Geschichte zum Hören
Deutschlandradio hatte sich schon in seiner Frühzeit entschlossen, die Nachkriegsgeschichte in besonderer Weise zu dokumentieren. Die neue CD über das Jahr 1955 ist nun bereits der 11. Jahrgang. Neu ist auch die CD über die Nürnberger Prozesse – anlässlich des 60. Jahrestages des Prozessbeginns.
Ausschnitt aus CD Nürnberger Prozesse
„Was wir da hörten, war eine Reportage aus dem Jahr 1946 – eine Reportage aus dem Nürnberger Justizpalast. Ein Reporter schildert die Szenerie vor der Verkündung der Urteile im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess.“
Entnommen der CD „Geschichte zum Hören – Die Nürnberger Prozesse“: Diese CD hat Deutschlandradio Kultur anlässlich des 60. Jahrestages des Prozessbeginns herausgegeben: Was wird da dokumentiert?
Doppel-CD. Zum einen auf einer CD eine Dokumentation des Hauptkriegsverbrecherprozesses/das einzige Verfahren des Internationalen Militärgerichtshofes. Also: der Amerikaner, Briten, Sowjets, Franzosen gemeinsam. Zu Recht gelten ja die Nürnberger Prozesse heute als bahnbrechend für einen zivilisierten Umgang mit Kriegsverbrechen mit den Mitteln des Rechts.
Wegen des Kalten Krieges hat es zwar lange gedauert, bis das Beispiel in den 90er Jahren Schule machte, und wenn man sich heutige Diskussionen um geheime Gefängnisse der Amerikaner, um Folter usw. vergegenwärtigt, sieht man: Nichts ist selbstverständlich, auch nicht der zivilisatorische Fortschritt, der mit dem Namen „Nürnberg“ verbunden ist.
Und das war ja ganz wesentlich eine Errungenschaft, die die Amerikaner erkämpft haben: Stalin wollte tausende standrechtliche Erschießungen, selbst die Briten zogen das in Erwägung – aber die Amerikaner haben mit dem ihnen eigenen Pathos um einen rechtsstaatlichen Prozess gegen die Nazi-Größen gekämpft und haben das durchgesetzt. Und als dann im November 1945 der Chef der Ankläger, der amerikanische Bundesrichter Robert Jackson, seine Eröffnungsrede hält, endet er mit dem Satz:
„Die wahre Klägerin vor den Schranken dieses Gerichts ist die Zivilisation.“
Damit bringt er auf den Begriff, worum es in Nürnberg vor 60 Jahren ging – und das zu dokumentieren, auch die Aktualität dieses Anspruches zu dokumentieren, ist das Anliegen dieser CD-Edition.
Dazu erklärend: Beide Deutschlandradio-Programme geben ja in jedem Jahr historische CDs heraus – wir verstehen ja unseren Informations- und Kulturauftrag in der Weise, dass wir auch Kulturproduzenten sind: Und ein fester Bestandteil dieser CDs sind mit den Mitteln des Hörfunks erzählte Geschichten: also Mischformen aus Autoren-Erzählung und Dokumentation von Originaltönen. Genau das passiert auch in der CD über die Nürnberger Prozesse. Es wird also erzählt, berichtet, dokumentiert und analysiert.
Was man dadurch erreichen kann, ist eine besonders intensive Form von Geschichtsvermittlung: also der vielleicht wichtigste Effekt, den der Hauptkriegsverbrecherprozess hatte, war ja die Entzauberung der Macht. Vorher hatten sich die Nazi-Größen ihre Aura geschaffen und waren wie Götter aufgetreten – und nun sitzen sie plötzlich als verstörte Angeklagte auf der Bank, mit ihren persönlichen Macken: der eine kaut ständig Kaugummi, der andere guckt, als ob er nichts begreift und Göring versucht noch auf der Bank den Chef zu mimen. Das lässt sich in einer „Geschichte zum Hören“ gut vermitteln.
Die CD hat ja den Titel „Die Nürnberger Prozesse“ – es geht also auch um die Nachfolgeprozesse?
Die wurden ja von den Amerikanern durchgeführt – nach denselben Regeln wie der Hauptkriegsverbrecherprozess, und da sind ausgewählte Prozesse dokumentiert. Vor allem die Verfahren gegen die Ärzte, die Juristen, die Industriellen. Was die Aufarbeitung der NS-Verbrechen anbetraf, waren diese Prozesse sogar noch wichtiger als der Hauptkriegsverbrecherprozess: denn da wurde offenbar, in welchem Ausmaß ganze Berufsgruppen an den Verbrechen beteiligt waren. Darüber ist ja im Nachkriegsdeutschland (in beiden Staaten!) lange nicht gesprochen worden, aber als das Thema in den 80er Jahren dann auf die Tagesordnung kam, gab es das umfangreiche Material aus den Nürnberger Prozessen und damit die Möglichkeit der Aufarbeitung. Deshalb ist es so wichtig, auch diese Prozesse zu dokumentieren.
