Geschichte eines Abstiegs

Von Anke Leweke · 06.11.2013
In Woody Allens neustem Streich prallen Welten aufeinander: Die Witwe eines gescheiterten Finanzhochstaplers kehrt zurück in eine Welt der Armut, aus der sie eins entstammte. Es ist ein Vergnügen, Cate Blanchett dabei zuzuschauen.
Es ist die Geschichte eines Abstiegs. Von ganz oben, vom Olymp der New Yorker Finanzwelt. Hier hat Jasmine viele Jahre gelebt. Hier hat sie mit ihrem Mann, einem Finanzmakler, in einem luxuriösen Penthouse gewohnt, wurde mit Juwelen und teuren Klamotten überschüttet, gab große Feste und widmete sich ansonsten den üblichen Tätigkeiten reicher New Yorker Ehefrauen: Yoga, Pilates, Charity-Veranstaltungen, einkaufen.

Und nun ist alles vorbei! Jasmines Mann, der sie obendrein ständig betrog, wurde als Hochstapler enttarnt und hat sich im Gefängnis erhängt. Futsch sind auch die Häuser und Millionen. Jasmine bleibt nichts anderes übrig, als bei ihrer in ärmlichen Verhältnissen lebenden Halbschwester in San Francisco Zuflucht zu suchen.

Weg zum Oscar geebnet
Während Woody Allen das Vorleben seiner überdrehten Heldin erzählt, entspinnt sich in der Gegenwart diese Begegnung zweier Welten. Es ist ein Vergnügen, Cate Blanchett dabei zuzuschauen, wie sie Jasmine spielt, zwischen verzweifelter Grandezza und Depression, manischen Anfällen und einer bodenlosen Unsicherheit, die sie immer wieder zum Glas und zur Pillendose greifen lässt. Diesmal gibt es nicht den typischen Woody-Allen-Humor, der uns und seine Heldin tröstet. "Blue Jasmine" ist die ernste Geschichte eines Abstieges, der nicht aufzuhalten ist.

Man möchte Jasmine schütteln, rütteln, sie festhalten, während sie sich immer weiter in den Abgrund hinein bewegt, den sie nicht sehen will oder kann. Für die Rolle dieser großen Wegseherin und überdrehten Verdrängerin dürfte Cate Blanchett der Oscar sicher sein!

USA, 2013. 98 Minuten. Regie: Woody Allen. Mit: Cate Blanchett, Alec Baldwin, Peter Sarsgaard. 98 Minuten.