Gertz schließt Konflikte mit Kindersoldaten im Kongo nicht aus
Beim Einsatz deutscher Soldaten im Kongo hält Bernhard Gertz, Chef des Bundeswehr-Verbandes, bewaffnete Auseinandersetzungen auch mit Kindersoldaten für möglich. Es gebe dort Befürchtungen, dass die Soldaten aus Europa nur kämen, um die Wahlen des amtierenden Präsidenten Kabila abzusichern, sagte Gertz.
Birgit Kolkmann: Herr Gertz, wie riskant ist dieser Einsatz?
Bernhard Gertz: Ja, das hängt davon ab, wie sich die Lage im Land entwickelt. Zurzeit scheint es relativ ruhig zu sein, aber es gibt ungefähr 16 nicht entwaffnete und nicht demobilisierte Milizen, die auch zu den verschiedenen Mitgliedern der Übergangsregierung zum Beispiel zählen. Wenn da einer mit dem Wahlergebnis oder Wahlverlauf nicht zufrieden sein sollte, dann kann die relative Ruhe schnell in ziemlich hektische Aktivität umschlagen.
Kolkmann: Sind die Bundeswehrsoldaten gut vorbereitet auf die Tropen?
Gertz: Ich denke, ja. Wir haben erfahrene Tropenmediziner, die unsere Soldaten, was Impfung angeht, auf die Situation vorbereiten. Sie sind auch mental darauf eingestellt. Das heißt, von der Ausbildung her und von der Ausrüstung sehe ich keine Probleme.
Kolkmann: Welche Gefahren drohen denn noch, vor allen Dingen gesundheitliche?
Gertz: Na gut, das ist allgemein für Europäer ein sehr belastendes Klima. Da sind auch Nachttemperaturen um 30 Grad Celsius, es gibt also nicht wirklich richtige Erholungsphasen für den Körper. Und es gehört natürlich dazu, dass man eigentlich nur das Wasser trinken darf, was man am liebsten aus Europa mitgebracht hat, denn es herrschen so ziemlich alle Krankheiten dort, die man in Europa eigentlich weitgehend verbannt hat.
Kolkmann: Die Aids-Gefahr ist besonders groß in Afrika. Die Bundeswehrsoldaten werden vier Monate dort sein. Welche Verhaltensmaßregeln gibt es, was die Kontakte zur Bevölkerung angeht?
Gertz: Was den normalen Ansteckungsweg angeht, mache ich mir, ehrlich gesagt, nicht wirklich viel Sorgen, denn unsere Soldaten sind dienstlich so eingespannt, dass sie für "Besuche" nicht wirklich Zeit haben. Sie sind auch so vorbereitet, dass sie wissen, dass sie sich dort in einer Umgebung befinden, in der jeder körperliche Kontakt außerordentlich nachteilig werden kann. Das ist eigentlich das Problem, über das wir uns alle am wenigsten Sorgen machen.
Kolkmann: Die Frage ist auch, wie willkommen sind die deutschen Soldaten. Im Moment ist ja das Vorauskommando da, man knüpft Kontakte, man sondiert die Situation. Wie sind die ersten Reaktionen?
Gertz: Das kann ich noch nicht wirklich verifizieren. Ich werde demnächst auch selber hinfliegen, um vor Ort tatsächlich eigene Eindrücke zu bekommen. Bislang war es so, dass diejenigen, die sich haben vernehmen lassen, erklärt haben, die deutschen Soldaten seinen willkommen. Es hat aber auch Stimmen gegeben, die gesagt haben: All die Soldaten, die aus Europa kommen, kommen letztlich nur, um die Wahl von Herrn Kabila abzusichern, um sein Regime zu stabilisieren. Deswegen kann man nicht ganz sicher sein, dass dieser Willkommensgruß wirklich allgemein verbreitet ist.
Kolkmann: Nun wurden die Deutschen ja auch schon ein bisschen belächelt, weil gesagt wurde: Sie haben sich das ungefährlichste Gebiet ausgesucht, denn der eigentliche Krieg, die Auseinandersetzungen finden ja ohnehin weit im Osten statt, 2000 Kilometer entfernt.
