Germanwatch fordert "faires Handy"
Nach Ansicht von Cornelia Heydenreich sollten ökologische und soziale Probleme bei der Herstellung von Computern und Mobiltelefonen stärker beachtet werden. Von der IT-Branche verlangte die Germanwatch-Referentin die Einführung von "fairen" Handys und Laptops.
Christopher Ricke: Hannover ist in dieser Woche der Nabel der digitalen Welt, die CeBIT läuft, und einmal möchte ich die Abkürzung CeBIT in voller Schönheit aussprechen: CeBIT heißt "Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation". Bei der CeBIT einen Schwerpunkt in diesem Jahr, Green IT, also umweltverträgliche Informationstechnologie. Bei der Tatsache kann man ja bleiben. Alle Handys, Computer, Monitore und Netzteile brauchen viel, viel Strom, und der Elektroschrott, der dann alle paar Jahre anfällt, wenn man seine Sachen ausmustert, ist eine echte Umweltbelastung. Ich spreche mit Cornelia Heydenreich von der Organisation Germanwatch. Hier macht man sich stark für eine sozial gerechte, ökologisch verträgliche und ökonomisch tragfähige, globale Entwicklung. Guten Morgen, Frau Heydenreich!
Cornelia Heydenreich: Guten Morgen!
Ricke: Ich muss zugeben, ich habe mir ehrlich gesagt bis vor wenigen Tagen nicht so viel Gedanken gemacht über den Stromverbrauch meines Computers, meines Handys und meines DSL-Modems. Ich habe eher über den Stromverbrauch meines Kühlschranks nachgedacht. War ich da auf einem Auge blind?
Heydenreich: Ich denke schon, dass Sie da auf einem Auge blind waren, aber ist ja gut, dass Sie das Thema heute hier thematisieren. Wir stellen auch immer fest, dass Computer, Handys und was damit an ökologischen und erst recht sozialen Problemen verbunden ist, dass das viele Leute bisher noch nicht im Blick haben.
Ricke: Strom wird verbraucht von all diesen Geräten, aber diese Geräte sind auch voller Chemie. Darum bringt man ja seinen Computer, wenn er dann nach ein paar Jahren nicht mehr taugt, zum Wertstoffhof und schmeißt ihn nicht einfach in die eigene Mülltonne. Erkennen Sie denn eine Entwicklung hin zu einer saubereren Platine, zu einem besseren ökologischeren Chip?
Heydenreich: Es gibt eine Entwicklung, aber die ist noch viel langsam. Die ist zum einen auch beschleunigt worden durch Regulierungen, die es auf EU-Ebene gibt. Also das sind einige Stoffe, die giftigsten, inzwischen auch verboten, also dass Kadmium und Quecksilber und Blei da nicht mehr genutzt werden soll, aber dann gibt es noch Ausnahmeregelungen. Aber wir sehen, dass es da Entwicklungen gibt, nicht zuletzt auch angetrieben zum Beispiel durch Greenpeace, die seit einigen Jahren ein Ranking der Unternehmen machen und da auch schrittweise sehen, dass da was passiert. Aber ohne Druck und ohne Regulierung sehen wir, da passiert nicht so viel.
Ricke: Braucht’s tatsächlich den Zwang, geht das nicht mit Freiwilligkeit?
Heydenreich: Allein jedenfalls bisher sehen wir das nicht, dass das geht. Also wie gesagt, hatten wir den Eindruck, es brauchte zum einen Rahmensetzung und andererseits Nichtregierungsorganisationen, die auf die Themen aufmerksam machen. Es ist jetzt nicht alles für die Unternehmen kostenlos. Da müssen neue Verbindungen recherchiert werden und geschaut werden, wie kann man jetzt bestimmte Stoffe ersetzen durch andere, um zum Beispiel die giftigsten Chemikalien zu ersetzen. Das sehen wir auch, das wird sicherlich nicht vom Himmel fallen, da muss man auch etwas investieren. Aber wir denken, das ist gut investiert.
Ricke: Die Entsorgung eines Elektronikgerätes, das ist das Ende des Lebenszyklus. Am Anfang steht die Produktion, und diese Produktion findet oft in Billiglohnländern unter bedenklichen Arbeitsbedingungen statt. Man kennt die Horrorgeschichten, nicht nur aus den Fabriken, sondern zum Beispiel auch aus Afrika, wo unter menschenunwürdigen Bedingungen Erze wie Coltan geschürft werden, die dann verarbeitet in unseren Handys ankommen. Beim Kaffee und bei Bananen gibt es ja so etwas wie fair gehandelte Produkte. Gibt es so etwas auch bei Computern?
