Geschichte eines Aufsteigers

30.11.2006
Robert Harris beschreibt in "Imperium" den Aufstieg von Marcus Tullius, besser bekannt als Cicero. In der Endphase der römischen Republik kämpft Cicero um Macht und Einfluss. – Spannend, lehrreich und amüsant.
In diesen Tagen macht unser Altkanzler Gerhard Schröder mit seiner Autobiographie "Entscheidungen" von sich reden. Aus dem Roman, den ich Ihnen heute vorstellen möchte, werden Sie mehr und genaueres über die Mechanismen der Politik, das Hauen und Stechen um die Macht, die Intrigen und Winkelzüge der modernen Demokratie erfahren als aus Gerhard Schröders Buch, vor allem werden Sie sich besser damit unterhalten.

"Imperium" heißt dieser Roman, geschrieben hat ihn der Brite Robert Harris, der durch die Alternativweltgeschichte "Vaterland" berühmt wurde und zuletzt mit "Pompeji" einen bemerkenswerten historischen Roman vorlegte.

Ein Mann will nach oben, so könnte man die Handlung von "Imperium" zusammenfassen. Diese Geschichte ist schon oft erzählt worden und doch ewig neu. Es geht um eine der erstaunlichsten politischen Karrieren aller Zeiten: nämlich um die Karriere des Marcus Tullius, genannt Cicero, der im 1. Jahrhundert vor Christus zu einem der einflussreichsten Männer der einzigen echten Weltmacht aufstieg: des antiken Roms. Geschildert wird dieser Aufstieg aus der Sicht von Tiro, Ciceros Sekretär, einer realen historischen Figur, die eine Vorform der modernen Stenographie erfand.

Obwohl "Imperium" vor 2000 Jahren spielt, in einer Zeit, als man Sklaven hielt, anderen Göttern opferte als wir heute und in Amphietheatern Gladiatoren verheizte, ist dieser Roman brandaktuell. Dies liegt zum einen an dem Stoff, der in diesem Buch verhandelt wird - welchen Preis hat die Macht? -, zum anderen an dem genialen Kniff, den sich Robert Harris für diesen Roman über die Endphase der römischen Republik und den Machtkampf zwischen Caesar, Crassus und Pompeius einfallen lassen hat: Er erzählt nämlich die Geschichte Ciceros wie einen modernen Anwaltsthriller.

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, Politik sei ein schmutziges Geschäft. Bei Harris ist es schmutzig und spannend. Jeder historische Roman erzählt von der Gegenwart, aber dieser ist in seinen Bezügen auf das heutige politische Personal wie Gerhard Schröder oder Tony Blair so taufrisch, dass eine Tageszeitung dagegen altbacken wirkt.

"Imperium" gelingt die Quadratur des Kreises in der Literatur: nämlich ein spannender Unterhaltungsroman zu sein, der gleichzeitig bildet und amüsiert.

Der einzige Wermutstropfen: "Imperium" ist der erste Band einer geplanten Trilogie und endet mit Ciceros Wahl zum Konsul - die Wartezeit auf die angekündigten Folgebände wird einem da ziemlich lang. Doch "Imperium" macht so neugierig auf Cicero, dass man Lust bekommt, einmal seine Originalschriften, -briefe und -reden zu lesen - zum Beispiel in der wunderbaren zweisprachigen Edition Tusculum bei Artemis & Winckler.

Rezensiert von Dennis Scheck

Robert Harris: Imperium
Deutsch von Wolfgang Müller
Heyne Verlag
475 Seiten, 19,90 Euro