Geschichte der Menschheit

Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft hat die beiden ersten Bände der "Weltgeschichte für das 21. Jahrhundert" vorgelegt. Darin geht es vom Ursprung unserer Vorfahren in Afrika bis zum Jahr 600 nach Christus.
Zu ihrem 60. Geburtstag kündigte die Wissenschaftliche Buchgesellschaft in Darmstadt in diesem Jahr ihr eigenes Geburtstagsgeschenk gleichsam mit Fanfarenstößen an. Bis zum Herbst 2010 soll die 3072 Seiten starke, sechsbändige "Weltgeschichte für das 21. Jahrhundert" zum Subskriptionspreis von 349 Euro vorliegen. Die beiden ersten Bände, die den Bogen vom Ursprung unserer Vorfahren in Afrika bis zum Jahr 600 nach Christus spannen, liegen jetzt vor.

Und jetzt stellt sich die Frage, inwieweit es dem siebenköpfigen professoralen Herausgebergremium unter der Direktion von Professor Schmidt-Glintzer, der die "lieben Leserinnen und Leser" neugierig zu machen versucht auf die neue Weltgeschichte, tatsächlich auch gelungen ist, die geweckten hohen Erwartungen zu erfüllen.

"Erstmals", so Schmidt-Glintzer, werde hier "die Geschichte der Menschheit unter globalem Blickwinkel" geschrieben, "erstmals" würde hier "die Geschichte der Menschen unter Berücksichtigung aller Zeiten und Kulturen" dargestellt und somit sei diese Weltgeschichte "für jeden an der Geschichte interessierten Zeitgenossen unverzichtbar."

Nun - die ersten beiden Bände der WBG Weltgeschichte vereinen zwischen ihren leinenen Buchdeckeln qualitativ sehr heterogene Beiträge. Neben solider Historikerkost werden exzellente, aber auch schlampig zusammengeschusterte Beiträge geboten. Schade, dass die über 30 Autoren nicht von kompetenter Herausgeberhand dazu angespornt wurden, ein gleich hohes Niveau einzuhalten, das die interessierten Leser zu Recht von so einem Großprojekt erwarten.

Warum ausgerechnet der Sinologe Schmidt-Glintzer die Geschichte Indiens auf knapp 13 Seiten im Schweinsgalopp präsentieren musste, wissen die Götter. Weitgegend zusammenhanglos aneinander gereihte Fakten, die nichts vom Faszinosum des indischen Kulturraums vermitteln, prasseln auf den Leser ein.

Erstaunlich ist, dass Japan mit wenigen Worten abgetan wird als Anhängsel des chinesischen Kulturraums, wo doch die ältesten (14.000 Jahre alten) Keramikfunde der Welt aus Japan stammen, einer Zeit, in der von China nicht Vergleichbares existiert. Inakzeptabel ist auch der Beitrag über die "Herausbildung und Konsolidierung der Sprachen unserer frühen Vorfahren. In trockener, längst tot geglaubter philologischer Manier wird der Leser mit Fachbegriffen bombardiert, die nichts beitragen zur Erhellung der für unser Menschsein so zentralen Frage nach der Entstehung, Entwicklung und Verbreitung der Sprachen der Völker.

Wer sich wacker durch die beiden Bände durcharbeitet, wird an verschiedenen Stellen reichlich belohnt für sein Durchhaltevermögen: Dem Afrika-Beitrag im ersten Band gelingt es bravourös, auf der Basis Erkenntnisse das immer noch in unseren Köpfen herumspukende "falsche Bild von der Geschichte Afrikas" zu korrigieren.

Sehr gut gelungen ist auch die Einarbeitung neuester Forschungserkenntnisse aus der Ur- und Vorgeschichte - Erkenntnisse, die uns jetzt ein ganz neues Bild von den Menschen vor dem Neandertaler vermitteln, die mitnichten dumpf vor sich hin dämmernde aasfressende ferne Vorfahren das homo sapiens sapiens waren, sondern bereits vor weit über 400.000 Jahren kulturelle Höchstleistungen erbrachten, wie die bei Schöningen in Niedersachsen vor 15 Jahren gefundenen Präzisions-Jadgwaffenspeere eindrucksvoll belegen. Bleibt zu hoffen, dass die noch nicht veröffentlichten Bände der WGB Weltgeschichte sorgfältiger redigiert sind und das so vollmundig angekündigte Geburtstagsgeschenk zum 60-jährigen Bestehen der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft nicht zuviel von seinem Glanz verliert.

Besprochen von Hans-Jörg Modlmayr

WGB Welt-Geschichte. Eine globale Geschichte von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert
Herausgegeben von Walter Demel, Johannes Fried, Ernst-Dieter Hehl, Albrecht Jockenhövel, Gustav Adolf Lehmann, Helwig Schmidt-Glitzer, und Hans-Ulrich Thamer.
Band I: Vom Beginn bis 1200 v. Chr., 496 Seiten
Band II: 1200 v. Chr. Bis 600 n. Chr., 500 Seiten
Subskriptionspreis bis Herbst 2010: 349 Euro. Pro Band 58 Euro
Die Bände III und IV erscheinen im Frühjahr 2010 und Bände V und VI im Herbst 2010.