Und das Ende bilden dann die vorzeitigen Begnadigungen: ein sehr bedrückendes Kapitel. Weniger, weil das Interesse der Amerikaner nachließ, sondern wie sich die Westdeutschen verhielten, auch die Politiker aller Parteien. Da wurde ein mörderischer Druck auf den amerikanischen Hochkommissar ausgeübt, dass er die verurteilten Kriegsverbrecher begnadigt. Er und seine Familie mussten sogar unter Polizeischutz gestellt werden, weil er Morddrohungen bekam. So war die Stimmung in der Bundesrepublik Anfang der 50er Jahre. Auch das ist auf dieser CD festgehalten.
Geschichte zum Hören – die Nürnberger Prozesse, Doppel-CD, herausgegeben von Deutschlandradio Kultur, erhältlich zum Preis von 17,90 Euro. Wie – das sag ich gleich. Jetzt aber machen wir erst noch einen kleinen Zeitsprung in das Jahr 1955: in die Zeit des Wirtschaftswunders, und da hören wir eine der großen Erfolgsgeschichten der Nachkriegszeit…
„VW in Wolfsburg feiert die Produktion des millionsten Käfers – der Motor des Wirtschaftswunders lief und lief und lief…“
und das ist auf einer anderen CD „Geschichte zum Hören“ festgehalten, die ebenfalls vor kurzem herausgegeben wurde: Da geht es um das Jahr 1955, wollen Sie damit den deprimierten Deutschen unserer Tage zeigen, wie schön es doch früher gewesen ist?
Wenn das Kräfte wecken würde, wäre es ja schön – aber die erfreuliche VW-Geschichte ist ja nicht alles. Es geht um das Jahr 1955, und das steht ja in einem größeren Zusammenhang: Deutschlandradio hatte sich schon in seiner Frühzeit entschlossen, die Nachkriegsgeschichte in besonderer Weise zu dokumentieren und schon 1995 wurde damit gestartet: „Geschichte zum Hören/vor 50 Jahren“. Das ist ja eine Sendereihe in beiden Deutschlandradioprogrammen – Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur – und aus dieser Sendereihe geht die Chronik des Jahres hervor, die wir herausgeben:
1955 ist nun der 11. Jahrgang, wer sie alle gesammelt hat, hat inzwischen eine richtige Audiothek der Nachkriegsgeschichte. Die ja mit dem Chaos und der Not der ersten Nachkriegszeit beginnt und inzwischen beim Wirtschaftswunder gelandet ist.
Wobei die damalige Welt nicht nur heil und wunderbar war. Wenn man z. B. an die Kriegsgefangenen denkt, die zu tausenden noch in sowjetischen Lagern sind und die nach Adenauers Moskaubesuch endlich entlassen werden – in eine Welt allerdings, die sich so verändert hat, dass sie sie kaum verstehen: sie haben ja Hitlerdeutschland verlassen und kehren nun zurück in den amerikanisch geprägten Adenauerstaat zurück…
Das alles geschah in Westdeutschland – was war denn in der DDR los?
Die DDR produziert weniger Schlagzeilen 1955. Die SED-Führung hat sich noch nicht richtig vom Schock des 17. Juni 1953 erholt und kann den Sozialismus nicht so planmäßig schnell aufbauen, wie sie das mal gedacht hatte. Aber – es gibt etwas Neues, das den Alltag im Osten Deutschlands noch heute prägt:
Ein Gelöbnis bei einer Jugendweihe…
1955 werden die ersten staatlichen Jugendweihen durchgeführt – und das ist ja eine der großen Erfolgsgeschichten der SED. Wir dokumentieren, wie sich in dieser Frage die evangelische Kirche verschätzt hat: Jugendweihe und Konfirmation wurden ja als unvereinbar erklärt – und in dieser Auseinandersetzung hat die SED über den Untergang der DDR hinaus gesiegt. Ein Beispiel dafür, dass die Geschichte nicht einfach nur Vergangenheit ist…
2 neue Geschichts-CDs: Geschichte zum Hören 1955 – 2 CDs, 17,90 Euro, herausgegeben von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur
und Geschichte zum Hören – Die Nürnberger Prozesse, ebenfalls 2 CDs, ebenfalls 17,90 Euro.