Gertz: Ja, wenn niemand nötig gewesen wäre in Kinshasa, dann hätte ganz sicher Jean-Marie Guehenno, der beigeordnete Generalsekretär der Vereinten Nationen, am 28. Dezember vergangenen Jahres keine Anfrage an die Europäische Union gerichtet, die als ersten Zweck ganz konkret Abschreckung in Kinshasa selbst vorgesehen hat, und der hat das deshalb gefordert, weil es in der Tat nach wie vor im Raum Kinshasa eine ganze Reihe nicht demobilisierter und entwaffneter Milizen gibt.
Und von daher macht auch diese Funktion Sinn. Im Übrigen ist die zweite Funktion aller Soldaten von EUFOR, dass wir die MONUC-Truppe im Fall von Auseinandersetzungen während oder nach der Wahl unterstützen soll im ganzen Land: So dass sich also die schöne Absicht, sich auf Kinshasa zu beschränken, nach meiner Einschätzung im Fall des Auftretens von Konflikten nicht wirklich einhalten lassen wird.
Kolkmann: Können die Bundeswehrsoldaten in die unangenehme Situation geraten, auf Kindersoldaten schießen zu müssen?
Gertz: Das kann man natürlich nicht ausschließen. Im Raum Kinshasa selbst ist die Gefahr wohl denkbar gering. Im ganzen Land, wenn es zum Beispiel zu Evakuierungsoperationen kommen müsste, wäre das eine andere Situation, aber die gilt für alle Soldaten der Welt: Wer auf mich eine Waffe richtet in der Absicht, auf mich zu schießen, dem muss ich möglichst zuvorkommen, und es besteht dann ganz objektiv nicht die Möglichkeit nachzufragen, ist derjenige, der die Waffe auf mich richtet, 12, 13, 14, 17 oder 19.
Kolkmann: Soweit zum Einsatz im Kongo. Es gibt bereits Ansinnen auch seitens der Vereinten Nationen, dass deutsche Soldaten möglicherweise in den Sudan, in die Krisenregion Darfur geschickt werden sollen. Wie stehen Sie dazu als Bundeswehr-Verband?
Gertz: Ja, es ist natürlich wirklich eine Krisenregion. Im Westsudan in der Region Dafur sorgt nach wie vor die sudanesische Regierung dafür , dass der Bürgerkrieg nicht endet, sie setzt arabische Reitermilizen ein, sponsort die, die machen Massenmord und Massenvertreibung. Und die afrikanische Mission im Sudan hat es nicht geschafft, während zwei Jahren nicht geschafft, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Das ist wirklich ein echtes humanitäres Problem. Unsere amerikanischen Freunde drängen seit Monaten ganz ausdrücklich auf einen Einsatz der NATO unter UN-Mandat in Dafur. Ich schließe nicht aus, dass es zu einem solchen NATO-Einsatz unter UN-Mandat kommen wird.
Allerdings sollten unsere amerikanischen Freunde auch wissen, dass wir nicht überall dabei sein können, das heißt, wenn wir uns im Kongo engagieren, dann können wir nicht zum Beispiel die gleichen Fähigkeiten auch noch in Dafur anbieten, nachdem wir ohnehin schon nach wie vor in Afghanistan, auf dem Balkan gebunden sind. Im Übrigen haben wir in Dafur in der Vergangenheit schon Transportleistungen erbracht, indem wir die afrikanischen Soldaten mit Transall-Maschinen nach Dafur transportiert haben. So etwas könnte man sich auch in Zukunft vorstellen; eine Stationierung von deutschen Soldaten direkt in Dafur kann ich mir allerdings kaum vorstellen.
Kolkmann: Sie haben das Stichwort Afghanistan genannt. Heute übernimmt dort Bundeswehrgeneral Kneip das Kommando, und auch die Verlagerung des Schwerpunktes von Kabul in den Norden ist abgeschlossen. Können sich die Soldaten trotzdem nicht in Sicherheit wiegen, weil der Einsatz dort immer gefährlicher wird?
Gertz: Also in Afghanistan kann sich niemand in Sicherheit wiegen. Spätestens seit den Häufungen der Anschläge im vergangenen Jahr bereits, erst recht aber in diesem Jahr, muss jedem deutschen Soldaten klar sein, auch jedem alliierten Soldaten klar sein, dass es so viele Terroristen und so viele Unterstützer gibt, dass man in der Tat 24 Stunden rund um die Uhr in dem Risiko schwebt, einem Sprengstoffattentat oder einem anderen Anschlag zum Opfer zu fallen. Das ist so, unsere Soldaten sind auf die Situation eingestellt, aber sie ist natürlich nicht sehr zuträglich, und vor allen Dingen wenn sich die Sicherheitslage weiter verschlechtern sollte, dann wird das auch seine Spuren bei der Motivation der Soldaten hinterlassen.
