewpartnerin ihren eigenen Rhythmus und Tonfall. Das macht die Lektüre kurzweilig. Eins haben alle Frauen gemeinsam: Sie werden unter Druck gesetzt. Erschreckend ist, mit welcher Unverfrorenheit Mütter und Schwiegermütter versuchen, die Töchter auf Reihenhauslinie zu bringen. Es sind Sätze wie Nadelstiche, die mehr über das Mütter-Klima in der Bundesrepublik erzählen als jede neue Studie.
Unverständlich ist allerdings, warum neben 14 Frauen ein Alibi-Hausmann zu Wort kommt. Auf den hätte die Autorin schmerzfrei verzichten können, ebenso auf ihr kalkuliertes Spiel mit dem Voyeurismus der Leser, die nach der Lektüre viel mehr wissen vom Innenleben mancher Interviewpartnerin als der Ehemann.
Martina Rellin: Bin ich eine gute Mutter? Frauen erzählen
Kabel by Piper
230 Seiten, 16,90 Euro
Die Autorin ist kreuz und quer durchs Land gereist auf der Suche nach alltäglichen Geschichten, die sich nicht für die Rubrik "Traumpaar - Das Geheimnis ihres Glücks" eignen. Da ist zum Beispiel Dagmar, die sich, als die drei Kinder groß waren, in einen Flirtchat eingeloggt, eine neue Liebe gefunden und zum Entsetzen aller im Alter von 48 Jahren ihren Mann verlassen hat. Oder Ariane, die nach langen Jahren vergeblichen Wartens endlich doch schwanger wurde, aber nicht von ihrem Mann. Die auf einer Familienfeier als "Schande der Familie" beschimpft wurde und alles trotzdem noch mal ganz genauso machen würde.
Die Interviewpartnerinnen spiegeln das pralle, wahre Leben wieder. Sie sind glücklich geschieden, unglücklich verheiratet, euphorisch liiert, haben Kinder von verschiedenen Männern, leben in Patchwork-Familien oder in geordneten Verhältnissen im Reihenhaus. Sie arbeiten Vollzeit, Teilzeit oder gar nicht. Holen sich ihre Kraft im Fitnesscenter oder in der Religion.
Die Frage "Bin ich eine gute Mutter?" ist der Generalbass, der im Hintergrund mitläuft, aber sie ist glücklicherweise nicht tonangebend. Die Geschichten beweisen: Im Leben von Müttern geht es um viel mehr, als um die Diskussion selber backen oder backen lassen, Waldorf oder Montessori, Doppelverdiener oder Hausfrauenehe. Die türkische Unternehmerin Derya zum Beispiel, die gemeinsam mit ihrem deutschen Mann eine Firma leitet, wundert sich wie unemanzipiert deutsche Mütter sind.
Alle Geschichten sind in Ich-Form erzählt. Sie sind traurig, trotzig, rührend, bewegend und anregend. Martina Rellin lässt jeder Interviewpartnerin ihren eigenen Rhythmus und Tonfall. Das macht die Lektüre kurzweilig. Eins haben alle Frauen gemeinsam: Sie werden unter Druck gesetzt. Erschreckend ist, mit welcher Unverfrorenheit Mütter und Schwiegermütter versuchen, die Töchter auf Reihenhauslinie zu bringen. Es sind Sätze wie Nadelstiche, die mehr über das Mütter-Klima in der Bundesrepublik erzählen als jede neue Studie.
Unverständlich ist allerdings, warum neben 14 Frauen ein Alibi-Hausmann zu Wort kommt. Auf den hätte die Autorin schmerzfrei verzichten können, ebenso auf ihr kalkuliertes Spiel mit dem Voyeurismus der Leser, die nach der Lektüre viel mehr wissen vom Innenleben mancher Interviewpartnerin als der Ehemann.
Martina Rellin: Bin ich eine gute Mutter? Frauen erzählen
Kabel by Piper
230 Seiten, 16,90 Euro