Geschäftsmetropole Frankfurt am Main

Wie Corona und Digitalisierung die Stadt verändern

08:03 Minuten
Die Skyline von Frankfurt am Main bei Nacht
Sieben Prozent aller Büroflächen in Frankfurt sind momentan nicht vermietet - und wenn der Trend zum Homeoffice anhält, könnten es auch noch mehr werden. © imago images / Marcel Lorenz
Von Ludger Fittkau · 16.11.2020
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Frankfurt am Main ist Deutschlands Business-Hauptstadt. Doch wegen der Pandemie sinkt die Nachfrage nach Büroflächen, der Trend zu Onlinekäufen mindert zugleich den Bedarf an Gewerbeflächen. Wie wird sich die Stadt anpassen?
40 Prozent weniger Umsatz bei Vermietung oder Verkauf von Büroflächen im Vergleich zum Vorjahr – so hat sich die Coronapandemie bis Ende September auf den Immobilienmarkt der Mainmetropole ausgewirkt. Hinzu kommt ein starker Abbau von Arbeitsplätzen bei den traditionellen Großbanken aufgrund der Digitalisierung des Sektors.
Noch ist nicht klar, wie sich die Erfahrung des Homeoffice während der Covid-19-Krise langfristig auf den Büromarkt auswirken wird. Dennoch macht man sich in Frankfurt am Main bereits eifrig Gedanken über die "Post-Corona-Stadt".

Unsicherheit in der Industrie- und Handelskammer

Rund 200.000 Quadratmeter Bürofläche wurden laut Marktanalyse des Immobilienberatungsunternehmens Cushman & Wakefield von Januar bis September 2020 auf dem Büromarkt von Frankfurt am Main vermietet. Dazu kommen die Umsatzprobleme der großen Kaufhäuser und der klassischen Einkaufsstraßen, die die Konkurrenz des Online-Handels immer mehr spüren. IHK-Präsidiumsmitglied Joachim Stoll ist selbst Inhaber eines Lederwarengeschäfts in der Frankfurter City:
"Da ist das Verschwinden von ein Drittel der letzten verbliebenen Kaufhäuser. Was hat das für Auswirkungen auf die Standorte? Aber es ist ja nicht nur das. Wir haben ja große Ketten in Schwierigkeiten. Unter dem Schutzschirm sind auch mittelständische Betriebe in der Fashion-Branche im Importbereich. Daran hängen auch wieder Handelsvertreter. Da hängen Logistiker dran. Was passiert mit den Restaurants?"

Ein Drittel der Restaurants stehen vor der Insolvenz

Rund ein Drittel der Restaurants in der Region stehen durch die anhaltende Coronakrise vor der Insolvenz, schätzt der hessische Hotel-und Gaststättenverband. Andererseits gibt es aktuell auch wieder Lichtblicke – gerade auf dem Frankfurter Büromarkt. Mit rund 100.000 Quadratmetern wurde rund die Hälfte der Bürofläche nach dem Ende des Frühjahr-Lockdowns wegen der Coronapandemie im dritten Quartal vermietet.
Und: Obwohl die Banken wegen der Digitalisierung des Finanzgeschäftes grundsätzlich in Frankfurt am Main Arbeitsplätze abbauen, war laut Immobilienberater Cushman & Wakefield die größte Anmietung 2020 bisher die einer Bank – der DekaBank nämlich mit rund 16.000 Quadratmetern. Als zweiter neuer Großmieter wird die Fachhochschule Frankfurt am Main registriert – mit 10.000 Quadratmetern zusätzlicher Mietfläche. Und dies, obwohl viele Seminare auch im Wintersemester online stattfinden werden.
Studierende und Lehrkräfte, die während der Coronaphase berufen worden sind, fühlen sich auf dem Campus mit den meist verschlossenen Räumen ein wenig einsam:
"Ich vermisse wie alle anderen auch die persönlichen Begegnungen. Es gibt sogar einige Kolleginnen und Kollegen, die kenne ich nur als kleine Kacheln in einer Videokonferenz - und weiß gar nicht, ob die klein oder groß sind, dick oder dünn. Und wie ihre Stimme außerhalb des Computers sich anhört."