Kolkmann: Vielen Dank für das Gespräch.
Bernhard Gertz: Ja, das hängt davon ab, wie sich die Lage im Land entwickelt. Zurzeit scheint es relativ ruhig zu sein, aber es gibt ungefähr 16 nicht entwaffnete und nicht demobilisierte Milizen, die auch zu den verschiedenen Mitgliedern der Übergangsregierung zum Beispiel zählen. Wenn da einer mit dem Wahlergebnis oder Wahlverlauf nicht zufrieden sein sollte, dann kann die relative Ruhe schnell in ziemlich hektische Aktivität umschlagen.
Kolkmann: Sind die Bundeswehrsoldaten gut vorbereitet auf die Tropen?
Gertz: Ich denke, ja. Wir haben erfahrene Tropenmediziner, die unsere Soldaten, was Impfung angeht, auf die Situation vorbereiten. Sie sind auch mental darauf eingestellt. Das heißt, von der Ausbildung her und von der Ausrüstung sehe ich keine Probleme.
Kolkmann: Welche Gefahren drohen denn noch, vor allen Dingen gesundheitliche?
Gertz: Na gut, das ist allgemein für Europäer ein sehr belastendes Klima. Da sind auch Nachttemperaturen um 30 Grad Celsius, es gibt also nicht wirklich richtige Erholungsphasen für den Körper. Und es gehört natürlich dazu, dass man eigentlich nur das Wasser trinken darf, was man am liebsten aus Europa mitgebracht hat, denn es herrschen so ziemlich alle Krankheiten dort, die man in Europa eigentlich weitgehend verbannt hat.
Kolkmann: Die Aids-Gefahr ist besonders groß in Afrika. Die Bundeswehrsoldaten werden vier Monate dort sein. Welche Verhaltensmaßregeln gibt es, was die Kontakte zur Bevölkerung angeht?
Gertz: Was den normalen Ansteckungsweg angeht, mache ich mir, ehrlich gesagt, nicht wirklich viel Sorgen, denn unsere Soldaten sind dienstlich so eingespannt, dass sie für "Besuche" nicht wirklich Zeit haben. Sie sind auch so vorbereitet, dass sie wissen, dass sie sich dort in einer Umgebung befinden, in der jeder körperliche Kontakt außerordentlich nachteilig werden kann. Das ist eigentlich das Problem, über das wir uns alle am wenigsten Sorgen machen.
Kolkmann: Die Frage ist auch, wie willkommen sind die deutschen Soldaten. Im Moment ist ja das Vorauskommando da, man knüpft Kontakte, man sondiert die Situation. Wie sind die ersten Reaktionen?
Gertz: Das kann ich noch nicht wirklich verifizieren. Ich werde demnächst auch selber hinfliegen, um vor Ort tatsächlich eigene Eindrücke zu bekommen. Bislang war es so, dass diejenigen, die sich haben vernehmen lassen, erklärt haben, die deutschen Soldaten seinen willkommen. Es hat aber auch Stimmen gegeben, die gesagt haben: All die Soldaten, die aus Europa kommen, kommen letztlich nur, um die Wahl von Herrn Kabila abzusichern, um sein Regime zu stabilisieren. Deswegen kann man nicht ganz sicher sein, dass dieser Willkommensgruß wirklich allgemein verbreitet ist.
Kolkmann: Nun wurden die Deutschen ja auch schon ein bisschen belächelt, weil gesagt wurde: Sie haben sich das ungefährlichste Gebiet ausgesucht, denn der eigentliche Krieg, die Auseinandersetzungen finden ja ohnehin weit im Osten statt, 2000 Kilometer entfernt.
Gertz: Ja, wenn niemand nötig gewesen wäre in Kinshasa, dann hätte ganz sicher Jean-Marie Guehenno, der beigeordnete Generalsekretär der Vereinten Nationen, am 28. Dezember vergangenen Jahres keine Anfrage an die Europäische Union gerichtet, die als ersten Zweck ganz konkret Abschreckung in Kinshasa selbst vorgesehen hat, und der hat das deshalb gefordert, weil es in der Tat nach wie vor im Raum Kinshasa eine ganze Reihe nicht demobilisierter und entwaffneter Milizen gibt.
