Gerechtigkeit für Mumia Abu-Jamal

Von Jens Brüning |
Mumia Abu-Jamal lebt seit 27 Jahren in einer Todeszelle und ist für viele zum Symbol einer rassistischen US-Justiz geworden. Zweimal wurde die Hinrichtung des Journalisten aus Philadelphia aufgeschoben, zuletzt 2001 wegen schwerer Verfahrensfehler. Heute kam Abu-Jamals Anwalt nach Berlin, um in der Akademie der Künste auf den Fall aufmerksam zu machen.
Mit einem Ausschnitt aus dem Film "Imprisoned my whole life" des jungen Engländers William Francome begann das Gespräch. William Francome wurde an dem Tag geboren, an dem man Mumia Abu-Jamal zum Tode verurteilte, am 3. Juli 1982. Die Beweismittel waren dürftig, die Verurteilung des afroamerikanischen Journalisten durch ein Geschworenengericht in Philadelphia von rassistischen Motiven geprägt.

Danielle Mitterand, Ehefrau des einstigen französischen Staatspräsidenten und engagierte Kämpferin für die Menschenrechte, erinnerte im 27. Akademie-Gespräch an die Atmosphäre in Philadelphia.

"Ich erinnere daran, dass im Sommer 1995, als der erste Hinrichtungstermin für Mumia anberaumt war, dort mehr als tausend Personen aufgrund von Zeugenaussagen, die von der Polizei gefälscht wurden, verurteilt waren, unter ihnen auch zwei zum Tode Verurteilte.

2009 ist bekannt geworden, dass zwei Richter aus Philadelphia im Verlauf der letzten sieben Jahre mehr als tausend Jugendliche (in der Mehrzahl schwarz und arm) ins Gefängnis gebracht haben, gegen Bestechungssummen von 2.600.000 Dollar, die von den Unternehmen bezahlt wurden, die die Haftanstalten unterhalten.

Die Ungerechtigkeit dauert also an. Mumia zum Schweigen zu bringen, bedeutet, mehr als 3000 zum Tode Verurteilte zum Schweigen zu verurteilen, in einem Land, in dem die Zahl der Inhaftierten Rekordhöhe erreicht. Im Jahr 2009 wurden in den USA schon 20 Personen exekutiert."

Mumia Abu-Jamal ist inzwischen Ehrenbürger von Paris. Gerhart Rudolf Baum, während der sozial-liberalen Koalition von 1978 bis 1982 Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, plädierte für den Einzug der Zivilisation auch in den Vereinigten Staaten von Amerika.

"Die Todesstrafe in Amerika ist eine Schande für diese Demokratie. (Beifall). Insbesondere auch die Todesstrafe gegenüber Unmündigen, jungen Tätern, oder gegen geistig behinderte Täter. Die große Mehrheit der Staaten in der Welt hat die Todesstrafe abgeschafft oder exekutiert sie nicht mehr.

Die Amerikaner erholen sich von dieser schrecklichen Phase 'Bush II'. In dieser Phase 'Bush II' sind bei der Bekämpfung des Terrorismus die Menschenrechte mit Füßen getreten worden. Amerika hat offiziell Vernehmungsfolter praktiziert. Durch Waterboarding, Scheinertränkung. Offiziell anerkannt. Hat sich wegbewegt vom Recht des Völkerrechts und hat sich hinbewegt zum Recht des Stärkeren.

Der Irak-Krieg war das Recht des Stärkeren und nicht die Herrschaft des Rechts. Das alles ändert sich jetzt, und ich kann nur wünschen, dass das Klima sich verändert, also auch wenn der Präsident keinen unmittelbaren Einfluss auf diesen Fall hat, dass sich doch das Klima in Amerika verändert."

An sich aber war man zusammengekommen, um ein neues, dieses Mal faires Verfahren für Mumia Abu-Jamal zu fordern. Aus San Francisco war der Anwalt Robert Bryan angereist. Er leitet das Verteidiger-Team und war in den vergangenen 25 Jahren überwiegend erfolgreich im Kampf gegen die Todesstrafe.

In den nächsten Wochen soll eine Entscheidung vor dem Obersten Gericht der USA fallen. Es gibt drei Möglichkeiten: Entweder bestätigt der Supreme Court das Todesurteil, oder er wandelt die Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe um, oder, und das ist das Ziel der Kampagne, es wird einen neuen Prozess geben. Robert Bryan hat ein gutes Argument für eine Wiederaufnahme:

"Ich hatte schon vor zwei Jahrzehnten, als ich gebeten wurde, Mumia zu vertreten, starke Hinweise, dass der getötete Polizist ein Rassist war. Keiner der bisherigen Anwälte hat das vorgebracht. Er war ein Angeber und Tyrann. Er - und er war nicht der einzige aus dem Polizeirevier - hatte Spaß daran, wenn er einen Schwarzen nachts die Straße entlanglaufen sah und sich langweilte, ihn sich zu schnappen und zu schlagen."

Das wäre ein Argument, dass die Todesschüsse nicht aus Hinterlist oder Mordlust, sondern aus Notwehr abgegeben wurden. Denn attackiert worden war Mumia Abu-Jamals Bruder von dem Polizisten Daniel Faulkner. Die Beweismittel sind zudem dürftig und voreingenommen bewertet worden.

Das Podium in der Akademie der Künste forderte in der Nachbarschaft der US-amerikanischen Botschaft am Pariser Platz zu Berlin-Mitte eine Verhandlung ohne rassistische Manipulation und Vorverurteilung. Der einstige deutsche Innenminister und Rechtsanwalt Gerhart Rudolf Baum sieht neuerdings gute Chancen dafür:

"Eben ist ein amerikanischer Präsident ins Amt gekommen, der gesagt hat, vor 20 Jahren wäre er in seiner Hauptstadt nicht einmal bedient worden in einem Restaurant. Man muss sich vorstellen, was damals gewesen ist.

Ich habe als Innenminister amerikanische Gefängnisse besucht, die Mehrheit der Inhaftierten waren Farbige. Sie haben kein Geld, sie werden nicht richtig verteidigt, werden als Sündenböcke genommen - also dieser rassistische Hintergrund muss einen schon sehr misstrauisch machen."