Geräte, die sich selbst erklären

Moderation: Nana Brink |
Viele Anwender moderner Kommunikationsmittel scheitern bei der Nutzung ihrer Geräte an der Bedienungsanleitung. Anlässlich des Symposiums "Computer und Alltag" erklärte die Wissenschaftlerin Eva-Maria Jakobs, der Traum von Technikgestaltung seien sich selbst erklärende Geräte.
Brink: Heute findet in Berlin ein Symposium 'Computer in der Alltagswelt' statt, veranstaltet von Acatec, einem Verein, der die Technikwissenschaften in Deutschland miteinander ins Gespräch bringen will. Hier treffen sich Spitzenwissenschaftler, die zum Beispiel darüber diskutieren, wie intelligente Gegenstände oder die so genannten PDAs, das sind persönliche digitale Assistenten unseren Alltag verändern. Bei uns im Studio ist jetzt eine Referentin des Symposiums, Eva Maria Jacobs, Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin an der Technischen Hochschule in Aachen. Frau Jacobs, Sie beschäftigen sich mit Technik, Kommunikation und wenn ich das jetzt mal ganz wörtlich nehme: eigentlich kann ich ja mein Handy nur benutzen, wenn mir jemand es erklärt, die Bedienungsanleitung verstehe ich nicht. Ist denn das normal?

Jacobs: Normal sollte es sein, dass niemand Ihnen das erklären muss sondern dass Sie ein Gerät haben, das sich selbst erklärt. Das ist auch der Traum von Technikgestaltung, dass wir weder die Auskunft von anderen brauchen noch die Dokumentation. Im Augenblick ist es wirklich so, dass die Dokumentation der häufigst genannte Kritikpunkt von den Nutzern ist und zwar vollkommen unabhängig, wie alt die Nutzer sind oder aus welcher Sozialisationsgeschichte mit Technik sie kommen. Über 67 Prozent aller Deutschen ärgern unverständliche Bedienungsanleitungen.

Brink: Gibt es da Unterscheide zwischen den Altersgruppen, also verstehen die Jüngeren es besser als die Älteren?

Jacobs: Nein. Man hat Untersuchungen gemacht zum Beispiel auch zum Lesen von Bedienungsanleitungen bei Jüngeren, Älteren, Mittelalten (wobei die Altersbestimmung sehr problematisch ist) und man hat festgestellt, dass bei allen Lesern Unwillen, Unverständnis, Unverstehen und vor allen Dingen nicht Handlungsfähigkeit dabei herauskommt.

Brink: Woher kommt denn das, die Leute, die diese Bedienungsanleitungen schreiben, verstehen sie doch wahrscheinlich selber nicht...

Jacobs: Die Gründe sind ganz vielfältig. Es gibt gewiss genug Leute, die es könnten. Der größte Feind der Bedienungsanleitung ist eigentlich die Industrie selber, die genau an diesem Punkt spart und sagt, die Dokumentation ist teuer, da wollen wir die Kosten reduzieren, wir präferieren halbautomatische Übersetzungen, die zu diesem eigenartigen 'Bedienungsanleitungschinesisch' führt, mit dem wir oft konfrontiert werden. Ein anderes Problem ist, dass wir inzwischen in Deutschland mehr technische Redakteure haben als freie Journalisten, aber sie reichen immer noch nicht aus. Wir haben eine immer kompliziertere Technik, brauchen immer mehr Erklärung und Hilfe für den Nutzer und nur wenige von denen, die dokumentieren, also die Bedienungsanleitung schreiben, sind auch dafür ausgebildet. Viele kommen aus den Technikwissenschaften und Techniker haben ein zentrales Problem: sie denken aus der Logik des Systems heraus, aber Bedienungsanleitungen müssen aus der Logik und den Bedürfnissen der Nutzer heraus argumentieren.

Brink: Sie haben es eben schon angesprochen, dass viel auch mit den Übersetzungen zu tun hat. Es gibt halbautomatisch Übersetzungshilfen - was heißt das?

Jacobs: Dass es für bestimmte Ausdrücke, immer wiederkehrende Sätze wie Anweisungen, Warnungen eine Datenbank gibt mit Bausteinen und man versucht dann, den Text mit Hilfe dieser Bausteine zu übersetzen, aber zwischen den Bausteinen gibt es natürlich immer wieder Übergänge, die dann nicht so gut übersetzbar sind. Und wenn man zum Schluss an der Überarbeitung spart und nicht noch den Schritt macht, dass man alles kontrolliert und aus der Perspektive dieser Kultur und der Lesegewohnheiten dieser Kultur kontrolliert, dann kommen eben diese Probleme.

