Gerlach: Risiko ist Teil des Geschäfts

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der Vizepräsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Rolf Gerlach, hat weitere Zuschüsse für die angeschlagene WestLB nicht ausgeschlossen. Derzeit könne das niemand abschließend beurteilen, sagte Gerlach. Zugleich betonte er, dass der drohende Arbeitsplatzabbau nicht im Zusammenhang mit der aktuellen Krise stehe.
Jörg Degenhardt: Es geht um Geld und es geht um Arbeitsplätze, es geht um die WestLB, die hat schon bessere Tage erlebt. Jetzt ist sie angeschlagen. In der Bilanz der Bank tun sich Milliardenlöcher auf. Um die Zukunft des Finanzunternehmens zu sichern und damit auch Arbeitsplätze, beschlossen die Eigentümer – das Land Nordrhein-Westfalen, die Landschafts- und Sparkassenverbände – in der vorletzten Nacht eine Kapitalspritze von zwei Milliarden Euro. Doch wer weiß schon, ob mit dem Hilfspaket nun tatsächlich alle Risiken aufgearbeitet sind, zumal Brüssel noch grünes Licht geben muss, schließlich geht es um staatliche Beihilfen. Fragen wir Rolf Gerlach, den Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes und stellvertretenden Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Guten Morgen, Herr Gerlach!

Rolf Gerlach: Guten Morgen!

Degenhardt: Ich weiß, Sie sind kein Wahrsager. Niemand weiß, wie sich der Markt künftig entwickelt, aber haben Sie in Düsseldorf alles im Griff?

Gerlach: Wir haben in Düsseldorf alles, was man erkennen kann, konsequent und sehr schnell in den Griff genommen. Die WestLB ist eine internationale Geschäftsbank und ist deswegen, wie viele andere internationale Geschäftsbanken auch, betroffen von den Auswirkungen der Subprime-Krise, wie das etwas vereinfacht heißt, das heißt, betroffen von den Turbulenzen der Immobilienmärkte in den USA. Die Auswirkungen, die wir erkennen konnten, haben wir aus Sicht der Aktionäre in den Griff genommen.

Degenhardt: Können Sie denn ausschließen, dass zu der jetzigen Kapitalspritze, ich sagte es, von zwei Milliarden Euro vielleicht noch eine weitere dazukommen muss?

Gerlach: Das kann zurzeit sicherlich niemand abschließend beurteilen. So, wie die Märkte sich täglich verändern, müssen die Banken noch überlegen, ob das eine oder andere in ihren Jahresabschlüssen zu berücksichtigen ist. Das kann zu der einen oder anderen weiteren Belastung führen, das kann allerdings auch zu Entlastungen führen in den nächsten Wochen, beides ist möglich. Wir wissen als Aktionäre der Bank, dass der Vorstand sich mit seinen Berechnungen auf die sehr vorsichtige Seite, auf die sehr konservative Seite gestellt hat.

Degenhardt: Wenn Geld gebraucht wird, da könnten ja vielleicht auch private Geldgeber helfen, das würde sie ja auch ein wenig entlasten, etwa die HSH Nordbank. Haben Sie schon darüber nachgedacht?

Gerlach: Nun, wir haben in der Sparkassenorganisation gute Gründe, wenn wir das ein oder andere zu finanzieren haben, das innerhalb unserer Organisation zu tun, und ich glaube, wir haben jetzt gerade in Nordrhein-Westfalen wieder gezeigt, dass wir trotz der Dezentralität unserer Organisation in der Lage sind, innerhalb kürzester Zeit Handlungsfähigkeit zu belegen.

Degenhardt: Handlungsfähigkeit auch um den Preis, dass Arbeitsplätze verloren gehen?