Heydenreich: Leider gibt es so etwas bisher nicht. Dafür setzen wir uns ein mit der Kampagne "Make IT fair", die europaweit in mehreren Ländern aktiv ist, weil wir finden, das wäre nötig, dass es auch ein faires Handy oder einen fairen Laptop gibt. Dazu haben wir die Industrie auch im letzten Jahr bereits aufgefordert, aber bisher gibt es so was in der Art noch nicht. Sicher ist es auch ein bisschen komplizierter als beim Kaffee, wo es wirklich nur ein Rohstoff ist, sondern im Handy sind allein ungefähr 30 verschiedene Metalle und darüber hinaus eine ganze Menge weitere Elemente, die erst mal alle nachverfolgt werden müssen. Und dann gibt es verschiedene Schritte in der Produktion, wo überall auch geschaut werden muss, dass die Arbeitsbedingungen in Ordnung sind und die Menschen nicht ausgebeutet werden und zu hohen Stunden arbeiten. Also da gibt es eine Menge zu tun. Das sehen wir auch, dass das sicher nicht ganz schnell passiert. Aber die Industrie sollte mehr tun, um dort die Bedingungen zu verbessern.
Ricke: Da sind wir wieder an dem Punkt: Freiwillig oder durch Zwang?
Heydenreich: Wir glauben, dass da auch Zwang erforderlich ist. Ich meine, es gibt eigentlich auch Regulierungen. In Ländern wie China gibt es eine Arbeitsgesetzgebung, die auch gar nicht so schlecht ist. Die wird halt mitunter auch nicht so eingehalten, aber das liegt nicht nur daran, dass vielleicht der juristische Zwang nicht da ist, sondern wie insgesamt halt die Wirtschaft arbeitet, dass da mit einem hohen Preisdruck und einem großen Preiswettbewerb unter den Unternehmern gearbeitet wird. Und der wird natürlich an die Zulieferer weitergegeben. Und damit die zu den Bedingungen liefern können, müssen sie oder sind sie quasi fast dazu gezwungen, bestimmte Rechte zu verletzen, sonst würde man nicht zu den Preisen anbieten können. Also von daher ist die Frage, wie viel freiwillig oder verbindlich. Das liegt einfach auch daran, wie die Unternehmen einkaufen.
Ricke: Bei der Freiwilligkeit gibt es ja die Beispiele aus dem Supermarktregal, die habe ich angesprochen, oder aus dem Biomarktregal. Da kriegt man ökologische und auch mit Arbeitsbedingungen vereinbare Produkte für einen höheren Preis. Sie sagen, so etwas gibt es im Elektronikbereich nicht. Wagen Sie trotzdem die Einschätzung, um wie viel ein solches ökologisch und fair gehandeltes Produkt teurer sein müsste?
Heydenreich: Es ist insgesamt schwer zu sagen, wie viel das jetzt wirklich wäre. Also im ökologischen Bereich gibt es schon erste Schritte, da kann man sich zum Beispiel bei Greenpeace oder beim Ökoinstitut informieren, welche Produkte zumindest grüner sind als andere, und da muss man vielleicht ein bisschen mehr hinlegen. Aber ich denke, das ist auch nicht der große Unterschied. Es ist eher auch die Frage, wie oft brauche ich ein neues Produkt und rüste ich das vielleicht eher erst mal auf, das alte, was ich habe. Und dann kann ich da auch sparen und kann darüber auch Rohstoffe einsparen, die halt nicht wieder abgebaut werden müssen. Insgesamt denke ich, dass es für die Unternehmen die Arbeitskosten, die vor Ort in den Zulieferbetrieben bestehen, dass das nur ein kleiner Teil der Kosten ist. Also es würde nicht sehr viel mehr kosten, ein auch faires Produkt anzubieten. Dann ist vielleicht eher die Frage, wie das auch alles kontrolliert wird, und das werden noch mal zusätzliche Kosten sein. Ich würde jetzt keine Zahlen sagen, wir haben aber zum Beispiel auch eine Umfrage gemacht im letzten Jahr, da hatten wir unter jugendlichen Verbraucherinnen und Verbrauchern gefragt, ob sie auch bereit wären, zehn Prozent mehr zum Beispiel zu zahlen, wenn sie wüssten, dass das Gerät unter sozialen und ökologischen Bedingungen hergestellt wurde. Ungefähr die Hälfte war dazu bereit, auch da mehr Geld auf den Tisch zu legen. Also das finden wir auch ein wichtiges Signal an die Wirtschaft.
