Geschichte vor Ort

Von Philip Banse |
Wie lässt sich Geschichte interessant machen für Jugendliche? Wie lässt sich das Grauen des Nationalsozialismus begreifbar, spürbar machen für Jungen und Mädchen, die über dieses Kapital deutscher Geschichte nicht einmal mehr von ihren Großeltern aus erster Hand erfahren?
Hörpol.de bietet die Möglichkeit. Dort kann sich jeder eine Karte des jüdischen Quartiers in Berlin ausdrucken, auf dem Stadtplan verzeichnet sind einzelne Stationen. Zu jeder Station bietet Hörpol.de eine Audio-Datei, die sich ebenfalls jeder kostenlos herunterladen kann. Eine akustische Zeitreise.

"Ich heiße Josepha, bin 21 Jahre alt und mache jetzt eine Erzieher-Ausbildung am Katholischen Schulzentrum Edith Stein, komme ursprünglich aus Dresden, bin wegen der Ausbildung jetzt hier und bin jetzt im dritten Lehrjahr."

"Ich heiße Antonia und ich bin auch 21 Jahre alt und mache eigentlich die gleiche Ausbildung wie Josepha. Ich komme auch aus Sachsen und bin auch wegen meiner Ausbildung hier."

Antonia und Josepha stehen an der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz. Die beiden katholischen Mädchen aus der sächsischen Provinz tragen Jeans, Turnschuhe und gewebte Umhängetaschen. Aus Josephas Rucksack ragt eine Plastiktrinkflasche. Verpflegung für die Großstadt-Safari. Die 21-Jährige kramt einen Stadtplan aus der Jackentasche, faltet ihn auseinender. Auf der Karte: die Spandauer Vorstadt, das Scheunenviertel zwischen Rosenthaler Platz, Hackescher Markt und Oranienburger Tor. Kleine verwinkelte Straßen sind abgebildet, U-Bahn-Stationen, aber auch viele orangefarbene Punkte neben denen "Milch" steht, oder "Fromms", "Party" oder "Du spinnst".

Josepha: "Wir müssen uns jetzt orientieren. Wir haben hier eine Karte, wo die ganzen Stationen aufgezeichnet sind und da müssen wir uns orientieren, wo wir als erstes hingehen wollen, welche Punkte wir uns angucken und anhören wollen."

Die Punkte stehen für Ereignisse, die sich zwischen 1933 und 1945 in Berlins ehemaligem Zentrum des jüdischen Lebens abgespielt haben. Sie sind die Stationen eines Stadtrundgangs, den es mitsamt Audioguide von der Internetseite Hörpol.de zum runterladen gibt. Auf den Spuren des Holocausts: An diesem Tag ist die ganze Klasse von Josepha und Antonia im Viertel rund um die Synagoge mit der goldenen Kuppel unterwegs. Antonia hat sich die MP3-Dateien von Hörpol.de auf ihr Handy kopiert. Josepha hat sich eine CD gebrannt, und ist jetzt mit einem mobilen CD-Player unterwegs.

Antonia: "Wir haben uns die Dateien runter geladen vorher und können jetzt einfach überall hingehen, wo wir wollen zu den ganzen Punkten."

Josepha: "Es gibt keinen festen Weg, man kann sich den selber raussuchen. Wir haben auch keine feste Vorstellung, was sich hinter den Stationen verbirgt. Die haben zwar alle Namen, aber wir gehen jetzt relativ willkürlich einfach mal los zu der "Sterne"-Station elf."

Die Station "Sterne" befindet sich am Hackeschen Markt, fünf Fußminuten vom Alexanderplatz entfernt. Antonia und Josepha werden begleitet von ihrem Klassenlehrer, Martin Korte. Auf dem Lehrplan steht Stadtteilerkundung, sagt Korte, und da gehöre eben auch die geschichtliche Dimension dazu. Deswegen schickt Korte seine Klasse heute mit Hörpol.de auf diese Reise in die NS-Vergangenheit.

"Es kommt auch hinzu, dass wir uns als katholische Schule unserer Namenspatronin Edith Stein auch verbunden fühlen, die ja Jüdin war und zum katholischen Glauben konvertiert ist und deswegen sehen wir es in unserer Schule auch als Verpflichtung an, uns einmal mit dem Judentum als solchem, aber auch mit der schrecklichen NS-Vergangenheit auseinander zu setzen. Und da erschien uns Hörpol als ideales Mittel dazu."