Beide CDs erhalten Sie über den Buchhandel oder über die Deutschlandradio-Internetadresse: www.dradio.de – da finden Sie sie im Online shop, oder Sie rufen den Hörerservice an: 01803 – 37 23 46.
„Was wir da hörten, war eine Reportage aus dem Jahr 1946 – eine Reportage aus dem Nürnberger Justizpalast. Ein Reporter schildert die Szenerie vor der Verkündung der Urteile im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess.“
Entnommen der CD „Geschichte zum Hören – Die Nürnberger Prozesse“: Diese CD hat Deutschlandradio Kultur anlässlich des 60. Jahrestages des Prozessbeginns herausgegeben: Was wird da dokumentiert?
Doppel-CD. Zum einen auf einer CD eine Dokumentation des Hauptkriegsverbrecherprozesses/das einzige Verfahren des Internationalen Militärgerichtshofes. Also: der Amerikaner, Briten, Sowjets, Franzosen gemeinsam. Zu Recht gelten ja die Nürnberger Prozesse heute als bahnbrechend für einen zivilisierten Umgang mit Kriegsverbrechen mit den Mitteln des Rechts.
Wegen des Kalten Krieges hat es zwar lange gedauert, bis das Beispiel in den 90er Jahren Schule machte, und wenn man sich heutige Diskussionen um geheime Gefängnisse der Amerikaner, um Folter usw. vergegenwärtigt, sieht man: Nichts ist selbstverständlich, auch nicht der zivilisatorische Fortschritt, der mit dem Namen „Nürnberg“ verbunden ist.
Und das war ja ganz wesentlich eine Errungenschaft, die die Amerikaner erkämpft haben: Stalin wollte tausende standrechtliche Erschießungen, selbst die Briten zogen das in Erwägung – aber die Amerikaner haben mit dem ihnen eigenen Pathos um einen rechtsstaatlichen Prozess gegen die Nazi-Größen gekämpft und haben das durchgesetzt. Und als dann im November 1945 der Chef der Ankläger, der amerikanische Bundesrichter Robert Jackson, seine Eröffnungsrede hält, endet er mit dem Satz:
„Die wahre Klägerin vor den Schranken dieses Gerichts ist die Zivilisation.“
Damit bringt er auf den Begriff, worum es in Nürnberg vor 60 Jahren ging – und das zu dokumentieren, auch die Aktualität dieses Anspruches zu dokumentieren, ist das Anliegen dieser CD-Edition.
Dazu erklärend: Beide Deutschlandradio-Programme geben ja in jedem Jahr historische CDs heraus – wir verstehen ja unseren Informations- und Kulturauftrag in der Weise, dass wir auch Kulturproduzenten sind: Und ein fester Bestandteil dieser CDs sind mit den Mitteln des Hörfunks erzählte Geschichten: also Mischformen aus Autoren-Erzählung und Dokumentation von Originaltönen. Genau das passiert auch in der CD über die Nürnberger Prozesse. Es wird also erzählt, berichtet, dokumentiert und analysiert.
Was man dadurch erreichen kann, ist eine besonders intensive Form von Geschichtsvermittlung: also der vielleicht wichtigste Effekt, den der Hauptkriegsverbrecherprozess hatte, war ja die Entzauberung der Macht. Vorher hatten sich die Nazi-Größen ihre Aura geschaffen und waren wie Götter aufgetreten – und nun sitzen sie plötzlich als verstörte Angeklagte auf der Bank, mit ihren persönlichen Macken: der eine kaut ständig Kaugummi, der andere guckt, als ob er nichts begreift und Göring versucht noch auf der Bank den Chef zu mimen. Das lässt sich in einer „Geschichte zum Hören“ gut vermitteln.
Die CD hat ja den Titel „Die Nürnberger Prozesse“ – es geht also auch um die Nachfolgeprozesse?
Die wurden ja von den Amerikanern durchgeführt – nach denselben Regeln wie der Hauptkriegsverbrecherprozess, und da sind ausgewählte Prozesse dokumentiert. Vor allem die Verfahren gegen die Ärzte, die Juristen, die Industriellen. Was die Aufarbeitung der NS-Verbrechen anbetraf, waren diese Prozesse sogar noch wichtiger als der Hauptkriegsverbrecherprozess: denn da wurde offenbar, in welchem Ausmaß ganze Berufsgruppen an den Verbrechen beteiligt waren. Darüber ist ja im Nachkriegsdeutschland (in beiden Staaten!) lange nicht gesprochen worden, aber als das Thema in den 80er Jahren dann auf die Tagesordnung kam, gab es das umfangreiche Material aus den Nürnberger Prozessen und damit die Möglichkeit der Aufarbeitung. Deshalb ist es so wichtig, auch diese Prozesse zu dokumentieren.