Brink: Ist es dann auch das Problem, dass so viele ausländische Produkte bei uns auf dem Markt sind? Die meisten Handys, die wir haben, kommen ja nicht aus Deutschland.

Jacobs: Ein Problem ist, dass wir eine weltweite Wirtschaft haben, wo Produkte relativ schnell für 20, 30, 40, 50 Länder produziert werden und es gibt zum Beispiel Firmen wie Nokia, die sich an 24 Standorten der Welt Entwicklerzentren leisten, wo man sich genau überlegt, wie funktioniert diese Kultur, wie tolerieren sie Fehler, wie wollen sie instruiert werden, welche Menüstrukturen verstehen sie. Und es gibt andere Firmen, die diesen Punkt übersehen und dann entsprechend die Probleme des Gerätes mit Hilfe der Bedienungsanleitung kompensieren müssen. Und dann hat der Nutzer ein doppeltes Problem.

Brink: Gibt es Möglichkeiten, solche Bedienungsanleitungen wirklich lesbar zu machen?

Jacobs: Das wichtigste ist, dass man sich genau überlegt, wer die Zielgruppe ist und dann in welchen Situationen Menschen mit diesen Geräten umgehen, welche Interessen sie haben und welche Aufgaben sie damit lösen wollen und dann aus dieser Perspektive heraus auch die Beschreibung des Gerätes und der Funktionen machen. Lösung Nummer eins: die Perspektive des Nutzers einnehmen, Nummer zwei: nur das sagen, was der Nutzer wirklich braucht, denn kein Mensch liest nur für sein Vergnügen Bedienungsanleitungen. Und das dritte ist: eine klare Sprache, die sehr genau deutlich macht, was ich am Gerät tun soll. Ich glaube, dass die Zukunft sowieso nicht mehr im gedruckten Bereich liegen wird, sondern wir werden uns am Bildschirm das Gerät anschauen können, hören, was wir daran wie bedienen, vor unseren Augen wird sich das Gerät drehen, ich werde genau die Buchse sehen, in die ich einen Stecker einstecken muss ohne eine komplizierte Raumanweisung.

Brink: Sind das dann diese fürchterlichen Plastikstimmen, die man aus dem Autonavigator kennt?

Jacobs: Auch im Bereich der Assistenzsysteme gibt es jetzt schon ganz charmante Lösungen, man kann sich zum Beispiel je nach Typ und Stimmungslage auch für den kernigen Bayer oder eine sexy Frauenstimme entscheiden und ich glaube, dass auch in Zukunft solche gesprochenen Dokumentationen einem hohen Individualisierungsgrad unterliegen werden. Wenn man es sehr knapp und nüchtern will, wird man sich das einstellen, wenn man etwas charmanter instruiert werden will, kann man das in Zukunft, so hoffe ich, auch machen.

Brink: Es wird auch neue Berufsfelder auf diesem Gebiet geben, neue Redakteure, die sich nur ausschließlich mit Bedienungsanleitungen beschäftigen?

Jacobs: Ja, diese Entwicklung hat in Deutschland Gott sei dank schon vor elf Jahren angefangen, es gibt inzwischen elf Fachhochschulen, die technische Redakteure ausbilden. Wir haben in Aachen 1990 den ersten universitären Studiengang ausgebildet, in dem interessierte Studierende 50 Prozent Kommunikation, das heißt Orientierung an dem Nutzer und der Sprache, die er versteht, erlernen und 50 Prozent eine technische Ausbildung haben. Das einzige Ziel diese Ausbildung wird sein, Experten zu haben, die für ganz unterschiedliche Zielgruppen die Technik so verständlich machen, wie die Kern- oder Zielgruppe das gerne möchte und braucht.

Brink: Was ist denn Ihre Lieblingsbedienungsanleitung?

Jacobs: Vom Mini. Von BMW der Mini. Da gibt es eine ganz intelligente Variante. Bei den Autos schauen ja die Bediener oder Autofahrer bei einer Panne sofort im Index nach, das ist in 80 Prozent aller Fälle so. Und Mini hat ein Stichwortverzeichnis und hinter einem bestimmten Eintrag, der zur Reparatur gedacht ist, sieht man dann einen kleinen Reparaturschlüssel. Das heißt, ich weiß genau, wann werde ich nur informiert und wo kann ich nachschlagen, wenn ich ein Problem habe. Mini macht das toll.