"Gerechtigkeit ist etwas für Schwächlinge"

Ein Prominentenanwalt, ein melancholischer Landtagsabgeordneter und ein schreibgehemmter Drehbuchautor - ein Autounfall führt diese drei so unterschiedlichen Charaktere zusammen. Autor Oswald ist selbst Rechtsanwalt und schreibt süffisant über die Verflechtungen zwischen Geld, Justiz und Politik.
Der Anwalt Georg Oswald erzählt gern von Anwälten, so auch in seinem neuen Roman. Schon auf der ersten Seite bewegen wir uns in der noblen Kanzlei des Strafverteidigers Ludwig Heckler, der keine Hemmungen hat, sich seine Ratschläge mit einem Stundensalär von 1000 Euro vergüten zu lassen. Dennoch mangelt es ihm und seinen Kollegen, darunter Gattin Philomena, nicht an Kundschaft. Die Großen und Prominenten aus Politik und Wirtschaft vertrauen dem verschwiegenen Starjuristen und schätzen seine Verbindungen.

Oswald zeigt – eine Eigenschaft, die unter deutschsprachigen Autoren nicht all zu häufig ist – keine Scheu, sich mit moralischem Anspruch in die Niederungen des real existierenden Lebens zu begeben. Die Verstrickungen von Geld, Justiz und Politik sind eines seiner Leib und Magen Themen, und "Vom Geist der Gesetze" seziert dieses meist unsaubere Geflecht exemplarisch.

Oswald präsentiert Personen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben: neben den soignierten Damen und Herren der Heckler-Kanzlei etwa den Landtagsabgeordneten Schellenbaum, der zudem als Generalsekretär einer irgendwie an die CSU erinnernden Partei fungiert; den mäßig erfolgreichen Drehbuchschreiber Richter, der am gewohnten Bohemeleben festhalten will, und seine Gefährtin, die Journalistin Kristina. Und nicht zuletzt den wackeren Oberstaatsanwalt Wolf, der einzusehen hat, wie seine hehren Ideale ad absurdum geführt werden.

Georg Oswald lässt deren Wege an einem Morgen zusammenlaufen, als Schellenbaum Richter mit seinem Dienstwagen anfährt und die Schuld auf seinen Fahrer schieben will. Von diesem Moment an beginnen die Räder ineinanderzugreifen. Wiewohl Schellenbaum nicht ungeschoren davonkommt, darf er sich über ein erstaunlich mildes Urteil freuen. Seine politische Karriere ist dadurch nicht gestoppt; nach einer Schonfrist darf er sicherlich auf neue politische Ämter spekulieren.

"Vom Geist der Gesetze" ist ein klug komponierter, süfig erzählter Roman mit Seifenopereffekten, dem es nicht an karriereerpichten Selbstdarstellern, rotweinerprobten Altlinken, Affären und Ehezwisten mangelt. Die Sympathie des Autors gilt denen, die sich Restideale bewahren und nicht über das nötige Kleingeld verfügen. Justiz ist ein Geschäft, ein Machtspiel. Hecklers Diktum "Gerechtigkeit ist etwas für Schwächlinge" legt bloß, dass der Geist der Gesetze vielen Einflüsterungen ausgesetzt ist.

Als Charles de Montesquieu in seiner berühmten Schrift, der der Roman seinen Titel verdankt, die Bedeutsamkeit der staatlichen Gewaltenteilung herausstrich, konnte er nicht ahnen, auf welch wackligen Füßen dieses Prinzip gut zweieinhalb Jahrhunderte später stehen würde. Das zeigt Oswald deutlich, wenn auch manchmal mit überzogenen Mitteln. "Vom Geist der Gesetze" ist – ja, das gibt es noch – das Buch eines engagierten Autors.


Rezensiert von Rainer Moritz

Georg M. Oswald: Vom Geist der Gesetze
Rowohlt Verlag, Reinbek 2007
348 Seiten, 19,90 Euro