Ricke: Vielen Dank, Frau Heydenreich!
Heydenreich: Ja, bitte schön!
Ricke: Cornelia Heydenreich von der Organisation Germanwatch. Man macht sich dort stark für eine sozial gerechte, ökologisch verträglich und ökonomisch tragfähige Globalisierung. Sie hören Deutschlandradio Kultur.
Das Interview mit Cornelia Heydenreich können Sie bis zum 3. August 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Cornelia Heydenreich: Guten Morgen!
Ricke: Ich muss zugeben, ich habe mir ehrlich gesagt bis vor wenigen Tagen nicht so viel Gedanken gemacht über den Stromverbrauch meines Computers, meines Handys und meines DSL-Modems. Ich habe eher über den Stromverbrauch meines Kühlschranks nachgedacht. War ich da auf einem Auge blind?
Heydenreich: Ich denke schon, dass Sie da auf einem Auge blind waren, aber ist ja gut, dass Sie das Thema heute hier thematisieren. Wir stellen auch immer fest, dass Computer, Handys und was damit an ökologischen und erst recht sozialen Problemen verbunden ist, dass das viele Leute bisher noch nicht im Blick haben.
Ricke: Strom wird verbraucht von all diesen Geräten, aber diese Geräte sind auch voller Chemie. Darum bringt man ja seinen Computer, wenn er dann nach ein paar Jahren nicht mehr taugt, zum Wertstoffhof und schmeißt ihn nicht einfach in die eigene Mülltonne. Erkennen Sie denn eine Entwicklung hin zu einer saubereren Platine, zu einem besseren ökologischeren Chip?
Heydenreich: Es gibt eine Entwicklung, aber die ist noch viel langsam. Die ist zum einen auch beschleunigt worden durch Regulierungen, die es auf EU-Ebene gibt. Also das sind einige Stoffe, die giftigsten, inzwischen auch verboten, also dass Kadmium und Quecksilber und Blei da nicht mehr genutzt werden soll, aber dann gibt es noch Ausnahmeregelungen. Aber wir sehen, dass es da Entwicklungen gibt, nicht zuletzt auch angetrieben zum Beispiel durch Greenpeace, die seit einigen Jahren ein Ranking der Unternehmen machen und da auch schrittweise sehen, dass da was passiert. Aber ohne Druck und ohne Regulierung sehen wir, da passiert nicht so viel.
Ricke: Braucht’s tatsächlich den Zwang, geht das nicht mit Freiwilligkeit?
Heydenreich: Allein jedenfalls bisher sehen wir das nicht, dass das geht. Also wie gesagt, hatten wir den Eindruck, es brauchte zum einen Rahmensetzung und andererseits Nichtregierungsorganisationen, die auf die Themen aufmerksam machen. Es ist jetzt nicht alles für die Unternehmen kostenlos. Da müssen neue Verbindungen recherchiert werden und geschaut werden, wie kann man jetzt bestimmte Stoffe ersetzen durch andere, um zum Beispiel die giftigsten Chemikalien zu ersetzen. Das sehen wir auch, das wird sicherlich nicht vom Himmel fallen, da muss man auch etwas investieren. Aber wir denken, das ist gut investiert.
Ricke: Die Entsorgung eines Elektronikgerätes, das ist das Ende des Lebenszyklus. Am Anfang steht die Produktion, und diese Produktion findet oft in Billiglohnländern unter bedenklichen Arbeitsbedingungen statt. Man kennt die Horrorgeschichten, nicht nur aus den Fabriken, sondern zum Beispiel auch aus Afrika, wo unter menschenunwürdigen Bedingungen Erze wie Coltan geschürft werden, die dann verarbeitet in unseren Handys ankommen. Beim Kaffee und bei Bananen gibt es ja so etwas wie fair gehandelte Produkte. Gibt es so etwas auch bei Computern?