Am Hackeschen Markt sitzen Touristen in der Herbstsonne, trinken Bier, lachen. Schuhläden reihen sich an Blumenläden, an Modeboutiquen und Cafés. Hier zwischen S-Bahn-Gleis, Sparkasse und Irish Pub ist die Station "Sterne" eingezeichnet. Antonia und Josepha fummeln CD-Player und Handy aus ihren Rucksäcken, stöpseln die Kopfhörer ein.

"Ja, wir müssen jetzt die Technik mobilisieren und dann hören wir es uns an."

Schweigend sitzen sie auf einer niedrigen Mauer, die Blicke auf den Boden gerichtet.

"Also, ick sing jetze ma n Lied. N Jute-Nacht-Lied, kannte ich schon als Kind. Also: Weißt du wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt...na ja, so ähnlich. Na, also dieses Lied hängt mit folgender Jeschichte zusammen..."

Josepha: "Und dann wurde der Bezug hergestellt zum Hackeschen Markt. Und zwar wurde im September 41 beschlossen, dass alle Juden ab sechs Jahren einen Stern tragen sollen, damit man sie erkennt. Und hier am Hackeschen Markt gab es einen Spielwarenverkäufer, wenn ich mich recht erinnere..."

Diesen Spielwarenverkäufer besuchte in den 40er Jahren ein kleiner Junge sehr regelmäßig. Die Hörpolmacher haben ihn für ihr Projekt als Zeitzeugen interviewt:

"Und da begegnete ich plötzlich - für mich völlig unerwartet – vielen Leuten mit einem Judenstern. Und das erschreckte mich natürlich. Denn das fand ich unmenschlich. Und weil das so viele waren, zählte ich diese und ich kam so an die knapp 40 Personen, die dort diesen Stern trugen. Als ich dann ein halbes Jahr später im Mai 1942 wieder mal einen solchen Gang machte, begegnete ich nur noch drei oder fünf Leuten mit Judenstern. Und natürlich fragte man sich dann: Wo sind die eigentlich geblieben."

Josepha: "Und am Ende wurde das Lied noch mal aufgegriffen, es wurde aber umgedichtet: Es sind die Juden, die diese Sterne tragen und es endet mit den Worten: Doch ich sage nichts, psst! Das ist mir schon ziemlich nahe gegangen. "

Chor: "Jeden Tag werden es mehr, jeden Tag, doch ich schweig still. Pssssst."

Josepha: Wo man jetzt hier sieht die ganzen Leute, schönes Wetter, allen geht es gut, diesen Kontrast, wenn man sich den vorstellt, das war 41 total anders, das finde ich schon... wo hier jetzt alle Menschen toleriert werden, so wie sie sind, egal, woher sie kommen, gerade hier in Berlin, wo es ja so viele Menschen nicht-deutscher Herkunft es gibt – der Kontrast war jetzt schon ziemlich krass, ist gut rüber gekommen.

Hans Ferenz: "Die Idee zu Hörpol, die Idee sowas zu machen, ist sieben Jahre alt. Da entstand der Gedanke, man müsste etwas machen, was nicht Schule ist, was trotzdem mit Geschichte zu tun hat, was dort stattfindet, wo Jugendliche sich ohnehin aufhalten, zwischen Cafés, Liegewiesen, Musikclubs und Kinos, um Geschichte mit dem jugendlichen Alltag zu verbinden."

Hans Ferenz hat Hörpol erfunden und umgesetzt. Er hat lange als Journalist und Hörspiel-Autor gearbeitet. Vor fünf Jahren betreute Ferenz ein Schulklassen-Projekt zum Thema Antisemitismus. Die Schüler waren ahnungslos, sagt er, unruhig, desinteressiert. Da brachte Ferenz sie in die Wannsee-Villa, jeden Ort, an dem 1942 die systematische Deportation und Ermordung der europäischen Juden detailliert geplant wurde.

"Und da gab es eine Ausstellung und in dieser Ausstellung gab es ein Foto, wo vier jüdische Leute aufgehängt waren. Und dann knieten die unruhigsten und am wenigsten interessierten Kinder vor diesem Foto, es hing sehr tief, und ich dachte: oh, wunderbar, jetzt hat es sie doch irgendwie gepackt und sie sind am Diskutieren. Aber sie diskutierten gar nicht über das Thema, sie diskutierten darüber, wie man es schafft, welche Konstruktion dieser Galgen haben muss, damit man vier Menschen gleichzeitig aufhängen kann. Und das war für mich so ein Hammer, als ich das mitbekommen habe, dass ich noch mal innerliche Wut bekommen habe und wo ich dachte, man muss irgendwas machen, was mit der direkten Welt der Jugendlichen zu tun hat und es muss dort stattfinden."

