Geschäft mit toten Musikern

Der Manager von Doors, Ramones und Janis Joplin

Aufnahme der Sängerin Janis Joplin (undatiertes Archivbild)
Rock-Sängerin Janis Joplin: Vermarktung durch intensive Pflege ihres Erbes © picture-alliance / dpa
Von Marcel Anders |
Jeff Jampol hatte einst eine einträchtige Geschäftsidee – er machte sich zum Manager für tote Musiker. Seit er sich um die Doors, die Ramones und Janis Joplin kümmert, haben sich die CD-Verkäufe vervielfacht. Wie Jampol das macht, hat Marcel Anders recherchiert.
"Als ich bei den Doors eingestiegen bin, verkauften sie 300.000 bis 350.000 Alben im Jahr – und die Zahlen gingen ständig zurück. Aber nachdem ich einiges umgestellt hatte, waren es plötzlich anderthalb bis zwei Millionen. Und die Merchandise-Umsätze steigerten sich sogar um 800 Prozent. Da dachte ich mir: Wenn das bei Jim Morrison funktioniert, warum nicht auch bei allen anderen?"
Die Geburt einer genialen Geschäftsidee: 2003 erkannte Jeff Jampol das Potenzial verstorbener Rock-Ikonen. Die lassen sich nicht – wie aktive Künstler – über Auftritte im Radio und Fernsehen oder über Tourneen vermarkten, sondern nur über ihren Namen, ihre Songs und ihr Image. Merkmale, die zugleich ihre Bedeutung innerhalb der Popkultur definieren. Seien es die Ramones als Pioniere des Punk, die Doors als Rebellen der 60er und Janis Joplin als erste Sängerin der Rockgeschichte, die sich offen zu ihrer Bisexualität bekannte. Wobei Jampol vor allem junge Hörer erreichen will, die diese Künstler erst jetzt entdecken.
"Alle Plattenfirmen, die mit Backkatalog arbeiten, konzentrieren sich auf existierende Fangemeinden. Denn die sie sind leicht zu begeistern und geben das an Kinder, Neffen und Freunde weiter. Gleichzeitig ist diese Gruppe sehr überschaubar und kein Vergleich zu den potenziellen neuen Fans da draußen. Die erreicht man nicht mit 'Teil drei der größten Hits in einer neuen Reihenfolge'. Da muss man sich schon was einfallen lassen."
Jampol verzichtet auf Baseballkappen und Kaffeebecher
Tatsächlich verzichtet der 57-Jährige auf handelsübliches Merchandise wie T-Shirts, Baseballkappen und Kaffeebecher, um stattdessen auf sogenannte High-End-Produkte zu setzen: qualitativ hochwertige, aber kostspielige Box-Sets, Fotoalben und Autobiografien. Im Falle von Janis Joplin hat er mit "Made For Pearl" sogar eine Modelinie entwickelt, die Original-Outfits der Sixties-Sängerin von angesagten Designern nachschneidern lässt. Außerdem hat Jampol der Hippie-Ikone ein Musical und eine Filmbiographie gewidmet. Letztere lief 2015 unter dem Titel "Little Girl Blue" in den USA an, erhielt überschwängliche Kritiken – und soll demnächst auch in deutsche Kinos kommen.
"An dieser Dokumentation habe ich fünf Jahre gearbeitet. Und solche Projekte sind nichts, womit sich Geld verdienen lässt – sie dienen vielmehr dazu, den Künstler ins rechte Licht zu rücken und den Leuten nahezubringen, wer Janis war. Eben, damit sie die Musik noch mehr schätzen, die Botschaft verstehen und erkennen, wofür sie stand. Also auch, dass sie bisexuell war und sich Heroin gespritzt hat. Denn das hat sie – und ich thematisiere das auch. Nur so lassen sich ihre Persönlichkeit und ihre Magie korrekt vermitteln. Fängt man dagegen an, ihre Geschichte zu verändern, um eine pflegeleichte Version zu kreieren, kann man das Ganze nur ruinieren."
Das Motto des Managers: Schützen und dienen
Ob Jampol seine Künstler genau so vertritt, wie sie sich das zu Lebzeiten gewünscht hätten, kann er indessen nicht beantworten. Sein Motto, das er augenscheinlich sehr ernst nimmt, lautet "to protect and serve" – schützen und dienen. So lässt er keine Lizensierungen für Werbespots zu, keine posthumen Duette mit aktuellen Popstars und schon gar keine Auftritte als Hologramm. Womit er äußerst erfolgreich ist: Er besitzt ein schickes Büro in Hollywood sowie ein halbes Dutzend Mitarbeiter. Und er kann es sich leisten, wählerisch zu sein. So hat er es abgelehnt, die Nachlässe von Whitney Houston und Frank Sinatra zu managen. Nicht aus Snobismus, sondern weil sie nicht in sein Konzept passen.
"Es muss genug von dem vorhanden sein, was ich als IP – als 'Intellectual Property', also 'geistiges Eigentum' – bezeichne. Das habe ich verstanden, als ich mich mit dem Nachlass von Judy Garland befasst habe. Denn da musste ich erkennen: Alle ihre Aufnahmen gehören Capitol Records, und sie hat nicht einen Song selbst geschrieben – wie viele Künstler ihrer Zeit. Einschließlich Sinatra. Sie hat auch keine Rechte an Dorothy oder dem 'Zauberer von Oz', denn die liegen beim Filmstudio. Und das ist das Problem bei Schauspielern und Athleten – sie besitzen kein geistiges Eigentum, sondern nur ihren Namen."
Michael Jackson, 2Pac, Peter Tosh und Otis Redding sind auch dabei
Neben den Ramones, den Doors und der Joplin gehören auch Michael Jackson, der Rapper 2Pac, Reggae-King Peter Tosh und Soul-Legende Otis Redding zu Jampols Kundenstamm. Künstler, die ihm von Erben und Nachlassverwaltern angetragen werden, weil er einen hervorragenden Ruf genießt - als Musikliebhaber und Geschäftsmann. Für 2016 plant er eine große PR-Aktion für Skandal-Nudel Rick James, die 2004 verstorben ist – natürlich mit allem, was dazu gehört.
"Rick James war der unverfrorenste Rockstar aller Zeiten. Ihm war egal, was andere über ihn dachten. Und deswegen haben ihn die Leute geliebt – weil sie selbst davon träumten, wie er zu sein. Denn dieser Typ stand für Nutten, für Koks und Partys rund um die Uhr. Er war ein Super-Freak. Und sich um ihn zu kümmern, ist ein Riesenspaß. Zumal es da keine Grenzen gibt. Wir beginnen mit einem Kinofilm und einer Überarbeitung seiner Alben, die wir auf den Standard von 2016 bringen. Wie lassen sie so sauber und modern klingen wie eben möglich."
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