Geschichte eines Kultvereins
Borussia Dortmund ist einer der populärsten deutschen Fußballvereine: Die Autoren Dietrich Schulze-Marmeling und Gerd Kolbe zeichnen in dem Buch die 100-jährige Geschichte des Vereins nach und machen das Werk nicht nur für eingefleischte BVB-Fans zum Gewinn.
Das Buch wiegt schwer. Über 450 Seiten sind eine Menge Holz. Vor schwarzem Hintergrund erstrahlt auf dem Einband das goldgelbe BVB-Wappen mitten in der mit weißen Rändern abgesetzten Jubiläumszahl 100: die Hostie in der Monstranz. Borussia als Religion. Die Ausgangslage für dieses Buch ist undankbar.
Bei der Nähe der Autoren zu ihrem Klub bestand die Gefahr, dass sich ein Kultverein zu diesem schwierigsten aller Jubiläen selbst abfeiert. Doch dazu kommt es nicht. Schulze-Marmeling und Kolbe gelingt es, trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer großen Liebe zum BVB kritische Distanz zu wahren. Offen und kenntnisreich werden Höhen und Tiefen des Vereins ausgelotet.
Chronologische Gliederung und abwechslungsreiche Präsentation des sehr umfangreichen Materials sorgen dafür, dass der Leser nicht von der Fülle des Materials erschlagen wird. Auf Porträts folgen Interviews, gefolgt von farblich abgesetzten Erklärstücken. Vor allem die historischen Fotos sorgen für weitere Abwechslung. Außerdem wird nicht nur die Vereinsgeschichte des BVB, sondern die spannende Sozialgeschichte des Fußballs in Europa mitgeliefert.
Mit der Industrialisierung des Ruhrgebiets kommen vor allem aus den Ostgebieten des Kaiserreichs immer mehr Menschen in die Region. Der als Akademikersport aus England importierte Fußball boomt und wird für die hart arbeitende Bevölkerung des Ruhrpotts zu einer festen Größe in der knappen Freizeit. Nach der Machtübernahme durch die Nazis wird der Fußball straff organisiert. Juden werden ausgeschlossen.
Auch die "BVB-Familie" arrangiert sich mit den Machthabern. Mit der ersten deutschen Meisterschaft 1956 gelingt es Borussia Dortmund, sich aus dem Schatten des übermächtigen Lokalrivalen Schalke 04 zu lösen. Nach dem ersten deutschen Europapokalsieg im Cup der Pokalsieger 1966 gegen Liverpool gerät der Klub aber in eine schleichende Krise.
Weil das Stadion, die alte "Kampfbahn Rote Erde", zu klein ist, nimmt man nicht genug Geld ein, um die teure Mannschaft bezahlen zu können. 1972 steigt das Bundesligagründungsmitglied Dortmund aus der höchsten deutschen Spielklasse ab. Vier Jahre später ist die Mannschaft zurück.
Das zur Fußball-WM 1974 eingeweihte Westfalenstadion sorgt für mehr Einnahmen. Als das Fernsehen zu Beginn der Neunziger den Fußball als teure Unterhaltungsware entdeckt, kommt noch mehr Geld in die Kasse. 1997 gewinnt der BVB als erster deutscher Verein die Champions League und läuft Bayern München den Rang ab. Doch grenzenlose Gier und Missmanagement führen dazu, dass man Ende 2004 mit über 120 Millionen Euro Verbindlichkeiten kurz vor dem Bankrott steht. Die alte Vereinsführung wird abgewählt.
Der neuen Geschäftsführung gelingt es, die Verbindlichkeiten abzubauen und den Verein wieder wirtschaftlich handlungsfähig zu machen. Obwohl in der aktuellen Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp der Welttorjäger Lucas Barrios steht, setzt Borussia zurzeit nicht mehr auf die ganz großen Stars.
Ein Vorzug des Buchs ist, dass man es nicht am Stück lesen muss. Jedes Kapitel steht für sich. Kolbe und Schulze-Marmeling verlassen sich ganz auf ihre Sachkenntnis. Leider gibt es kein Register mit Quellenverweisen, was der Arbeit noch mehr Seriosität verliehen hätte. An einigen Stellen ist das Buch nachlässig lektoriert. Trotzdem ist "Ein Jahrhundert Borussia Dortmund" wegen der Einordnung in die gesamte Fußballgeschichte nicht nur für eingefleischte BVB-Fans ein Gewinn.
