German Pop
Mit improvisierten Ausstellungen und Aktionen begründeten Düsseldorfer Kunststudenten in den 1960er-Jahren ihre eigene Variante der britisch-amerikanischen Pop Art: den Kapitalistischen Realismus. Die Düsseldorfer Kunsthalle zeigt jetzt Reproduktionen der Werke.
Niemand wollte sie ausstellen: Da griffen vier Studenten der Düsseldorfer Kunstakademie zur Selbsthilfe, mieteten im Mai 1963 in einer abbruchreifen Häuserzeile am Rand der Düsseldorfer Innenstadt eine leer stehende Metzgerei und zeigten ihre Arbeiten. Gerhard Richter, der sich damals noch Gerd nannte, machte die Pressearbeit. Er lud sogar die Wochenschau ein, über die erste Präsentation von Bildern zu berichten, die er mit den Begriffen "Naturalismus", "German Pop" und "Kapitalistischer Realismus" bezeichnete.
Kuratorin Magdalena Holzey: "Der kapitalistische Realismus ist sehr vielfältig und hat viele Einflüsse aufgenommen. Ganz sicher spielte die ironische Abgrenzung zum sozialistischen Realismus eine Rolle, ebenso der Einfluss der britisch-amerikanischen Pop Art, der die Künstler gerade erst durch Abbildungen begegnet waren und auch die Fluxus-Bewegung war wichtig."
So beschreibt Kuratorin Magdalena Holzhey die neue Richtung, die die Newcomer mit ihren Bildern einschlugen. Dicht an dicht hängten sie die Arbeiten an die Wände des Ladenlokals. Die Bewachung der improvisierten Ausstellung übernahmen sie abwechselnd. Der eifrigste war Sigmar Polke, wie die handgeschriebenen Einsatzpläne ausweisen, die unter den historischen Fotos und Dokumenten dieser Aktion zu sehen sind.
Richter zeigte seine leicht verschwommenen Bilder nach Zeitungsfotos und Werbeannoncen: ein Fernsehshow-Master, gerahmt von unecht lächelnden Girls, das Heck eines windschnittigen Autos in Bordeauxrot. Polke stellte punktgerasterte Portraits und Warenbilder aus: eine aufgerissene Tafel Schokolade, eine akkurate Reihe von paarweise gebündelten Socken. Die schöne, bunte Welt des Konsums, wie man sie aus der Pop Art kennt. Aber Gerhard Richter hat auch seinen Onkel in Nazi-Uniform gemalt. Und die Prominenz von Motiven, die mit Putzen und Waschen zu haben, gibt zu denken.
Holzey: "Sie malen Werbemotive, bekannte Gesichter aus Massenmedien, aber bei ihnen gibt es immer Raum für Erinnerung und Geschichte, für die spezifische deutsche Nachkriegszeit. Darin steckt eine Ambivalenz, die man in der US-Pop Art nicht findet."
Dass da in einem schäbigen Ladenlokal einige Ikonen der Nachkriegskunst zu sehen waren, die der Kunstmarkt später auf schwindelerregende Preise treiben würde, das wusste damals natürlich niemand. Im Museum hängen jetzt ausschließlich Reproduktionen. Eine "Rekonstruktion des Kapitalistischen Sozialismus" heißt die Ausstellung im Untertitel.
"Für uns ist die Entscheidung, auf Originale zu verzichten, das Kernkonzept dieser Schau und basiert darauf, dass wir festgestellt haben, dass wir dem Geist des kapitalistischen Realismus und der Art, wie die Künstler mit ihren Werken umgegangen sind, mit dem heutigen Werk eines Richter, was eine unglaubliche Aura besitzt und wo ein unglaublicher Wert dahinter steht, nicht mehr nahe kommen können."
Erklärt Ko-Kuratorin Elodie Evers.
"Ein weiterer Grund, Reproduktionen zu zeigen, ist die Tatsache, dass die Werke der Künstler eben auch auf Reproduktion beruhen, dass sich die Künstler aus Magazinen, aus Zeitungen bedient haben und darauf ihre Bildwelt rückführbar ist."
In der Düsseldorfer Kunsthalle, die ein typischer Betonklotz der Sechziger Jahre ist, inszeniert die Ausstellung eine Reise in die Vergangenheit: heller Teppichboden und wandgroße Fotoreproduktionen, die die Akteure, Schauplätze und Aktivitäten von damals vergegenwärtigen. Dazwischen Schaufenster-Vitrinen mit Dokumenten und insgesamt etwa 50 im Originalformat farbig reprozierte Bilder von Richter, Polke und ihren damaligen Kommilitonen Konrad Lueg und Manfred Kuttner.
Ein ganzer Saal ist der zweiten großen Düsseldorfer Aktion von 1963 gewidmet, die der Schau den Titel gegeben hat. "Leben mit Pop" nannten Gerhard Richter und Konrad Lueg, der unter seinem bürgerlichen Namen Konrad Fischer ein Galerist von internationalem Format werden sollte, ein Happening in einem Möbelgeschäft. Die Künstler stellten sich selbst zur Besichtigung aus in einer Wohnzimmerdekoration mit Sofa, Couchtisch und Fernsehtruhe. Und führten anschließend das Publikum durch die Verkaufsausstellung wie durch ein Museum. Was ist Ware? Was ist Kunst? Die jungen Künstler von damals haben einen Punkt getroffen, der nach 50 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt hat. Und der Weg, den sie inzwischen zurückgelegt haben, treibt den Widerspruch, den sie aufdecken wollten, auf die Spitze.
Holzhey: "Das ist sicher kein Zufall, dass drei der Beteiligten , der eine als Galerist, die anderen als Maler, so berühmt und erfolgreich geworden sind, weil sie selber die kapitalistischen Marktstrategien unterlaufen und anprangern, aber andererseits sehr geschickt für sich selbst genutzt haben."
Die Düsseldorfer Kunsthalle hat in dieser dokumentarischen Ausstellung die Frage nach Kunst und Kapitalismus spannend aufbereitet. Gerade durch die Abwesenheit von Originalen, die der Markt unerreichbar gemacht hat für das Museum.
Kuratorin Magdalena Holzey: "Der kapitalistische Realismus ist sehr vielfältig und hat viele Einflüsse aufgenommen. Ganz sicher spielte die ironische Abgrenzung zum sozialistischen Realismus eine Rolle, ebenso der Einfluss der britisch-amerikanischen Pop Art, der die Künstler gerade erst durch Abbildungen begegnet waren und auch die Fluxus-Bewegung war wichtig."
So beschreibt Kuratorin Magdalena Holzhey die neue Richtung, die die Newcomer mit ihren Bildern einschlugen. Dicht an dicht hängten sie die Arbeiten an die Wände des Ladenlokals. Die Bewachung der improvisierten Ausstellung übernahmen sie abwechselnd. Der eifrigste war Sigmar Polke, wie die handgeschriebenen Einsatzpläne ausweisen, die unter den historischen Fotos und Dokumenten dieser Aktion zu sehen sind.
Richter zeigte seine leicht verschwommenen Bilder nach Zeitungsfotos und Werbeannoncen: ein Fernsehshow-Master, gerahmt von unecht lächelnden Girls, das Heck eines windschnittigen Autos in Bordeauxrot. Polke stellte punktgerasterte Portraits und Warenbilder aus: eine aufgerissene Tafel Schokolade, eine akkurate Reihe von paarweise gebündelten Socken. Die schöne, bunte Welt des Konsums, wie man sie aus der Pop Art kennt. Aber Gerhard Richter hat auch seinen Onkel in Nazi-Uniform gemalt. Und die Prominenz von Motiven, die mit Putzen und Waschen zu haben, gibt zu denken.
Holzey: "Sie malen Werbemotive, bekannte Gesichter aus Massenmedien, aber bei ihnen gibt es immer Raum für Erinnerung und Geschichte, für die spezifische deutsche Nachkriegszeit. Darin steckt eine Ambivalenz, die man in der US-Pop Art nicht findet."
Dass da in einem schäbigen Ladenlokal einige Ikonen der Nachkriegskunst zu sehen waren, die der Kunstmarkt später auf schwindelerregende Preise treiben würde, das wusste damals natürlich niemand. Im Museum hängen jetzt ausschließlich Reproduktionen. Eine "Rekonstruktion des Kapitalistischen Sozialismus" heißt die Ausstellung im Untertitel.
"Für uns ist die Entscheidung, auf Originale zu verzichten, das Kernkonzept dieser Schau und basiert darauf, dass wir festgestellt haben, dass wir dem Geist des kapitalistischen Realismus und der Art, wie die Künstler mit ihren Werken umgegangen sind, mit dem heutigen Werk eines Richter, was eine unglaubliche Aura besitzt und wo ein unglaublicher Wert dahinter steht, nicht mehr nahe kommen können."
Erklärt Ko-Kuratorin Elodie Evers.
"Ein weiterer Grund, Reproduktionen zu zeigen, ist die Tatsache, dass die Werke der Künstler eben auch auf Reproduktion beruhen, dass sich die Künstler aus Magazinen, aus Zeitungen bedient haben und darauf ihre Bildwelt rückführbar ist."
In der Düsseldorfer Kunsthalle, die ein typischer Betonklotz der Sechziger Jahre ist, inszeniert die Ausstellung eine Reise in die Vergangenheit: heller Teppichboden und wandgroße Fotoreproduktionen, die die Akteure, Schauplätze und Aktivitäten von damals vergegenwärtigen. Dazwischen Schaufenster-Vitrinen mit Dokumenten und insgesamt etwa 50 im Originalformat farbig reprozierte Bilder von Richter, Polke und ihren damaligen Kommilitonen Konrad Lueg und Manfred Kuttner.
Ein ganzer Saal ist der zweiten großen Düsseldorfer Aktion von 1963 gewidmet, die der Schau den Titel gegeben hat. "Leben mit Pop" nannten Gerhard Richter und Konrad Lueg, der unter seinem bürgerlichen Namen Konrad Fischer ein Galerist von internationalem Format werden sollte, ein Happening in einem Möbelgeschäft. Die Künstler stellten sich selbst zur Besichtigung aus in einer Wohnzimmerdekoration mit Sofa, Couchtisch und Fernsehtruhe. Und führten anschließend das Publikum durch die Verkaufsausstellung wie durch ein Museum. Was ist Ware? Was ist Kunst? Die jungen Künstler von damals haben einen Punkt getroffen, der nach 50 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt hat. Und der Weg, den sie inzwischen zurückgelegt haben, treibt den Widerspruch, den sie aufdecken wollten, auf die Spitze.
Holzhey: "Das ist sicher kein Zufall, dass drei der Beteiligten , der eine als Galerist, die anderen als Maler, so berühmt und erfolgreich geworden sind, weil sie selber die kapitalistischen Marktstrategien unterlaufen und anprangern, aber andererseits sehr geschickt für sich selbst genutzt haben."
Die Düsseldorfer Kunsthalle hat in dieser dokumentarischen Ausstellung die Frage nach Kunst und Kapitalismus spannend aufbereitet. Gerade durch die Abwesenheit von Originalen, die der Markt unerreichbar gemacht hat für das Museum.