Gerlach: Das Thema der Arbeitsplätze in Düsseldorf und im WestLB-Konzern generell steht in keinem direkten Zusammenhang mit dem, was wir jetzt in der Nacht von Sonntag auf Montag im Kreis der Anteilseigner besprochen haben. Wir wissen, dass bei sich ändernden Märkten die WestLB auch an Restrukturierungen in Teilen Ihres Geschäftes nicht vorbeikommt. Welche Auswirkungen, ob sich Auswirkungen ergeben für Arbeitsplätze, werden wir erkennen können als Anteilseignervertreter, wenn der Vorstand uns dazu Vorschläge macht. Die haben wir im Moment noch nicht auf dem Tisch.

Degenhardt: Das klingt gleichwohl wenig hoffnungsvoll für die Beschäftigten der WestLB.

Gerlach: Nun, wir werden sehen, wir werden sehen, wie Marktveränderungen sich auswirken. Wenn Sie sich umschauen im Feld der internationalen Geschäftsbank, dann hat die ein oder andere Geschäftsbank ja schon die Konsequenz gezogen und gesagt, ein Teil der jetzt in der Krise befindlichen Märkte wird sich so nicht wieder präsentieren und so nicht wiedererstehen, und die ersten Häuser haben deswegen einzelnen Mitarbeitern oder auch einigen hundert Mitarbeitern schon das Kündigungsschreiben nach Hause geschickt. Das haben wir als WestLB noch nicht getan, der Vorstand der Bank ist in seiner Planung für die Restrukturierung, und je nach dem wie die Bank sich aufstellt, kann es Konsequenzen für Arbeitsplätze geben, die wir aber zur Zeit nicht überschauen.

Degenhardt: Die jetzt entstandene Situation, Sie haben das auch getan, wird immer wieder mit der US-Immobilienkrise in Verbindung gebracht. Wie konnte die immerhin drittgrößte öffentlich-rechtliche Bank Deutschlands da derart hineinschlittern?

Gerlach: Also, wir haben, glaube ich, in der Kreditwirtschaft alle einen Blick auf diesen Markt gehabt, der dadurch gekennzeichnet war, man war beteiligt an sehr, sehr vielen kleinen Krediten, das ist zunächst mal gut, Stichwort Risikostreuung. Man war abgesichert durch die sehr guten Urteile der Ratingagenturen, und wir haben über lange Jahre nun mal gelernt, dass man sich auf diese Urteile verlassen kann. Dass es dann offensichtlich so gewesen ist, dass in diese Fonds auch Kredite hineingekommen sind von Kreditnehmern, die ihre Schuldenberge nicht begleichen können, ist ein Phänomen, was nun alle in der Branche mit einer gewissen Zeitverzögerung erkannt haben, und der Umstand, dass man nun auch Wertpapiere hat, die Kredite verbriefen von Kreditnehmern, die teilweise nicht zurückzahlen können, wird zu Belastungen führen.

Degenhardt: Generell noch mal die Frage zum Schluss, Herr Gerlach, Sie haben es angesprochen: Auch andere Banken, die Landesbank Baden-Württemberg etwa, steckt ja ähnlich mit in der Immobilienkrise. Brauchen wir vielleicht andere Kontrollsysteme, die dazu beitragen, dass Risiken früher und deutlicher zutage treten?

Gerlach: Na ja, gut, die Kreditwirtschaft ist natürlich auch ein lernendes System, und wenn man sich die Risikoentwicklungen anschaut, dann hat man viele Normaljahre und gelegentlich mal krisenhafte Zuspitzungen. Wir haben alle mal investiert in eine New Economy zu Beginn des Jahrzehnts, und da waren eben auch Kreditnehmer bei, ich sage mal, die hatten zwar tolle Geschäftspläne, aber keinen nachhaltigen Erfolg.

Degenhardt: Das klingt – Entschuldigung – so, als müsste man hier Lehrgeld zahlen, und auch wenn es sich um Milliarden handelt und Arbeitsplätze dabei verloren gehen, das gehört mit zum Geschäft.

Gerlach: Der Verlust von Arbeitsplätzen sicherlich nicht, und Lehrgeld ist noch nicht ganz das richtige Wort, aber der Umgang mit Risiken ist schon Teil des Bankgeschäftes. Ein risikoloses Bankgeschäft gibt es nicht, und das Bankgeschäft ist auch Management von Risiken.