Geplant wie ein Feldzug

Von Antje Diekhans |
Die Geschichte des Kongos ist eine Geschichte von Gewalt, Krieg und Ausbeutung. Auch die Unabhängigkeit brachte kein Glück: Nach blutigen Kämpfen herrschte über drei Jahrzehnte mit Mobutu einer der brutalsten afrikanischen Politiker. Gefeiert wird der 50. Jahrestag der Staatsgründung trotzdem.
Mit 120 Kilometern pro Stunde durch Kinshasa. Das ist eigentlich unmöglich. Aber General Denis Kalume und seinen Trupp aus Bodyguards und Militärs können in diesen Tagen die Schlaglochpisten in der kongolesischen Hauptstadt nicht aufhalten – und erst recht keine Passanten.

Wer den hupenden Fahrern nicht schnell genug aus dem Weg springt, trägt selbst die Schuld. Der General hat es eilig. Er plant die Unabhängigkeitsfeiern in der früheren belgischen Kolonie. Am 30. Juni ist es 50 Jahre her, dass die "Demokratische Republik Kongo" ausgerufen wurde. Bis zu diesem Datum soll Kinshasa in neuem Glanz erstrahlen. Eine Stadt, die viele statt "La Belle" – die Schöne – nur noch "La Poubelle" nennen – das bedeutet "Müll".

"Die 50-Jahrs-Feiern sind für uns wirklich wichtig", sagt der General. "Bevor es weitergeht, müssen wir uns fragen: Was ist in dieser Zeit eigentlich mit uns passiert? Und was müssen wir tun, um den richtigen Weg einzuschlagen?"

Der Kongo ist ein Land, dem in der Geschichte immer wieder sein Reichtum zum Verhängnis wurde. Vor allem im Osten gibt es wertvolle Bodenschätze – Gold, Kupfer, Diamanten und Erze. Die weckten einst die Begehrlichkeiten des belgischen Königs Leopold II., dann plünderte der belgische Staat – inzwischen beuten Rebellengruppen die Minen aus. Auch wenn offiziell im Kongo Frieden herrscht – für tausende Menschen ist Krieg.

"Was im Osten passiert, das ist nicht gut", meint dieser Verkäufer in Kinshasa. "Immer diese Auseinandersetzungen. Es müsste dort längst verhandelt werden. Präsident Kabila ist noch sehr jung. Vielleicht lässt er sich zu sehr beeinflussen. Er muss lernen, selbst zu denken."

Der General, ein enger Vertrauter des Präsidenten, soll dafür sorgen, dass solche Stimmen am Jahrestag nicht zu hören sind. Wie einen Feldzug plant er die Jubelfeiern. Seine Kolonne rast von Stadtteil zu Stadtteil, um die Menschen auf Kurs zu bringen.

In einer schäbigen Versammlungshalle wird der General mit der Nationalhymne begrüßt. Die Unabhängigkeit, das Leben im Frieden und der Zusammenhalt der Menschen werden darin besungen - der Kongo hat noch einiges zu tun, wenn aus den Worten Wirklichkeit werden soll. Das weiß auch der General.

"50 Jahre Unabhängigkeit – die feiern wir nur dieses Jahr. Aber wir müssen jetzt die Grundlage schaffen für nachhaltige Entwicklungen. Dafür, dass die Dinge dann von alleine weiterlaufen."

Die Jahresfeiern sollen gleichzeitig zum Neuanfang werden – zumindest symbolisch. Der General will Aufbruchstimmung vermitteln. In jedem Stadtteil, in jedem Dorf wird ein Platz für die 50-Jahr-Feiern angelegt, sagt er. Es soll saniert und aufpoliert werden, was nur eben geht. Als neue Geschäftspartner hat sich die kongolesische Regierung die Chinesen ins Land geholt. Im Tausch für Förderlizenzen sollen sie aus den Schlaglochpisten befahrbare Straßen machen. Alles bis zum Jahrestag am 30. Juni.

"Vielen Dank, Herr General, für ihre Ausführungen", sagt dieser Zuhörer in einer Fragerunde. "Das klingt alles vielversprechend – aber wie soll das in fünf Monaten gehen?"

Doch Skepsis ist im straff organisierten Ablaufplan des Generals nicht vorgesehen. Die Antwort bleibt aus. Stattdessen rast seine Kolonne weiter. Mit Dauerhupe zur nächsten Versammlung.

Der Kongo hat viel versäumt in 50 Jahren Unabhängigkeit. Gewalt, Plündern der Bodenschätze und Hunger – diese Probleme werden sich bis zu den großen Feiern nicht lösen lassen. Der General will dafür sorgen, dass zumindest die Fassade stimmt.