Und das Ende bilden dann die vorzeitigen Begnadigungen: ein sehr bedrückendes Kapitel. Weniger, weil das Interesse der Amerikaner nachließ, sondern wie sich die Westdeutschen verhielten, auch die Politiker aller Parteien. Da wurde ein mörderischer Druck auf den amerikanischen Hochkommissar ausgeübt, dass er die verurteilten Kriegsverbrecher begnadigt. Er und seine Familie mussten sogar unter Polizeischutz gestellt werden, weil er Morddrohungen bekam. So war die Stimmung in der Bundesrepublik Anfang der 50er Jahre. Auch das ist auf dieser CD festgehalten.
Geschichte zum Hören – die Nürnberger Prozesse, Doppel-CD, herausgegeben von Deutschlandradio Kultur, erhältlich zum Preis von 17,90 Euro. Wie – das sag ich gleich. Jetzt aber machen wir erst noch einen kleinen Zeitsprung in das Jahr 1955: in die Zeit des Wirtschaftswunders, und da hören wir eine der großen Erfolgsgeschichten der Nachkriegszeit…
„VW in Wolfsburg feiert die Produktion des millionsten Käfers – der Motor des Wirtschaftswunders lief und lief und lief…“
und das ist auf einer anderen CD „Geschichte zum Hören“ festgehalten, die ebenfalls vor kurzem herausgegeben wurde: Da geht es um das Jahr 1955, wollen Sie damit den deprimierten Deutschen unserer Tage zeigen, wie schön es doch früher gewesen ist?
Wenn das Kräfte wecken würde, wäre es ja schön – aber die erfreuliche VW-Geschichte ist ja nicht alles. Es geht um das Jahr 1955, und das steht ja in einem größeren Zusammenhang: Deutschlandradio hatte sich schon in seiner Frühzeit entschlossen, die Nachkriegsgeschichte in besonderer Weise zu dokumentieren und schon 1995 wurde damit gestartet: „Geschichte zum Hören/vor 50 Jahren“. Das ist ja eine Sendereihe in beiden Deutschlandradioprogrammen – Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur – und aus dieser Sendereihe geht die Chronik des Jahres hervor, die wir herausgeben:
1955 ist nun der 11. Jahrgang, wer sie alle gesammelt hat, hat inzwischen eine richtige Audiothek der Nachkriegsgeschichte. Die ja mit dem Chaos und der Not der ersten Nachkriegszeit beginnt und inzwischen beim Wirtschaftswunder gelandet ist.
Wobei die damalige Welt nicht nur heil und wunderbar war. Wenn man z. B. an die Kriegsgefangenen denkt, die zu tausenden noch in sowjetischen Lagern sind und die nach Adenauers Moskaubesuch endlich entlassen werden – in eine Welt allerdings, die sich so verändert hat, dass sie sie kaum verstehen: sie haben ja Hitlerdeutschland verlassen und kehren nun zurück in den amerikanisch geprägten Adenauerstaat zurück…
Das alles geschah in Westdeutschland – was war denn in der DDR los?
Die DDR produziert weniger Schlagzeilen 1955. Die SED-Führung hat sich noch nicht richtig vom Schock des 17. Juni 1953 erholt und kann den Sozialismus nicht so planmäßig schnell aufbauen, wie sie das mal gedacht hatte. Aber – es gibt etwas Neues, das den Alltag im Osten Deutschlands noch heute prägt:
Ein Gelöbnis bei einer Jugendweihe…
1955 werden die ersten staatlichen Jugendweihen durchgeführt – und das ist ja eine der großen Erfolgsgeschichten der SED. Wir dokumentieren, wie sich in dieser Frage die evangelische Kirche verschätzt hat: Jugendweihe und Konfirmation wurden ja als unvereinbar erklärt – und in dieser Auseinandersetzung hat die SED über den Untergang der DDR hinaus gesiegt. Ein Beispiel dafür, dass die Geschichte nicht einfach nur Vergangenheit ist…
2 neue Geschichts-CDs: Geschichte zum Hören 1955 – 2 CDs, 17,90 Euro, herausgegeben von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur
und Geschichte zum Hören – Die Nürnberger Prozesse, ebenfalls 2 CDs, ebenfalls 17,90 Euro.
Beide CDs erhalten Sie über den Buchhandel oder über die Deutschlandradio-Internetadresse: www.dradio.de – da finden Sie sie im Online shop, oder Sie rufen den Hörerservice an: 01803 – 37 23 46.