Germanwatch: Verbindliches Klimaabkommen noch möglich

Christoph Bals im Gespräch mit Hanns Ostermann |
Christoph Bals, Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch, schließt nicht aus, dass es auf dem Klimagipfel in Kopenhagen doch zu einer Einigung kommt.
Hanns Ostermann: So gut wie keine Fortschritte beim Klimaschutz – immer wieder war das in den letzten zwei Jahren die ernüchternde Bilanz, wenn es darum ging, ein Nachfolgeabkommen für Kyoto vorzubereiten. Es läuft 2012 aus und die Zeit wird knapp. Derzeit findet in Barcelona die letzte Konferenz vor dem Weltklimagipfel in fünf Wochen in Kopenhagen statt, doch kaum jemand rechnet mit einem Durchbruch. Es scheint Stillstand zu herrschen. Woran das liegt und womit für Kopenhagen überhaupt noch zu rechnen ist, darüber möchte ich mit Christoph Bals sprechen. Er ist politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. Guten Morgen, Herr Bals!

Christoph Bals: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Kaum jemand rechnet noch für Kopenhagen mit einem Vertrag, eher mit einer politischen Erklärung. Gehen Sie auch davon aus oder hoffen Sie noch auf den Durchbruch in Barcelona, wo Sie sich derzeit aufhalten?

Bals: Nun, es ist durchaus noch möglich, ein gesetzlich verbindliches Abkommen in Kopenhagen zu bekommen, auch wenn man nicht mehr alle Details davon zu Ende verhandeln kann, das heißt, dass dann eine ganze Reihe von Details noch in den Monaten danach zu Ende verhandelt werden müssen. Das ist die große Frage: Werden wir nur eine politische Erklärung bekommen? Nur eine politische Erklärung würde bedeuten, dass man wie auf G-8-Gipfeln oder G-20-Gipfeln eine Menge schöne Worte bekommt, wo keine Substanz dahinter ist, wo kein Umsetzungsapparat dahinter ist, wo keine rechtliche Verbindlichkeit dahinter ist. Und das wäre tatsächlich fast noch schlimmer als ein Scheitern des Klimagipfels insgesamt, was auch noch möglich ist.

Ostermann: Herr Bals, Sie haben etwas Hoffnung auf der anderen Seite. Es gibt in den USA noch kein Klimagesetz, das wird auch in fünf Wochen in Kopenhagen noch nicht vorliegen. Davon hängt doch eigentlich Entscheidendes ab?

Bals: Ja, davon hängt Entscheidendes ab. Wir sehen weltweit in den großen Nationen überall Fortschritte im Klimabereich. Wir sehen das in den USA, dass es in den letzten zehn Monaten einen großen Sprung nach vorne gegeben hat. Wenn allerdings auch noch längst nicht ausreichend von dem her, wo wir hingehen müssen. Wir sehen das auch in China, dass dort im Bereich erneuerbaren Energien, im Bereich Energieeffizienz viel, viel mehr gemacht wird, als wir noch vor zwei Jahren zu hoffen gewagt hätten. Aber diese Fortschritte spiegeln sich im Moment noch nicht in der Dynamik der Verhandlungen wider. Das ist die Aufgabe der politischen Führung jetzt in den nächsten Wochen. Es sind noch 38 Tage bis Kopenhagen, das tatsächlich in politischen Willen umzusetzen, der zu einem Abkommen führt.

Ostermann: Gibt es denn möglicherweise auch – wird daran in Barcelona gedacht derzeit – gibt es eigentlich einen Plan B?

Bals: Es gibt keinen wirklichen Plan B. Natürlich ist man jetzt am Überlegen, welche Teile müssen schon verhandelt sein bis Kopenhagen, damit es tatsächlich ein gesetzlich verbindliches Abkommen dort geben kann, und was kann dann auch später verhandelt werden, was sind Details, die man in den Wochen und Monaten danach verhandeln kann. Aber ein Plan zu sagen, wenn das hier alles scheitert, wie dann ein in der notwendigen Kürze der Zeit – die weltweiten Emissionen sollen ja zwischen 2015 und 20 dann schon ihren Höhepunkt erreicht haben und ins Gegenteil in eine starke Reduktionskurve hineinwandern –, wie das erreicht werden soll, wenn das scheitert, dazu hat keiner bisher irgendeine Idee vorgelegt.

Ostermann: Herr Bals, lassen Sie uns konkreter werden: Was wäre für Kopenhagen für Sie unabdingbar nötig, um diese Veranstaltung, diesen Weltklimagipfel doch zu einem einigermaßen Erfolg jedenfalls werden zu lassen?

Bals: Nun, zum einen muss über die wesentlichen Institutionen, die man braucht, um ernsthaften Klimaschutz weltweit umzusetzen, wo der Finanztransfer, der Technologietransfer, der Emissionshandel weltweit mitorganisiert wird und auch die Anpassung an den Klimaschutz in den besonders betroffenen Ländern, da drüber muss im Wesentlichen Klarheit hergestellt sein. Dann muss es verbindliche Verpflichtungen geben, diese Institutionen aufzubauen. Und dann sind die beiden großen Ziele, das heißt, wie viel Klimaschutz wird geleistet von den Industrieländern auf der einen Seite und von den Schwellenländern auf der anderen Seite, wie viel Waldschutz wird geleistet und wie viel finanzielle Unterstützung für den Klimaschutz und die Anpassung für die besonders betroffenen Menschen in den ärmsten Entwicklungsländern, wie viel wird dort geleistet, dafür muss es die wesentlichen Entscheidungen in Kopenhagen geben. Das sieht im Moment so aus, dass wenn genug politischer Wille da ist, dass das auch erreicht werden kann. Viele der Umsetzungsdetails, wie das dann umgesetzt wird, müssen dann wie gesagt noch in der Zeit darauf weiterverhandelt werden.

Ostermann: Und da kann man davon ausgehen, dass dann wenigstens noch ein halbes Jahres vergehen wird. Sie haben einen entscheidenden Punkt angesprochen, wie den armen Ländern finanziell geholfen werden kann, da ist man sich ja auch in der Europäischen Union noch nicht einmal einig. Das heißt doch, auch hier sind die Erfolgsaussichten relativ gering.

Bals: Nun, man hat in der EU jetzt einen gewissen Fortschritt dabei gemacht, dass man von ihrer Seite gezeigt hat, wie hoch man bereit wäre, im Gesamtkontext zu gehen. Man hat dann keine konkreten Zahlen vorgelegt, welchen Teil davon von dem, was die Industrieländer insgesamt leisten sollen, die EU leisten soll. Auch ist es nur ungefähr knapp die Hälfte von dem, was tatsächlich notwendig wäre. Aber es war ein großer Schritt nach vorne, den die EU hierbei gegangen ist, da müssen jetzt weitere folgen. Ich betrachte das als den Eröffnungszug für Verhandlungen, nicht als den letzten Zug, der dabei gegangen worden ist. Und genau diese Art von Dynamik müssen wir jetzt weiter entfalten bis Kopenhagen und in den Monaten danach.

Ostermann: Der politische Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch, Christoph Bals. Herr Bals, danke Ihnen für das Gespräch heute früh!

Bals: Ich danke auch!