Und von daher macht auch diese Funktion Sinn. Im Übrigen ist die zweite Funktion aller Soldaten von EUFOR, dass wir die MONUC-Truppe im Fall von Auseinandersetzungen während oder nach der Wahl unterstützen soll im ganzen Land: So dass sich also die schöne Absicht, sich auf Kinshasa zu beschränken, nach meiner Einschätzung im Fall des Auftretens von Konflikten nicht wirklich einhalten lassen wird.
Kolkmann: Können die Bundeswehrsoldaten in die unangenehme Situation geraten, auf Kindersoldaten schießen zu müssen?
Gertz: Das kann man natürlich nicht ausschließen. Im Raum Kinshasa selbst ist die Gefahr wohl denkbar gering. Im ganzen Land, wenn es zum Beispiel zu Evakuierungsoperationen kommen müsste, wäre das eine andere Situation, aber die gilt für alle Soldaten der Welt: Wer auf mich eine Waffe richtet in der Absicht, auf mich zu schießen, dem muss ich möglichst zuvorkommen, und es besteht dann ganz objektiv nicht die Möglichkeit nachzufragen, ist derjenige, der die Waffe auf mich richtet, 12, 13, 14, 17 oder 19.
Kolkmann: Soweit zum Einsatz im Kongo. Es gibt bereits Ansinnen auch seitens der Vereinten Nationen, dass deutsche Soldaten möglicherweise in den Sudan, in die Krisenregion Darfur geschickt werden sollen. Wie stehen Sie dazu als Bundeswehr-Verband?
Gertz: Ja, es ist natürlich wirklich eine Krisenregion. Im Westsudan in der Region Dafur sorgt nach wie vor die sudanesische Regierung dafür , dass der Bürgerkrieg nicht endet, sie setzt arabische Reitermilizen ein, sponsort die, die machen Massenmord und Massenvertreibung. Und die afrikanische Mission im Sudan hat es nicht geschafft, während zwei Jahren nicht geschafft, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Das ist wirklich ein echtes humanitäres Problem. Unsere amerikanischen Freunde drängen seit Monaten ganz ausdrücklich auf einen Einsatz der NATO unter UN-Mandat in Dafur. Ich schließe nicht aus, dass es zu einem solchen NATO-Einsatz unter UN-Mandat kommen wird.
Allerdings sollten unsere amerikanischen Freunde auch wissen, dass wir nicht überall dabei sein können, das heißt, wenn wir uns im Kongo engagieren, dann können wir nicht zum Beispiel die gleichen Fähigkeiten auch noch in Dafur anbieten, nachdem wir ohnehin schon nach wie vor in Afghanistan, auf dem Balkan gebunden sind. Im Übrigen haben wir in Dafur in der Vergangenheit schon Transportleistungen erbracht, indem wir die afrikanischen Soldaten mit Transall-Maschinen nach Dafur transportiert haben. So etwas könnte man sich auch in Zukunft vorstellen; eine Stationierung von deutschen Soldaten direkt in Dafur kann ich mir allerdings kaum vorstellen.
Kolkmann: Sie haben das Stichwort Afghanistan genannt. Heute übernimmt dort Bundeswehrgeneral Kneip das Kommando, und auch die Verlagerung des Schwerpunktes von Kabul in den Norden ist abgeschlossen. Können sich die Soldaten trotzdem nicht in Sicherheit wiegen, weil der Einsatz dort immer gefährlicher wird?
Gertz: Also in Afghanistan kann sich niemand in Sicherheit wiegen. Spätestens seit den Häufungen der Anschläge im vergangenen Jahr bereits, erst recht aber in diesem Jahr, muss jedem deutschen Soldaten klar sein, auch jedem alliierten Soldaten klar sein, dass es so viele Terroristen und so viele Unterstützer gibt, dass man in der Tat 24 Stunden rund um die Uhr in dem Risiko schwebt, einem Sprengstoffattentat oder einem anderen Anschlag zum Opfer zu fallen. Das ist so, unsere Soldaten sind auf die Situation eingestellt, aber sie ist natürlich nicht sehr zuträglich, und vor allen Dingen wenn sich die Sicherheitslage weiter verschlechtern sollte, dann wird das auch seine Spuren bei der Motivation der Soldaten hinterlassen.
Kolkmann: Vielen Dank für das Gespräch.