Heydenreich: Leider gibt es so etwas bisher nicht. Dafür setzen wir uns ein mit der Kampagne "Make IT fair", die europaweit in mehreren Ländern aktiv ist, weil wir finden, das wäre nötig, dass es auch ein faires Handy oder einen fairen Laptop gibt. Dazu haben wir die Industrie auch im letzten Jahr bereits aufgefordert, aber bisher gibt es so was in der Art noch nicht. Sicher ist es auch ein bisschen komplizierter als beim Kaffee, wo es wirklich nur ein Rohstoff ist, sondern im Handy sind allein ungefähr 30 verschiedene Metalle und darüber hinaus eine ganze Menge weitere Elemente, die erst mal alle nachverfolgt werden müssen. Und dann gibt es verschiedene Schritte in der Produktion, wo überall auch geschaut werden muss, dass die Arbeitsbedingungen in Ordnung sind und die Menschen nicht ausgebeutet werden und zu hohen Stunden arbeiten. Also da gibt es eine Menge zu tun. Das sehen wir auch, dass das sicher nicht ganz schnell passiert. Aber die Industrie sollte mehr tun, um dort die Bedingungen zu verbessern.
Ricke: Da sind wir wieder an dem Punkt: Freiwillig oder durch Zwang?
Heydenreich: Wir glauben, dass da auch Zwang erforderlich ist. Ich meine, es gibt eigentlich auch Regulierungen. In Ländern wie China gibt es eine Arbeitsgesetzgebung, die auch gar nicht so schlecht ist. Die wird halt mitunter auch nicht so eingehalten, aber das liegt nicht nur daran, dass vielleicht der juristische Zwang nicht da ist, sondern wie insgesamt halt die Wirtschaft arbeitet, dass da mit einem hohen Preisdruck und einem großen Preiswettbewerb unter den Unternehmern gearbeitet wird. Und der wird natürlich an die Zulieferer weitergegeben. Und damit die zu den Bedingungen liefern können, müssen sie oder sind sie quasi fast dazu gezwungen, bestimmte Rechte zu verletzen, sonst würde man nicht zu den Preisen anbieten können. Also von daher ist die Frage, wie viel freiwillig oder verbindlich. Das liegt einfach auch daran, wie die Unternehmen einkaufen.
Ricke: Bei der Freiwilligkeit gibt es ja die Beispiele aus dem Supermarktregal, die habe ich angesprochen, oder aus dem Biomarktregal. Da kriegt man ökologische und auch mit Arbeitsbedingungen vereinbare Produkte für einen höheren Preis. Sie sagen, so etwas gibt es im Elektronikbereich nicht. Wagen Sie trotzdem die Einschätzung, um wie viel ein solches ökologisch und fair gehandeltes Produkt teurer sein müsste?
Heydenreich: Es ist insgesamt schwer zu sagen, wie viel das jetzt wirklich wäre. Also im ökologischen Bereich gibt es schon erste Schritte, da kann man sich zum Beispiel bei Greenpeace oder beim Ökoinstitut informieren, welche Produkte zumindest grüner sind als andere, und da muss man vielleicht ein bisschen mehr hinlegen. Aber ich denke, das ist auch nicht der große Unterschied. Es ist eher auch die Frage, wie oft brauche ich ein neues Produkt und rüste ich das vielleicht eher erst mal auf, das alte, was ich habe. Und dann kann ich da auch sparen und kann darüber auch Rohstoffe einsparen, die halt nicht wieder abgebaut werden müssen. Insgesamt denke ich, dass es für die Unternehmen die Arbeitskosten, die vor Ort in den Zulieferbetrieben bestehen, dass das nur ein kleiner Teil der Kosten ist. Also es würde nicht sehr viel mehr kosten, ein auch faires Produkt anzubieten. Dann ist vielleicht eher die Frage, wie das auch alles kontrolliert wird, und das werden noch mal zusätzliche Kosten sein. Ich würde jetzt keine Zahlen sagen, wir haben aber zum Beispiel auch eine Umfrage gemacht im letzten Jahr, da hatten wir unter jugendlichen Verbraucherinnen und Verbrauchern gefragt, ob sie auch bereit wären, zehn Prozent mehr zum Beispiel zu zahlen, wenn sie wüssten, dass das Gerät unter sozialen und ökologischen Bedingungen hergestellt wurde. Ungefähr die Hälfte war dazu bereit, auch da mehr Geld auf den Tisch zu legen. Also das finden wir auch ein wichtiges Signal an die Wirtschaft.
Ricke: Vielen Dank, Frau Heydenreich!
Heydenreich: Ja, bitte schön!
Ricke: Cornelia Heydenreich von der Organisation Germanwatch. Man macht sich dort stark für eine sozial gerechte, ökologisch verträglich und ökonomisch tragfähige Globalisierung. Sie hören Deutschlandradio Kultur.
Das Interview mit Cornelia Heydenreich können Sie bis zum 3. August 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio