Geschichte

"Aachen war das neue, zweite Rom"

Von Gisela Keuerleber · 25.01.2014
Karl der Große wählte Aachen zum Mittelpunkt seines Reiches. Seine Gebeine liegen in einem Schrein im Aachener Dom. Sein Todestag verjährt sich am 28. Januar zum 1200 Mal.
Der Aachener Dom - er wurde 1978 als erstes deutsches Denkmal in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Im Zentrum des Domes, der im Laufe der Jahrhunderte etliche Um- und Anbauten erhalten hat, steht die Pfalzkirche Karls des Großen.
"Dieses Senkrechte in dem Bau ist doch ganz fantastisch. Sie sehen die Säulen , die Kapitelle, als einzigen Schmuck hier drin, wo Sie daran denken müssen, dass die Säulen und Kapitelle aus Rom und Ravenna gekommen sind, mit Genehmigung des Papstes, um sie hier einzubauen und zu dokumentieren, hier ist das neue Rom, Aachen war das neue, zweite Rom."
Der Dombaumeister Helmut Mayntz kann sich nach rund 20 Dienstjahren immer noch für das karolingische Gotteshaus begeistern. Der Raum gewährt Weite, ohne Unterwerfung zu fordern. In 31 Meter Höhe schwebt das Kuppelgewölbe über dem zentralen Oktogon. Es war zu jener Zeit der höchste Kuppelbau nördlich der Alpen.
"Es war vielleicht auch ein Bau, Kopie Tempel Salomons, es war das himmlische Jerusalem, in der Art sollte es was sein. Er kannte den Bau in Ravenna, den Zentralbau und das Oktogon, diese Acht, ist ja eine vollkommene Zahl, und in die Richtung haben die das damals sicherlich überlegt.
Theologie in Stein: Karl der Große habe den Bau "nach dem Beispiel des hochweisen Salomo" und "nach eigener Anordnung" errichten lassen schrieb der St. Gallener Mönch und Gelehrte Notker Balbulus 883.
Das Bauprinzip der Aachener Pfalzkapelle basiert auf Kreisen und Quadraten. Eiserne Ringanker in der Kuppel fangen die mächtigen Schubkräfte der Steine auf. So wie ein Fass mit Hilfe von Metallreifen zusammen gehalten wird. Eine geniale Technik, die im Land der Franken damals sicher unbekannt war, sagt Bauingenieur und Dombaumeister Helmut Mayntz:
"Aber man muss wissen, dass meiner Meinung nach Fachleute hierher gekommen sind, die Fachwissen hatten aus fernen Ländern. So haben wir ja im Mauerwerk diesen Ziegelsteinmörtel, den man in unseren Breiten hier nicht kennt, auch in Italien nicht kennt, jedenfalls nicht aus einem gesamten Bauwerk, und der mir nur bekannt ist aus der Hagia Sophia zum Beispiel. Da sieht man schon den Technologietransfer aus verschiedenen Stellen. Die Ringanker - wer konnte Eisen so schmieden? Da hat man mit Sicherheit irgendwelche Spezialisten hier nach Aachen holen müssen."
Odo von Metz gilt als Baumeister der Aachener Pfalzkappelle. Er ist zwar in Metz begraben, aber woher er stammt, ist ungeklärt. Ein armenischer Architekt, der in den Achtziger Jahren im Aachener Dom forschte, soll eine armenische Inschrift gefunden haben. Deren Übersetzung lautete: "Odo, der aus Metz kam, stammt aus dem Land, wo die Arche Noah am Heiligen Berg gestrandet ist." Am Fuße des Berges Ararat also. Belege für diese These gibt es nicht.
Ein weiteres Geheimnis war die Bauinschrift der Pfalzkapelle
"Es gibt eine Nachricht, die aber nicht mehr nachzuvollziehen ist, dass er z.B. aus Armenien stammen könnte. Armenien hatte damals schon eine sehr hohe Baukultur. (...) ich denke, dass hier für diesen Bau die besten Fachleute nach hier gekommen sind und Technologie nach hier gebracht haben."
Eiserne Ringanker, um den schwierigen Kuppelbau statisch abzusichern, kunstvolle Bronzegitter und -Türen aus einem Guss, aufwendig herzustellender Mörtel mit zerkleinerten Ziegelsteinen und ein Baumeister, der vielleicht aus Armenien stammen könnte. Vieles deutet darauf hin, dass Karl der Große arabische Baumeister für seinen Bau verpflichtet hat, oder zumindest Meister, die im byzantinischen Raum gearbeitet hatten. Ohne diesen Technologietransfer hätte die Kirche wohl kaum in nur rund zehn Jahren errichtet werden können. Diese kurze Bauzeit belegen Untersuchungen des Holzes, das im Fundament und in der Kuppel verbaut ist.
Geheimnisvoll wird es, wenn Dombaumeister Mayntz seine Besucher in die Westempore des oberen Umgangs des Oktogons führt.
"Hier sind wir jetzt im Obergeschoß des 16- Ecks, am Kaiserthron, die vier Stufen , die erkennbar aus einer Säule heraus gearbeitet worden sind, es gibt Graffitis drauf, die einen Kalvarienberg zeigen, das deutet auf Jerusalem hin, wenn wir uns die Platten des Sitzes selber anschauen, dann sehen Sie, wie die zusammengesetzt sind, die Platte hier auf der rechten Seite ist wesentlich dicker, wir denken , dass diese Platten aus der Grabeskirche in Jerusalem kommen, und damit haben sie diesen bestimmten Wert, nicht die Schönheit, sondern das ist der Wert."
Von Schönheit kann auch nicht die Rede sein: Wie eine Kiste wirkt der Thron auf seinem Podest. Dennoch strahlt er etwas Archaisches aus. Ob Karl der Große jemals darauf Platz genommen hat oder ob dieser Thron eher symbolische Bedeutung hatte, ist unklar. Die Marmorplatten sind aus antiken Bauwerken entnommen und zeigen deutliche Gebrauchsspuren. Auf einer seitlichen Platte ist ein Mühlespiel eingeritzt.
"Sie sehen es hier, das Mühlespiel, aber in der Vertikalen kann man kein Mühle spielen, also hat das vorher irgendwo anders auf dem Boden gelegen. / ja ist spannend, ist interessant, ist schön, also ein bisschen Geheimnis muss bleiben."
Ein weiteres Geheimnis war die Bauinschrift der Pfalzkapelle. Sie war im Laufe der Jahrhunderte zerstört worden, konnte aber mit Hilfe schriftlicher Quellen aus dem Jahr 800 rekonstruiert werden. Karls Biograph Einhard erwähnt sie sowie mittelalterliche Textsammlungen aus St. Gallen. Die Bauinschrift verläuft unterhalb des Kranzgesimses im Inneren des Oktogons – jeweils eine Zeile auf einer Wand. Darin ist die Rede von „gleichen Abmaßen“:
"Wenn sich die lebendigen Steine durch die Fugung des Friedens verbinden,
und wenn in gleichen Abmaßen alles zusammenstimmt,
pranget das Werk des Bauherrn, der das ganze Kirchengebäude errichtet ..."
Die Zahl acht, die dem Oktogon zugrunde liegt, ist die Verbindung der Schöpfungswoche mit der christlichen Erlösung: Gott schuf die Erde in sieben Tagen und durch die Auferstehung Christi wurde sein Werk vollendet - am achten Tag.
"So wolle Gott, dass dieser Tempel, den unser Herrscher Karl gegründet, auf festem Fundament sicheren Bestand habe."