Die Berliner Schülerinnen Antonia und Josepha stehen am Sackbahnhof der Tram, Oranienburger Straße, Ecke Große Präsidentenstraße. Auf dem schmalen Bürgersteig drängeln sich Reisende, die Orientierung suchend in den Himmel schauen. Geschäftsleute mit flachen Alleskönner-Handys kurven - das Leder-Mäppchen unter den Arm geklemmt – um einen Farbeimer, den irgendwann jemand in den Rinnstein schiebt. Vor 65 Jahren war es hier nicht weniger wuselig. Die Synagoge mit der goldenen Kuppel ist drei Fußminuten entfernt. Dieser Ort hier, diese Straßenbahnhaltestelle, heißt auf der Hörpol-Karte "Sonderfahrt". Antonia und Josepha setzen ihre Kopfhörer auf.

"Stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Sie arbeiten bei der BVG, den Berliner Verkehrsbetrieben, in der Abteilung für Sonderfahrten. Dort sitzen Sie an Ihrem Schreibtisch und organisieren Busse und Straßenbahnen für Gruppenreisen, etwa für Klassenfahrten und Betriebsausflüge. (Klingeln) Und mal wieder klingelt das Telefon. Sie melden sich wie immer: Guten Tag, hier BVG, Abteilung Sonderwagen, was kann ich für Sie tun? Dann hören Sie diese Stimme: (Mann am anderen Ende der Leitung) Hier Judenreferat, Kommissar Lachmuth, Heil Hitler! Wollte Erkundigungen einholen und die Bereitstellung der Straßenbahnen für morgen sicher gestellt wissen. Alles klar, ja? Gut. Haltestelle Wendeschleife, nahe Große Hamburger, ein Wagen für 50 Personen (lacht), ich berichtige: für 50 Juden, meine ich. Sonderfahrt, Sie wissen schon, normale Wagen, keine Gitter an den Fenstern, nichts Auffälliges. Abfahrt vier Uhr morgens, Ziel: Anhalter Bahnhof. Werde beim Einstieg der Juden persönlich behilflich sein (lacht)."

Genau von hier, wo die Schülerinnen Antonia und Josepha jetzt stehen, wo heute Plakate für Tarkan-Konzerte werben und Touristen sich über die happigen Preise für Berliner Speiseeis beklagen, genau von hier wurden Tausende Juden in die Vernichtungslager gebracht, in Straßenbahnen, quer durch die Stadt.

"Einsteigen, Jude! Los, los, los, Beeilung!"

Josepha: "Es wurde authentisch rüber gebracht und ich habe richtig Gänsehaut bekommen, weil bis zu 6000 Juden so transportiert wurden. Ja, und da stellt man sich schon die Frage, wie viel Mitschuld man da so hat."

Antonia: "Weil das vor den Augen von allen passiert, das hat ja jeder gesehen und jeder hätte was sagen können, aber die meisten waren, glaube ich, auch überzeugt, dass richtig ist, was passiert."

Die Mädchen fragen sich: Was hätte ich gemacht? Hätte ich protestiert? Kann so etwas noch mal passieren?

"Man hat ja heute das Wissen, okay, es ist schon mal passiert, man ist ja auch in der Politik und überall darauf bedacht, zu verhindern, das sowas noch mal passiert, man ist vorgewarnt. Aber ich glaube auch, dass es noch mal passieren könnte."

"Wo wollt denn ihr hin?"

Es könnte noch einmal passieren. Das werden die Mädchen an diesem Tag noch öfter sagen. Weiter. Zur nächsten Station.

""Zum 'Geschenk', ja, das wollte ich auch. … Ne, wir müssen jetzt die Oranienburger ein Stück hoch und dann da rechts rein. ….. Stimmt, stimmt."

Die Mädchen schlängeln sich durch Kreativ-Arbeiter hindurch, die in Schaufenstern ihr Aussehen überprüfen. Hautenge Jeans, Lederjacke mit Bündchen. In der schmalen Straße dominieren Sonnenbrillen- und Wuschelfrisuren. Die Sonne scheint, die Eichen im Monbijoupark leuchten herbstlich gelb.

"Hörpol richtet sich an alle Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren, also ab der neunten Schulklasse bis Abitur, Berufsschule. Das ist eine große Alterspanne und diese Hörstationen sind deswegen so, dass sie den Bauch ansprechen, dass sie Gefühle wecken, dass sie Wut wecken, dass man lachen kann, vielleicht auch mal tanzen kann","

sagt Hörpol-Initiator Hans Ferenz.

""Und die Hintergrundinformationen stehen dann den Lehrern zur Verfügung. Es gibt den zweiten Schritt, die Lehrer können Hintergrund-Material von der Homepage runter laden und dann ganz gezielt nach dem Wissensstand der Klasse alles noch mal nacharbeiten, so dass diese Wut, das Tanzen oder das Lachen der Anknüpfungspunkt ist, um sich mit dieser Geschichte zu beschäftigen. Es gibt nämlich eine Zielgruppe, die ist eben nicht nur die gut gebildeten Gymnasiasten mit Geschichte Leistungskurs, das wollte ich nicht. Ich wollte auch den Hauptschüler und den Realschüler damit beschäftigen, und da ist das nämlich sehr wichtig."

"Hier ist alles, was man für einen guten Tag braucht. Hier ist die erste Radioshow to go für alle, die Geschenke mögen! Hier ist 'Was hörst Du?!' Und hier kommt unserer Moderator Murat!..."

Antonia und Josepha sind bei der nächsten Station angekommen, "Geschenk" heißt sie. Die beiden angehenden Erzieherinnen hocken auf einer niedrigen Mauer, haben die Kopfhörer auf. Vor ihnen ragt ein mannshoher Eisenzaun empor, auf den Pfosten Überwachungskameras. Hinter dem Zaun: ein Friedhof. Der Boden ist bedeckt von Efeu. Auf einem Sockel stehen bronzene Statuen, Frauen, Kinder, Alte, die Blicke leer, die Arme schlaff.

Moderator: "Weißt Du, früher stand hier mal ein Haus, ja, echt, kannst Du sehen an den roten Mauern in der Erde. Das Haus war drei Stockwerke hoch, für alte Menschen, weißt du? Jüdisches Altenheim. Als dann Adolf Hitler, der Nazi-Kopp, der in Deutschland der Bestimmer war, wurde das Altenheim zu einem Sammellager umgebaut. So eine Art Gefängnis für Juden, ja. In der ganzen Stadt wurden Juden verhaftet und hierher geschleppt. Schon nach ein paar Tagen ging es weiter in großen Gruppen, erst zum Bahnhof, dann mit dem Zug ins Konzentrationslager und dort meistens direkt in Gaskammer."

Die Mädchen drücken die Kopfhörer auf Ihre Ohren, schauen konzentriert ins Leere und hören die Geschichte von Isaak Behar, einem jüdischen Jungen.

SS-Mann: "Und morgen geht’s ab nach Auschwitz, hehe, da kannst Du Dir in Rauch ufflösen, hehe."

Isaak Behar gibt es wirklich. Er hat den Nazi-Terror überlebt, wurde nicht aus dem Altenheim deportiert. Das hat er einer alten Frau zu verdanken. Sie bestach vor über 65 Jahren in diesem jüdischen Altenheim einen SS-Mann, damit dieser den kleinen Juden Isaak gehen ließ. Die Schülerinnen Antonia und Josepha hören, wie Isaak Behar sich heute an den Moment erinnert, als ihm die alte Dame den Passierschein gab und ihm so das Leben rettete:

"Und ich erstarrte fast. Da stand drauf: Passierschein für Isaak Behar. Und ich sagte: Was ist mit Ihnen? Sagt sie: Ach, so viel Geld hatte ich nicht, es reichte nur für einen. Aber das macht doch nichts. Ich bin doch schon so alt. Aber du musst da raus. Geh!"

Josepha nimmt den Kopfhörer ab, bleibt auf der Mauer sitzen.

"Es ist schon ziemlich erschütternd, wenn man hier sitzt und man sieht noch die Mauern, wo das Altenheim stand. Wenn man das hört, ist man so gebannt, man kann sich das richtig gut vorstellen, auch durch die Zeitzeugen, man ist dann sprachlos, ohne dieses Projekt wüsste gar nicht, dass hier ein jüdisches Altenheim mal gestanden hat und dass es ein Denkmal gibt. Eigentlich bin ich froh, dass einem sowas mal erzählt wird, dass man sieht, dass es so präsent ist hier, es macht einen schon sprachlos, sowas zu hören und es fesselt einen sehr."

Auch nach dieser Station bleibt bei der Schülerin das ungute Gefühl, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Sie finden, U-Bahn-Attacken auf Wehrlose sprechen dafür. Den Hinweis, dass da in den meisten Fällen doch Menschen eingreifen und nicht zusehen würden, nehmen sie zur Kenntnis, die Skepsis bleibt.

"Wenn ich damals gelebt hätte, hätte ich auch nichts unternommen, da muss man sich echt nichts vormachen. Heute zu sagen: Warum wurde damals nichts unternommen? Es gab doch so viele, die was wussten – das finde ich ein bisschen naiv. Auch wenn man weiß, dass es damals passiert ist, denke ich, dass es auch immer noch möglich ist. Gerade mit diesem Hörpol-Projekt, finde ich, übernimmt man schon Verantwortung, indem man sowas ins Leben ruft, einfach, um die Jugend auch aufzuklären. Gerade das ist die Verantwortung, die wir heute noch haben, dass wir das verbreiten und dass wir auch gegen sowas vorgehen. Deswegen finde ich echt toll, dass so ein Projekt ins Leben gerufen wurde. Dass der Mann so die Verantwortung gespürt hat und aktiv wurde, das finde ich echt bewundernswert."

Heute ist Unterrichtstag und heute werten wir die Erfahrungen der Audio-Tour aus.

Eine Woche später. Klassenlehrer Martin Korte sitzt vor seiner Klasse, im katholischen Schulzentrum Edith Stein im Prenzlauer Berg, einem gründerzeitlichen Backsteinbau mit Garten. Antonia und Josepha sind auch da, lächeln schüchtern.

Korte: "Wir haben uns ja so sieben, acht verschiedene Station angehört am vergangenen Freitag. Wie sind denn die einzelnen Stationen bei Ihnen angekommen? Hat das was bei Ihnen ausgelöst?"

Schüler 1: "Es ist durchaus ergreifend, wenn man weiß, dass an diesem Ort vor 60 Jahren dieses und jenes passiert ist, aber natürlich auch diese Einzelschicksale. In der Schule, da kriegt man das immer so auf Gesamtdeutschland bezogen und hier kriegt man mal so einzelne Orte auf dem Teller präsentiert. Das ist ganz gut gewesen."

Schüler 2: "Aber mein Horizont in Sachen Nationalsozialismus ist auf jeden Fall schon so weit, dass ich sage: Okay, ich weiß, was da so passiert ist. Ich wurde relativ gut aufgeklärt und ich brauche jetzt nicht noch eine andere Art der Aufklärung, die jüngere Leute anspricht. So etwas soll ja jüngere Leute ansprechen."

Schülerin: "Das war auch noch sowas, dass teilweise auf Effekthascherei gemacht wurde, weil da war dann so der böse SS-Mann, der dann da sich irgendwie von der Stimme her angehört hat wie auf einer Kinderkassette der böse Teufel oder so. Und ich finde das halt auch schon so erschreckend genug eigentlich, als dass man das jetzt auch noch so hörspielmäßig machen muss, dass es immer mehr wirklich wie zu einem Märchen wird."

6000 Mal wurden die Audio-Dateien bei Hörpol bisher herunter geladen, wie viele Menschen tatsächlich die Zeitreise vor Ort unternommen haben, weiß jedoch niemand. Dennoch ist Hörpol-Initiator Hans Ferenz zufrieden, er will das Projekt ausbauen:

"Es gibt jetzt die Überlegung, Treffen mit Zeitzeugen zu veranstalten vor Ort. Und zwar immer nach der Winterpause oder auch nach den Sommerferien sollen Schüler nach oder während ihres Rundgangs Experten oder Zeitzeugen treffen, so dass es praktisch immer nach den Winter- und nach den Sommerferien noch mal neu anläuft und nicht im Internet versackt."

Ausschnitt aus einem Hörpol-Audio:

Historiker: "Das fand vor aller Augen statt."

Straßenbahndurchsage: "Nächste Haltestelle Anhalter Bahnhof. Übergang zum Fernzug Richtung Dresden, mit Kurswagen nach Theresienstadt. Die Teilnehmer der Audioführung Hörpol steigen nicht in den Kurswagen um. Gehen Sie bitte weiter. Aussteige rechts."