Sieben Prozent Leerstand bei Gewerbeflächen

Oliver Schwebel ist Geschäftsführer der kommunalen Wirtschaftsförderung in Frankfurt am Main. Er glaubt, dass das Homeoffice den Büroarbeitsplatz langfristig nicht abschaffen wird. Doch im Post-Corona-Büro wird es weniger eigene Schreibtische geben, kann sich Schwebel vorstellen:
"Das Thema Co-Working, Flexibilität, spielt für die Unternehmen eine große Rolle in Zukunft. Es gibt Mitarbeiter, die kommen sehr gut mit dem Homeoffice klar, und die bringen auch sehr, sehr gute Leistungen. Es gibt andere, die sagen: Um Gottes willen, ich möchte bitte im Betrieb bleiben, zuhause kann ich gar nicht arbeiten. Und deshalb kann man das nicht über einen Kamm scheren, sondern muss es auch individuell betrachten können."
Büros werden also wohl weiterhin gebraucht – das spiegeln bisher auch die Mietpreise in Frankfurt am Main. Laut der Beraterfirma Cushman & Wakefield lag Ende September die erzielbare Spitzenmiete für Büroräume im Bankenviertel unverändert bei 45 Euro pro Quadratmeter und Monat. Damit bleibe Frankfurt in Deutschland der teuerste Markt für sogenannte "Premiumflächen". Der Leerstand bei Büros liege zurzeit bei rund sieben Prozent.

"Nur Shopping" gehört der Vergangenheit an

Ob es um Büros geht oder um klassische Kaufhäuser, für Oliver Schwebel von der kommunalen Wirtschaftsförderung ist klar: Die Innenstadt von Frankfurt am Main wird sich in Post-Corona-Zeiten weiter verändern. Vor allem die reine Einkaufsstraße hat für Schwebel in Zeiten des Onlinehandels keine Zukunft mehr.
Schon jetzt sei etwa ein klassisches Einkaufszentrum an der bisherigen Frankfurter Hauptgeschäftsstraße Zeil so umgebaut worden, dass dort nun ein großes Kino oder Lebensmittelläden eingezogen sind. Wenn die Pandemie abflaut, gehöre solchen Mischnutzungen die Zukunft, davon ist Schwebel überzeugt:
"Die Menschen wollen auch in die Stadt. Ich glaube, sie wollen die sozialen Kontakte haben. Und die findet man eben nicht zuhause auf dem Sofa, sondern da ist es wichtig, dass es Angebote gibt. Und dann müssen wir auch in der Wirtschaftsförderung, aber natürlich auch in der Stadtplanung umdenken. Was die Gestaltung von Straßen betrifft, auch was die Nutzung betrifft: Eine reine Shopping-Nutzung, glauben wir, wird es in Zukunft nicht mehr geben."

Die Stadt als Ort für die Alten

Das sieht auch der Einzelhändler Joachim Stoll so. Der IHK-Vertreter wirbt für einen Blick auf die Stadt, der nicht nur von Handelsinteressen bestimmt ist. Insbesondere das Thema altersgerechtes Wohnen in der City hält Stoll immer mehr für ein Zukunftsthema:
"Bis vor Corona wollten die Leute ja weltweit in die Städte. Das ist kein deutsches Phänomen. Und so ganz glaube ich nicht, dass das zurückgedreht wird. Denn wir werden ja nun mal älter, und irgendwann können wir kein Auto mehr fahren. Und wenn sie in die Gegenden gucken, wo eben Lebensmittel-Händler, aber auch Metzger, Drogerien, Ärzte fehlen – da können Sie nicht hinlaufen. Und wenn wir es schaffen, in der Stadt bezahlbaren Wohnraum auch mit Aufzügen oder rollstuhlgerecht zu bauen, dann ist die Stadt sicher auch gerade für die ältere Bevölkerung einfach ein idealer Wohnplatz."
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