Besprochen von Thomas Jaedicke
Dietrich Schulze-Marmeling/Gerd Kolbe: Ein Jahrhundert Borussia Dortmund 1909 bis 2009
Verlag Die Werkstatt, 456 Seiten, 44,90 Euro
Bei der Nähe der Autoren zu ihrem Klub bestand die Gefahr, dass sich ein Kultverein zu diesem schwierigsten aller Jubiläen selbst abfeiert. Doch dazu kommt es nicht. Schulze-Marmeling und Kolbe gelingt es, trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer großen Liebe zum BVB kritische Distanz zu wahren. Offen und kenntnisreich werden Höhen und Tiefen des Vereins ausgelotet.
Chronologische Gliederung und abwechslungsreiche Präsentation des sehr umfangreichen Materials sorgen dafür, dass der Leser nicht von der Fülle des Materials erschlagen wird. Auf Porträts folgen Interviews, gefolgt von farblich abgesetzten Erklärstücken. Vor allem die historischen Fotos sorgen für weitere Abwechslung. Außerdem wird nicht nur die Vereinsgeschichte des BVB, sondern die spannende Sozialgeschichte des Fußballs in Europa mitgeliefert.
Mit der Industrialisierung des Ruhrgebiets kommen vor allem aus den Ostgebieten des Kaiserreichs immer mehr Menschen in die Region. Der als Akademikersport aus England importierte Fußball boomt und wird für die hart arbeitende Bevölkerung des Ruhrpotts zu einer festen Größe in der knappen Freizeit. Nach der Machtübernahme durch die Nazis wird der Fußball straff organisiert. Juden werden ausgeschlossen.
Auch die "BVB-Familie" arrangiert sich mit den Machthabern. Mit der ersten deutschen Meisterschaft 1956 gelingt es Borussia Dortmund, sich aus dem Schatten des übermächtigen Lokalrivalen Schalke 04 zu lösen. Nach dem ersten deutschen Europapokalsieg im Cup der Pokalsieger 1966 gegen Liverpool gerät der Klub aber in eine schleichende Krise.
Weil das Stadion, die alte "Kampfbahn Rote Erde", zu klein ist, nimmt man nicht genug Geld ein, um die teure Mannschaft bezahlen zu können. 1972 steigt das Bundesligagründungsmitglied Dortmund aus der höchsten deutschen Spielklasse ab. Vier Jahre später ist die Mannschaft zurück.
Das zur Fußball-WM 1974 eingeweihte Westfalenstadion sorgt für mehr Einnahmen. Als das Fernsehen zu Beginn der Neunziger den Fußball als teure Unterhaltungsware entdeckt, kommt noch mehr Geld in die Kasse. 1997 gewinnt der BVB als erster deutscher Verein die Champions League und läuft Bayern München den Rang ab. Doch grenzenlose Gier und Missmanagement führen dazu, dass man Ende 2004 mit über 120 Millionen Euro Verbindlichkeiten kurz vor dem Bankrott steht. Die alte Vereinsführung wird abgewählt.
Der neuen Geschäftsführung gelingt es, die Verbindlichkeiten abzubauen und den Verein wieder wirtschaftlich handlungsfähig zu machen. Obwohl in der aktuellen Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp der Welttorjäger Lucas Barrios steht, setzt Borussia zurzeit nicht mehr auf die ganz großen Stars.
Ein Vorzug des Buchs ist, dass man es nicht am Stück lesen muss. Jedes Kapitel steht für sich. Kolbe und Schulze-Marmeling verlassen sich ganz auf ihre Sachkenntnis. Leider gibt es kein Register mit Quellenverweisen, was der Arbeit noch mehr Seriosität verliehen hätte. An einigen Stellen ist das Buch nachlässig lektoriert. Trotzdem ist "Ein Jahrhundert Borussia Dortmund" wegen der Einordnung in die gesamte Fußballgeschichte nicht nur für eingefleischte BVB-Fans ein Gewinn.
Besprochen von Thomas Jaedicke
Dietrich Schulze-Marmeling/Gerd Kolbe: Ein Jahrhundert Borussia Dortmund 1909 bis 2009
Verlag Die Werkstatt, 456 Seiten, 44,90 Euro